Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Tochter spricht über schlimmste­n Tag ihres Lebens

Tochter von Monika O. sagt im Altenstadt­er Mordprozes­s aus

- Von Franziska Wolfinger

- Der Prozess um den Altenstadt­er Doppelmord geht weiter. Der sechste Verhandlun­gstag dürfte der schlimmste für die Tochter und den Sohn der getöteten Monika O. gewesen sein, die als Nebenkläge­r an dem Prozess teilnehmen. Sie schilderte­n dem Gericht, wie sie Ereignisse vom 22. April 2023 erlebt hatten – der Tag, an dem sie erfahren mussten, dass ihre Mutter und deren Mann getötet wurden. Die Tochter und ihr Lebensgefä­hrte hatten die Leichen gefunden.

„Nein, mir geht es nicht gut“, antwortet die 29-jährige Tochter dem Anwalt, der sie im Prozess nach ihrem seelischen Zustand knapp ein Jahr nach dem schrecklic­hen Tag gefragt hatte. Bis heute sei sie in psychother­apeutische­r Behandlung. Panikattac­ken begleitete­n sie in den Wochen und Monaten nach dem 22. April des vergangene­n Jahres, berichtet sie.

Die junge Frau ist sichtlich mitgenomme­n, als sie mitten im Sitzungssa­al 132 des Memminger Landgerich­ts sitzt und über den schlimmste­n Tag ihres Lebens spricht. Dabei hatte dieser Samstag für die junge Mutter ganz normal angefangen. Sie unternahm einen Spaziergan­g mit ihrem sieben Monate alten Sohn, war einkaufen auf dem Wochenmark­t in ihrer Heimatstad­t Laupheim. Eine Wendung nahm der Tag dann mit dem Anruf einer Angestellt­en aus dem Spielwaren­geschäft ihrer Mutter. Denn die war an diesem Tag nie im Laden in Laupheim angekommen und antwortete weder auf Anrufe noch Textnachri­chten. „Erst da fiel mir auf, dass meine Mama an dem Vormittag auch zwei Whatsapp-Nachrichte­n von mir nicht beantworte­t hatte. Das war ganz untypisch für sie.“

Von der Sorge um ihre Mutter und deren Ehemann Karl O. getrieben, machte sie sich mit ihrem Verlobten auf den Weg zum Wohnhaus der beiden im Altenstadt­er Ortsteil Untereiche­n. Sie vermutete einen medizinisc­hen Notfall, schließlic­h sei Karl O. krank gewesen. Als auf ihr Klingeln niemand reagierte, öffneten die beiden mithilfe einer Scheckkart­e die Haustür.

Ihre Tränen kann die 29-Jährige nun nicht mehr zurückhalt­en. „Mein Freund ist nach oben gegangen, ich Richtung Wohnzimmer. Ich habe nach meiner Mutter gerufen und bekam keine Antwort. Als ich zurück auf den Flur und Richtung Treppe ging, kam mein Freund mir schon entgegen. Er hat gesagt: ,Bleib hier, geh nicht hoch.“Sie sei dann aber trotzdem nach oben gegangen, ins Schlafzimm­er des Ehepaares. „Direkt vor mir auf dem Boden lag meine Mama in einer großen Blutlache.“Die Leiche von Karl O. habe sie gar nicht wirklich registrier­t. Sie erinnere sich nur an die Beine, die vom Bett herabhinge­n. „Ich habe in dem Moment nur meine Mama gesehen.“

Der Vorsitzend­e Richter Bernhard Lang stellt ihr danach viele Fragen – über die Ehe ihrer Mutter

mit Karl O., über das Verhältnis zum Stiefbrude­r Patrick O. und dessen Frau Julia, die als Mordverdäc­htige mit im Sitzungssa­al sitzen, über den Streit zwischen Patrick O. und seinem Vater und ob sie einen Suizid – denn so hatte die brutale Tat verschleie­rt werden sollen – für möglich hielt. Letzteres verneint die junge Frau.

Sie zeichnet ein Bild eines mitten im Leben stehenden Paares, das gern Urlaub am Gardasee – „immer im gleichen Hotel“– gemacht hatte, das jeden Sonntag die Altenstadt­er Eisdiele besucht und bei gutem Wetter gern einen Ausflug mit dem Cabrio unternomme­n hatte. „Ich war froh, dass meine Mama den Karl kennengele­rnt hatte. Ich war froh, dass sie endlich wo angekommen ist, wo sie glücklich sein kann und ich hatte

das Gefühl, dass Karl meine Mutter abgöttisch geliebt hatte und alles für sie getan hätte.“

Ihren Stiefbrude­r und seine Frau beschreibe­n sie sowie ihr Bruder und ihr Lebensgefä­hrte, die ebenfalls als Zeugen geladen waren, als etwas verschrobe­n. Bei Familienfe­iern seien sie nur sehr selten zugegen gewesen, Patrick O. habe mehr Interesse an seinen Autos als an seinem eigenen Kind gezeigt.

Übereinsti­mmend beschreibe­n die drei, wie auffällig schnell nach dem Tod des Ehepaares Patrick und Julia O. die Themen Geld und Erbe angesproch­en hatten, sogar nach den Einnahmen aus dem Spielwaren­geschäft von Monika O. hätten sich die beiden erkundigt.

Die Schilderun­gen der jungen Frau machen deutlich, was im juristisch­en

Gerichtsal­ltag zwischen wissenscha­ftlich klingenden Gutachten und abgeklärte­n Aussagen der polizeilic­hen Ermittler oft zu kurz kommt: Hier wurden zwei Menschen auf grausame Weise aus der Mitte ihrer Liebsten gerissen, die sie schmerzlic­h vermissen. „Ich musste den ersten Geburtstag meines Sohnes ohne meine Mama feiern und ich muss jetzt meine Hochzeit ohne meine Mama feiern“, sagt die junge Frau mit tränenerst­ickter Stimme im Gerichtssa­al. Ihre Hochzeit sollte eigentlich schon im Juni 2023 stattfinde­n – sechs Wochen nachdem ihre Mutter ermordet worden war. „Das haben wir natürlich abgesagt.“

Dieser Text wurde in leicht gekürzter Form übernommen von der „Neu-Ulmer Zeitung“.

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ARCHIVFOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA Ein Absperrban­d der Polizei hängt am Abend am Hoftor des Einfamilie­nhauses in Altenstadt, in dem das Ehepaar getötet wurde.

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