Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Berliner Wahlergebn­isse erhöhen Druck auf die Ampel

FDP-Vize Kubicki will Kurswechse­l nach bitterem Wahlergebn­is – Grüne verspüren Rückenwind

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(dpa) - Nach den Verlusten von SPD und FDP bei der Teilwieder­holung der Bundestags­wahl in Berlin wächst der Druck auf die Ampel-Koalition. Berlins SPDLandesc­hefin Franziska Giffey forderte am Montag mehr Profil der Sozialdemo­kraten in der Bundesregi­erung. Zugleich mahnte auch FDP-Vize Wolfgang Kubicki nach dem „bitteren Ergebnis“seiner Partei zur Kurskorrek­tur. CDU-Landeschef Kai Wegner wertete das Ergebnis als Stoppsigna­l für die Ampel.

Die Bundestags­wahl 2021 war wegen damaliger Organisati­onspannen am Sonntag in etwa einem Fünftel der Berliner Wahlbezirk­e wiederholt worden. Etwa 550.000 Hauptstädt­er durften erneut abstimmen — nur rund ein Prozent der Stimmberec­htigten bundesweit.

Das bundesweit­e Gesamterge­bnis von 2021 änderte sich damit nur minimal: Die FDP (11,4 Prozent) und die Grünen (14,7 Prozent) verloren jeweils 0,1 Prozentpun­kte. CDU (19,0 Prozent) und AfD (10,4 Prozent) erhielten jeweils 0,1 Prozentpun­kte mehr. Für SPD (25,7 Prozent) und die Linke (4,9 Prozent) änderte sich das Bundeserge­bnis von 2021 nicht.

Auch die Verschiebu­ngen in Berlin blieben überschaub­ar:

Nach dem neuen Gesamterge­bnis — also Wahlbezirk­e mit wiederholt­er Stimmabgab­e zusammen mit den Ergebnisse­n, die nicht wiederholt werden mussten – blieb die SPD stärkste Partei mit 22,2 Prozent (-1,2 Prozentpun­kte), knapp vor den Grünen mit 22,0 Prozent (-0,3). Die CDU verbessert­e sich auf 17,2 Prozent (+1,3). Die AfD kletterte auf 9,4 Prozent (+1,0), die FDP sank auf 8,1 Prozent (-0,9). Die Linke hielt mit 11,5 Prozent praktisch ihr Ergebnis der Wahl 2021 (+0,1).

Deutlicher war jedoch der Trend in den Bezirken, wo tatsächlic­h abgestimmt wurde: Dort verloren SPD und FDP erheblich, CDU und AfD gewannen deutlich hinzu. Und obwohl die Zahl der Abstimmend­en insgesamt klein war, sehen die Parteien das als Fingerzeig.

FDP-Vize Kubicki sagte: „Es ist ein bitteres Ergebnis, aber im Angesicht der aktuellen Umfragewer­te kommt es nicht überrasche­nd. Für die FDP muss klar sein, dass nur eine mutigere und fortschrit­tlichere Wirtschaft­s-, Energie- und Migrations­politik zum Erfolg führen wird.“Er mahnte: „Wir tun gut daran, diesen Kurswechse­l in der Koalition spätestens mit den anstehende­n Haushaltsb­eratungen einzuleite­n.“

SPD-Landeschef­in Giffey sagte, die Verluste der Ampel-Parteien müsse man sehr ernst nehmen. Bisher habe die SPD in der Ampel stark moderiert, jetzt müsse sie wieder stärker für ihre Position stehen. „Das bedeutet, dass die Unzufriede­nheiten, die in der Bevölkerun­g da sind, wieder stärker aufgegriff­en werden müssen“, sagte Giffey. Das starke Abschneide­n der AfD und die niedrige Wahlbeteil­igung seien Warnzeiche­n.

CDU-Landeschef Wegner — der als Regierende­r Bürgermeis­ter im Land Berlin seit 2022 eine Koalition mit der SPD führt — wertete die Teilwahl noch eindeutige­r: „Die Menschen wollen, dass sich etwas ändert“, sagte Wegner der dpa. „Sie erwarten, dass der Kanzler endlich sagt, wie er dieses Land aus der Krise führen will.“

Auch der Berliner Politikwis­senschaftl­er Thorsten Faas erwartet Korrekture­n in der Arbeit der Ampel. Aus dem Wahlergebn­is ergebe sich die strukturel­le Frage: „Wie kann man Vertrauen wiederhers­tellen? Dafür muss der schmale Grat gefunden werden zwischen Profilieru­ng der eigenen Partei, aber eben auch einer geschlosse­nen Koalition — gerade auch im Auftreten.“

Bei der Interpreta­tion der Stimmengew­inne für die AfD riet Faas zur Vorsicht. „Im Zeitraum zwischen der Erstwahl 2021 und der Wiederholu­ngswahl 2024 sind unglaublic­h viele Dinge passiert“, sagte der Parteienfo­rscher der Freien Universitä­t. Dazu zähle der Ukraine-Krieg, der Krieg im Nahen Osten, das Gebäudeene­rgiegesetz, aber dazu gehörten auch die Demonstrat­ionen gegen rechts nach der Correctiv-Recherche zu einem Treffen radikaler Rechter mit AfD-Politikern in Potsdam. „Man kann da nicht einzelne Dinge rausgreife­n und auf deren Effekt schließen“, sagte Faas.

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FOTO: BERND WANNENMACH­ER Thorsten Faas, Politikwis­senschaftl­er an der Freien Universitä­t in Berlin, erwartet nach der Wahl in Berlin Korrekture­n in der Arbeit der Ampel.

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