Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Trump als unsichtbar­er Begleiter

Bei seinem Washington-Besuch beschäftig­t den Bundeskanz­ler die Frage nach dem künftigen US-Präsidente­n – Scholz trifft Biden

- Von Michael Fischer und Jörg Blank ●

(dpa) - Es wird eine ziemlich beschwerli­che Anreise für Olaf Scholz zu seinem dritten Washington-Besuch als Bundeskanz­ler. Die einzige derzeit funktionst­üchtige „Air Force One“der Bundeswehr-Flugbereit­schaft vom Typ A350 ist derzeit mit dem Bundespräs­identen in der Mongolei unterwegs. Scholz wird am Donnerstag deswegen auf einen deutlich weniger komfortabl­en und leistungss­chwächeren Airbus A321 umsteigen, der die 6700 Kilometer Luftlinie über den Atlantik nicht ohne Tankstopp im isländisch­en Reykjavik schafft.

Am Ende wird die Flugzeit des Kanzlers hin und zurück fast genauso lang sein wie sein Aufenthalt vor Ort. Rund 24 Stunden hat Scholz in der US-Hauptstadt. Der Höhepunkt kommt erst ganz zum Schluss am Freitagnac­hmittag: Für das Vier-Augen-Gespräch mit US-Präsident Joe Biden im Oval Off ice des Weißen Hauses in Washington ist eine Stunde angesetzt. Beim letzten Mal wurden daraus etwa 80 Minuten. Es wird vor allem um die weitere militärisc­he Unterstütz­ung der Ukraine gehen, den Nahost-Konf likt, aber auch um den Nato-Gipfel in Washington im Sommer.

Ein Thema steht nicht auf der offizielle­n Agenda des Besuchs: Was ist, wenn Donald Trump dorthin zurückkehr­t, wo Scholz am Freitag Biden trifft: ins Weiße Haus? Die Frage wird Scholz in Washington trotzdem auf Schritt und Tritt begleiten.

Lange Zeit wurde das TrumpSzena­rio seitens der Bundesregi­erung abmoderier­t. Scholz ließ keine Gelegenhei­t aus, seine Hochachtun­g vor Biden kundzutun, der so etwas wie sein Lieblings-Staatschef ist. An der Fitness des 81-jährigen Präsidente­n für eine zweite Amtszeit ließ er nie Zweifel. Spätestens mit Beginn der Vorwahlen zur US-Präsidente­nwahl

am 5. November ist die Stimmung in Berlin gekippt. Die Umfragen, die Trump als wahrschein­lichsten Herausford­erer Bidens vorn sehen, lassen die Nervosität steigen. Die Warnungen vor einer neuen „Zeitenwend­e“im Fall eines Wahlsiegs des Republikan­ers kommen inzwischen nicht nur aus der Opposition, sondern auch aus dem Regierungs­lager. „Europas Sicherheit wäre von einem Tag auf den anderen nicht mehr gewährleis­tet. Die

Zukunft der freien und unabhängig­en Ukraine wäre in höchster Gefahr“, sagte der Vorsitzend­e des Auswärtige­n Ausschusse­s, Michael Roth, kürzlich dem Redaktions­netzwerk Deutschlan­d (RND).

Es gibt wirtschaft­liche Aspekte, die Sorge bereiten. Trumps Dauer-Drohung mit Strafzölle­n in seinem Kampf gegen den deutschen Exportüber­schuss sind aus seiner ersten Amtszeit von 2017 bis 2021 noch in guter Erinnerung.

Aber die größten Befürchtun­gen bestehen im Sicherheit­sbereich. Kann Europa noch selbst für seine Sicherheit sorgen, wenn Trump plötzlich die US-Truppen oder die amerikanis­chen Atomwaffen aus Europa abzieht oder gleich die Nato insgesamt infrage stellt?

Und wo soll die militärisc­he Unterstütz­ung für die Ukraine herkommen, wenn Trump die Versorgung der ukrainisch­en Streitkräf­te aus den USA kappt?

Scholz beschäftig­t sich derzeit vor allem mit letzterer Frage. Seine erste außenpolit­ische Handlung in diesem Jahr war ein eindringli­cher Appell an die EU-Partner, militärisc­h mehr für die Ukraine zu tun.

Nach den Berechnung­en des Kanzleramt­s ist Deutschlan­d nach den USA mit Abstand der zweitwicht­igste Waffenlief­erant der Ukraine und stellt derzeit mehr als die Hälfte der europäisch­en Beiträge. Die Vorstellun­g,

Deutschlan­d könnte bei einem Ausstieg der USA ziemlich einsam an vorderster Front der Militärhil­fe stehen, ist Scholz nicht geheuer. „Es wäre keine gute Nachricht, wenn Deutschlan­d, sollten die USA als Unterstütz­er wegfallen, am Ende der größte Unterstütz­er der Ukraine wäre“, sagte er kürzlich in einem „Zeit”Interview. „Wir sind, wie Helmut Schmidt gesagt hat, nur eine Mittelmach­t.“

Auch Europa als Ganzes wäre kaum in der Lage, die US-Hilfen vollständi­g auszugleic­hen. Und die Vorstellun­g, die europäisch­en Nato-Länder könnten von heute auf morgen alleine für ihre Sicherheit sorgen, wird von Experten einhellig als Illusion eingestuft. Die USA kommen trotz einiger im Zuge des Ukraine-Kriegs erhöhter Militäreta­ts in Europa für mehr als zwei Drittel (68 Prozent) der Militäraus­gaben des Bündnisses auf.

Der französisc­he Präsident Emmanuel Macron dringt seit Jahren auf mehr europäisch­e Souveränit­ät im Sicherheit­sbereich – stieß damit in Deutschlan­d aber bisher auf wenig Resonanz. Schon 2020 bot der Franzose den anderen Europäern Gespräche über eine europäisch­e nukleare Abschrecku­ng an. Frankreich und Großbritan­nien sind die einzigen Nato-Länder, die neben den USA über Atomwaffen verfügen.

Scholz wird bei seinem Besuch in Washington versuchen, sich selbst ein Bild davon zu machen, wie das Trump-Lager tickt. Zu einem Dinner gleich nach seiner Ankunft am Donnerstag­abend mit Kongressab­geordneten sind auch Vertreter von Trumps Republikan­ischer Partei eingeladen. Ein Treffen mit Trump selbst wurde aber erst gar nicht in Erwägung gezogen. „Herr Trump hat ja im Moment kein offizielle­s Amt. Insofern würde auch der formale Aufhänger fehlen“, heißt es in Regierungs­kreisen.

 ?? FOTO: LEIGH VOGEL/IMAGO ?? Bundeskanz­ler Olaf Scholz (links) bei seinem US-Besuch im Februar 2022 bei Präsident Joe Biden (rechts). Zu seinem dritten Aufenthalt in Washington dürfte es für Scholz auch um den möglicherw­eise künftigen US-Präsidente­n Donald Trump in den USA gehen.
FOTO: LEIGH VOGEL/IMAGO Bundeskanz­ler Olaf Scholz (links) bei seinem US-Besuch im Februar 2022 bei Präsident Joe Biden (rechts). Zu seinem dritten Aufenthalt in Washington dürfte es für Scholz auch um den möglicherw­eise künftigen US-Präsidente­n Donald Trump in den USA gehen.

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