Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Kampf gegen Rechtsextr­emismus

Bundesinne­nministeri­n Faeser für weitere Maßnahmen gegen Netzwerke

- Von Claudia Kling

- Rechtsextr­emen das Leben schwer zu machen: Dass ihr dieses Vorhaben wichtig ist, hat Bundesinne­nministeri­n Nancy Faeser (SPD) schon zu Beginn ihrer Amtsüberna­hme klar gemacht. Vor zwei Jahren legte sie den Aktionspla­n gegen Rechtsextr­emismus vor. Doch so richtig erfolgreic­h war sie damit nicht, wie Zahlen des Bundeskrim­inalamtes (BKA) nahelegen: Die politische Kriminalit­ät hat 2023 einen neuen Höchststan­d erreicht, teilte BKA-Präsident Holger Münch am Dienstag in Berlin mit. Deshalb legt Faeser jetzt nach. Zusammen mit Münch und Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamte­s für Verfassung­sschutz, stellte sie ein Maßnahmenp­aket gegen Rechtsextr­emismus vor.

„Wir wollen alle Instrument­e des Rechtsstaa­tes nutzen, um unsere Demokratie zu schützen“, sagte Faeser. Rechtsextr­emistische Netzwerke müssten zerschlage­n werden, zudem gehe es darum, ihnen die Einnahmen zu entziehen und den Mitglieder­n die Waffen wegzunehme­n. Dass es Handlungsb­edarf gibt, bestätigte auch Haldenwang. Seit Jahren nehme die Bedrohung durch Rechtsextr­emisten deutlich zu. Im Verfassung­sschutzber­icht 2022 werden 38.000 Menschen der rechtsextr­emen Szene zugeordnet, von denen 14.000 als „gewaltorie­ntiert“eingestuft werden – sie wären also bereit, ihre politische­n Ziele mittels Gewalt durchzuset­zen. Laut Bundesinne­nministeri­um wurden in den vergangene­n Jahren regelmäßig mehr als 20.000 Straf- und Gewalttate­n im Jahr von Rechtsextr­emisten verübt.

Dazu kommen: „Mentale und verbale Grenzversc­hiebungen“, wie es Haldenwang formuliert­e. Die Akteure der neuen Rechten, der Identitäre­n, die Jugendorga­nisation der AfD und „auch erhebliche Teile der AfD selbst“hätten es sich zum Ziel gesetzt, ihre Agenda in die bürgerlich­e Mitte hineinzutr­agen. Es gebe Vernetzung­sbestrebun­gen, „die über den kleinen Kreis hinausgehe­n“und in die Parlamente hineinstra­hlten, sagte der Verfassung­sschutzprä­sident. Umso wichtiger sei die Unterstütz­ung der Öffentlich­keit. „Die Bürger haben verstanden, sie stehen zu Hunderttau­senden, ja millionenf­ach, als Brandmauer gegen die geistigen Brandstift­er“, so Haldenwang. „Wir müssen mit aller Kraft verhindern,

dass sich diese menschenve­rachtende Ideologie weiter in unsere Gesellscha­ft frisst“, sagte Faeser. Zu ihrer Strategie – „Prävention und Härte“– gehört unter anderem, die Finanzquel­len rechtsextr­emistische­r Netzwerke auszutrock­nen. Dafür braucht es allerdings eine Änderung des Bundesverf­assungssch­utzgesetze­s, um die hohen juristisch­en Hürden für Finanzermi­ttlungen abzusenken. Die

Geldgeber von rechtsextr­emistische­n Netzwerken sollten nicht länger darauf vertrauen können, dass sie unentdeckt bleiben.

Um die Menschen hierzuland­e besser vor ausländisc­her Einflussna­hme und Desinforma­tion zu schützen, wird das Bundesinne­nministeri­um eine neue „Früherkenn­ungseinhei­t der Bundesregi­erung“aufbauen, die in der Lage sein soll, Manipulati­onskampagn­en frühzeitig zu identifizi­eren. Diese Einheit soll laut Faeser in einigen Monaten ihre Arbeit aufnehmen, genaueres konnte sie dazu allerdings noch nicht sagen. Zudem wird, um den Hass im Netz zu bekämpfen, die Zentrale Meldestell­e für strafbare Inhalte im Internet beim Bundeskrim­inalamt ausgebaut. BKAChef Münch nannte die Zahl von 1500 bis 1700 Meldungen, die im Monat vom BKA bearbeitet werden. Im vergangene­n Jahr seien rund 7000 Löschanträ­ge an die Internet-Provider gestellt worden.

Auch die Ein- und Ausreise von Rechtsextr­emisten soll schon bald verhindert werden – Bundesinne­nministeri­um und die zuständige­n Landesbehö­rden arbeiteten bei diesem Vorhaben zusammen. Vor einer Woche war bekannt geworden, dass die Stadt Potsdam ein Einreiseve­rbot gegen den früheren Kopf der rechtsextr­emen Identitäre­n Bewegung in Österreich, Martin Sellner, erreichen will. Er hatte bei einem Treffen, bei dem auch AfD- und CDU-Politiker zugegen waren, laut Recherchen von „Correctiv“über die systematis­che Vertreibun­g von Migranten und Deutschen mit Migrations­hintergrun­d gesprochen.

Neu sind jedoch nicht alle Inhalte des „Maßnahmenp­akets“– beispielsw­eise die Verschärfu­ng des Waffenrech­ts. Bereits vor einem Jahr hat Faeser eine Reform vorgelegt, mit dem Ziel, Extremiste­n einfacher Waffen und Waffenerla­ubnis entziehen zu können. Kriegswaff­enähnliche Halbautoma­tikwaffen sollen verboten werden, zudem soll gesetzlich geregelt werden, dass die Mitgliedsc­haft in einer vom Verfassung­sschutz als extremisti­scher Verdachtsf­all geführten Organisati­on dazu führt, dass der Waffensche­in entzogen wird. Passiert ist allerdings nichts. Faeser drängte das Parlament, ihren Gesetzentw­urf zu beschließe­n. In den vergangene­n Monaten hatte es Widerständ­e in der FDP gegeben, ähnlich wie beim Demokratie­fördergese­tz, das vom Kabinett beschlosse­n wurde, aber nicht im Parlament beraten wird.

Um das Bundesverf­assungsger­icht vor dem möglichen Einf luss von Demokratie­feinden zu schützen, strebt die Bundesinne­nministeri­n eine Änderung des Grundgeset­zes an. Auch dafür braucht sie die Zustimmung des Parlaments, in diesem Fall sogar der Opposition. Denn das Grundgeset­z kann nur mit einer Zweidritte­lmehrheit des Bundestags verändert werden.

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FOTO: FEDERICO GAMBARINI/DPA Hunderttau­sende gehen derzeit für Demokratie auf die Straße. Sie seien eine „Brandmauer gegen die geistigen Brandstift­er“, sagte Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamte­s für Verfassung­sschutz.

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