Schwäbische Zeitung (Laupheim)

EU-Kommission eröffnet Verfahren gegen TikTok

Chinesisch­e Online-Plattform soll Minderjähr­ige besser vor schädliche­n Inhalten und Suchtgefah­ren schützen

- Von Marek Majewsky und Stella Venohr

(dpa) - Die Europäisch­e Kommission eröffnet ein Verfahren gegen die Online-Plattform TikTok. Es soll geprüft werden, ob der Online-Riese genug gegen die Verbreitun­g illegaler Inhalte vorgeht und etwa beim Jugendschu­tz, und Werbetrans­parenz gegen EU-Regeln verstößt, wie die Behörde in Brüssel mitteilte. Bei den möglichen Verfehlung­en geht es auch darum, dass TikTok unter Umständen nicht genug unternimmt, damit die App kein Suchtverha­lten fördert. Konkret hat die Kommission etwa Algorithme­n im Verdacht, die Abhängigke­iten anregen oder einen sogenannte­n Rabbit-Hole-Effekt (Auf Deutsch etwa: Kaninchenb­au-Effekt) auslösen können.

Dieser Effekt – oft angelehnt an die Geschichte Alice im Wunderland – beschreibt grob das Phänomen, sich sehr intensiv in einem Thema zu verlieren und es nicht mehr zu schaffen, sich davon loszureiße­n. Algorithme­n – vereinfach­t gesagt von Menschen geschriebe­ne Anleitunge­n für Computer – können theoretisc­h solche Verhaltens­muster erkennen und ausnutzen, damit Nutzerinne­n und Nutzer mehr Zeit auf

einer Plattform verbringen.

Schutzmaßn­ahmen für Minderjähr­ige wie Altersüber­prüfungen zum Jugendschu­tz seien möglicherw­eise nicht wirksam, so die Kommission. Die Plattform ist nach eigenen Angaben für Menschen gedacht, die mindestens 13 Jahre alt sind. Auf der Website des Unternehme­ns heißt es: „Deshalb ist es von zentraler Bedeutung, dass Teenager ihr richtiges Geburtsdat­um angeben.“

Die Kommission hatte bereits eine Voruntersu­chung durchgefüh­rt, deren Ergebnis zu dem nun eingeleite­ten förmlichen Verfahren gegen TikTok geführt hat. Vor fast genau zwei Monaten hatte Brüssel bereits ein ähnliches Verfahren

gegen X (früher Twitter) eröffnet. Dabei ging es unter anderem um Hinweise auf illegale und irreführen­de Beiträge zum Gaza-Krieg. Online-Plattforme­n werden von einem neuen EU-Gesetz über digitale Dienste (DSA) verpf lichtet, strikt gegen illegale Inhalte wie Hassrede und Hetze im Netz vorzugehen.

Seit Inkrafttre­ten des Gesetzes hat die Brüsseler Behörde großen Online-Plattforme­n einen Fragenkata­log geschickt, darunter Facebooks Mutterkonz­ern Meta oder Snapchat. Sie mussten zum Beispiel Angaben dazu liefern, wie sie die psychische Gesundheit von Jugendlich­en schützen.

Die Plattforme­n müssen ihren Nutzern Informatio­nen über Anzeigen zur Verfügung stellen – also zum Beispiel, warum die Anzeigen ihnen gezeigt werden und wer für die Werbung bezahlt hat. Außerdem sollen Minderjähr­ige besonders geschützt werden. So ist es verboten, sie gezielt mit Werbung anzusprech­en, die auf persönlich­en Daten beruht.

Die EU-Kommission will auch untersuche­n, ob genug getan wird, um ausreichen­d Privatsphä­re zu gewährleis­ten. Dabei geht es etwa darum, welche Datenschut­zeinstellu­ngen als Standard für Minderjähr­ige eingestell­t sind. Zudem wird unter die Lupe genommen, ob ein durchsuchb­ares Verzeichni­s für die auf TikTok präsentier­ten Anzeigen die rechtliche­n Auf lagen erfüllt. Darüber hinaus hat die EU-Kommission Zweifel, ob Forschende wie vorgeschri­eben ausreichen­d Zugang zu Daten von TikTok bekommen.

Sollte die Kommission zu dem endgültige­n Schluss kommen, dass TikTok gegen den DSA verstößt, können Geldbußen von bis zu sechs Prozent des weltweiten Jahresumsa­tzes verhängt werden. Für die Überwachun­g der Online-Riesen ist die EU-Kommission zuständig. Für kleinere Anbieter, wie zum Beispiels den Onlinemark­t Kleinanzei­gen.de, ist das in Deutschlan­d die Bundesnetz­agentur.

Die Kommission kann außerdem Zwangsgeld­er in Höhe von bis zu fünf Prozent des durchschni­ttlichen weltweiten Tagesumsat­zes verhängen – für jeden Tag, den der Konzern etwa zugesagte Maßnahmen nicht umsetzt. Berichten zufolge hat TikTok einen Jahresumsa­tz von mehreren Milliarden Euro. Das Unternehme­n selbst veröffentl­icht keine Zahlen. Bei dem nun eingeleite­ten Verfahren gibt es keine Frist. Wie lange die Untersuchu­ng dauert, ist offen.

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FOTO: DPA TikTok soll weltweit mehr als eine Milliarde Nutzer haben.

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