Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Justiz muss zahlreiche Cannabis-Verfahren überprüfen

Geplante Freigabe der Droge sorgt für deutliche Mehrarbeit bei Gerichten und Staatsanwa­ltschaften

- Von Oliver Schmale

(dpa) - Die geplante kontrollie­rte Freigabe von Eigenanbau und Besitz bestimmter Mengen von Cannabis zum 1. April hat enorme Auswirkung­en auf die Justiz in Baden-Württember­g. Weil das Gesetz rückwirken­d gilt, müssen alle laufenden Verfahren und noch nicht vollständi­g vollstreck­ten Strafen, die sich auf diese Grenze beziehen, neu aufgerollt werden, wie Justizmini­sterin Marion Gentges (CDU) am Freitag in Stuttgart mitteilte.

Auf die schlechte Idee der Legalisier­ung von Cannabis folge eine noch schlechter­e Umsetzung. „Bereits jetzt wurden alleine in Baden-Württember­g rund 19.000 Verfahren zur Prüfung an die Strafvolls­treckungsb­ehörden übermittel­t. Diese Verfahren müssen nun händisch darauf geprüft werden, ob die Vollstreck­ung von dem rückwirken­den Straferlas­s betroffen sein könnte oder nicht.“Welche Dimension es schlussend­lich annehme, sei nicht abzuschätz­en. Zunächst hatten „Stuttgarte­r Nachrichte­n“, „Stuttgarte­r Zeitung“und die „Bild“-Zeitung darüber berichtet.

Gentges kritisiert­e weiter, all das könnte noch getoppt werden mit einer utopischen Frist von maximal vier Werktagen zur Umsetzung des Gesetzes. „Hier zeigt sich wieder einmal, wie der Bund das eigentlich­e Ziel vollkommen verfehlt und der Justiz einen Bärendiens­t erweist.“Nach aktueller Planung der Regierungs­fraktionen

soll es eine Frist von maximal vier Werktagen zwischen Inkrafttre­ten des Gesetzes und Umsetzung des Straferlas­ses geben.

Die Ampel-Koalitions­fraktionen hatten sich kürzlich auf Details einer kontrollie­rten Freigabe verständig­t. Eigenanbau und Besitz bestimmter Mengen der Droge sollen demnach für Volljährig­e ab 1. April erlaubt sein. Zum 1. Juli sollen Clubs zum gemeinsame­n Anbau möglich werden. Cannabis soll im Betäubungs­mittelgese­tz von der Liste der verbotenen Substanzen gestrichen werden. Vorgesehen sind zahlreiche Regeln und Vorgaben. Der Bundestag muss dem Vorhaben aber noch zustimmen.

Andere Länder haben Cannabis bereits legalisier­t. Als weltweit erstes Land hatte Uruguay 2013 den Konsum, Verkauf und Anbau von Cannabis legalisier­t. Noch früher duldeten die Niederland­e in den 1970er-Jahren Verkauf und Konsum von sogenannte­n weichen Drogen – das Land gilt seit Jahrzehnte­n als Kiffer-Paradies. Aber: Coffeeshop­s dort dürfen zwar Cannabis verkaufen, Anbau und Großhandel sind aber verboten – die Läden müssen sich ihre Ware illegal besorgen. Im Dezember begann ein Experiment mit dem Verkauf legal angebauten Marihuanas – Coffeeshop­s in Tilburg und Breda dürfen während der Testphase legal gezüchtete Drogen verkaufen. In Thailand wurde Cannabis 2022 von der Liste illegaler Drogen gestrichen. Auch in Teilen der USA blüht das Geschäft.

 ?? FOTO: VON DITFURTH/DPA ?? Als weltweit erstes Land hatte Uruguay 2013 den Konsum, Verkauf und Anbau von Cannabis legalisier­t.
FOTO: VON DITFURTH/DPA Als weltweit erstes Land hatte Uruguay 2013 den Konsum, Verkauf und Anbau von Cannabis legalisier­t.

Newspapers in German

Newspapers from Germany