Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Konzerte für Jugendliche kostenlos
Abdera-Team will Minderjährige durch das Angebot an die Kulturszene heranführen
- In der Kulturhalle Abdera in Biberach dürfen Jugendliche künftig kostenlos auf ausgewählte Konzerte. Sie mussten während der Pandemiejahre auf vieles verzichten. Das neue Angebot soll sie dafür wenigstens etwas entschädigen. Außerdem will das Abdera-Team die Jugendlichen so an die Konzert- und Ausgeh-Szene heranführen und ihnen die Chance geben, das Nachtleben für sich zu entdecken.
„Es gibt jetzt zwei Jahrgänge, die gar nicht weggehen konnten. Die sind nicht in der Ausgehkultur sozialisiert, ihnen fehlt die Erfahrung“, sagt Christian Fakler, genannt Chriss. Er ist hauptamtlicher Mitarbeiter des Kulturvereins Lilienthal, der das Abdera betreibt.
Das Angebot gilt für alle Jugendlichen unter 18 Jahren. Mindestalter für den Einlass sind 14 Jahre. Mit einem Partypass dürfen 14- bis 17-Jährige dann bis 0 Uhr wegbleiben. Mit ausgefülltem „Muttizettel“oder in Begleitung eines Erziehungsberechtigten sind sogar noch längere Ausgehzeiten drin. Der Startschuss für die Aktion fiel vergangenes Wochenende am Samstag, 17. Februar. Unter dem Motto „Beautiful
Noise“gaben vier lokale Bands aus Ulm und Biberach kleinere Konzerte – quasi ein Mini-Festival.
Wichtig zu betonen ist, dass das Angebot nicht für alle Konzerte gilt. Da das Abdera für manche Konzerte mit externen Veranstaltern kooperiere, könne man das Angebot nicht pauschal für alle Konzerte anbieten. Chriss Fakler zeigt sich allerdings zuversichtlich, circa 85 Prozent der Konzerte in diesem Jahr kostenlos für Menschen unter 18 Jahren anbieten zu können. Die Konzerte sind dann entsprechend gekennzeichnet.
Wie lange die Aktion laufen soll, könne man noch nicht sagen. „Intern haben wir grob von einem Jahr Laufzeit gesprochen. Das hängt aber vom Erfolg ab.“Das Programm im Abdera hänge, so Fakler, von den Vereinsmitgliedern ab. Jeder dürfe sich einbringen und Vorschläge machen. „Genretechnisch decken wir eigentlich alles ab. Von Metal über Reggae bis Techno ist wahrscheinlich für jeden etwas dabei.“
Die Hoffnung, so Fakler: „Die jungen Leute sollen einfach mal kommen. Wenn ihnen das Konzert dann nicht gefällt, können sie auch wieder gehen, aber dann haben sie wenigstens keine zwölf Euro für ein Ticket ausgegeben.“
Die Konzerte im Abdera werden durch die Einnahmen der Partys querfinanziert, erklärt der 34Jährige. Die Partys seien allseits beliebt und gut besucht.
Für die Konzerte gelte das leider nicht immer. Die Zahlen der Besucherinnen und Besucher hätten noch immer nicht das Vor-Corona-Niveau erreicht, sagt Fakler. „Das ist aber kein Abdera-Problem, das ist ein Branchen-Problem.“Vergleichbaren Einrichtungen ginge es ähnlich. Fakler habe den Eindruck, dass die Leute „weniger feierwütig“geworden seien. Um die Feierwut bei den Nachwuchs-Konzertgängern wieder zu entfachen wurde also das kostenlose Angebot für Minderjährige ins Leben gerufen.
Was Fakler und dem AbderaTeam besonders wichtig sei, ist die „Respect the Artist“- und „Respect the Venue“-Kampagne (zu Deutsch: respektiere die Künstler, beziehungsweise den Veranstaltungsort).
Die Kampagne soll den Konzert-Neulingen, die durch den kostenfreien Eintritt gelockt werden, eine Einführung in den Konzert-Knigge geben. Konzert-Knigge – das heißt für Chriss Fakler, den Menschen zu vermitteln, sorgfältig mit dem Inventar umzugehen, Gespräche während der Konzerte zu vermeiden und nicht durchgehend mit dem Handy zu filmen. „Da wollen wir die Jugendlichen einfach ein wenig an die Hand nehmen, um ihnen ein schönes erstes Konzerterlebnis bieten zu können.“
Das Abdera ist ein Ort für Konzerte, Partys, Kleinkunst, Clubnächte, Theater, Poetry Slams und vieles mehr, schreibt der Verein auf seiner Website. Den Verein gibt es seit Mitte der 1990erJahre, die Halle seit dem Jahr 2000. Sie steht in der Breslaustraße, fußläufig vom Bahnhof.
Das Besondere am Abdera ist, dass die Belegschaft fast ausschließlich aus ehrenamtlichen Mitarbeitern besteht. Von Einlassund Thekendienst über die Programmplanung, Licht- und Tontechnik bis zur Instandhaltung der Räumlichkeiten übernehmen alles die Mitglieder des Vereins – Chriss Fakler spricht aber lieber von Mitgestaltern als Mitgliedern.
Von ihnen sei auch der Vorschlag für das Jugendangebot gekommen. Die Mitglieder des Vereins Lilienthal ermutigen jede und jeden dazu, sich selbst einzubringen. Wer zum Beispiel Vorschläge oder Bandempfehlungen für künftige Veranstaltungen habe oder sich sonstig im Abdera engagieren wolle, sei allzeit willkommen. Außerdem gelte für alle über 18 Jahren das Angebot, einen Thekendienst oder Ähnliches zu übernehmen, sollte man sich den Eintritt nicht leisten können.
Ein Verlustgeschäft werde dieses Angebot übrigens nicht werden meint Fakler. „Die Jugendlichen kommen momentan eh nicht zu uns und vielleicht verkaufen wir dann sogar mehr Getränke.“Eine wirtschaftliche Entscheidung sei es trotzdem nicht gewesen.