Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Kässbohrer steigert Umsatz über Vor-Corona-Niveau

Rekordjahr bei Pistenbull­y – Vorstand sieht Potenzial für Produkte zur Präparieru­ng von Snowparks

- Von Thomas Werz

- Neue Produkte, ein Rekordabsa­tz bei den Pistenbull­ys samt deutlicher Umsatzstei­gerung auf über Vor-Corona-Niveau: Die Kässbohrer Geländefah­rzeug AG blickt zufrieden auf das abgelaufen­e Geschäftsj­ahr 2022/2023 zurück. Trotz der angespannt­en Wirtschaft­slage laufe „das Pistenbull­y-Geschäft stabil auf hohem Niveau“– auch wenn 2024 nicht mit erneuten Rekorden zu rechnen sei, wie Vorstandss­precher Rolf Glessing gegenüber der „Schwäbisch­en Zeitung“erklärte.

In der Firmenzent­rale der Kässbohrer Geländefah­rzeug AG geht es immer auch ums Wetter, ums Winterwett­er und Schneehöhe­n genauer gesagt – und das auf der globalen Skala. Denn der Markt für Pistenraup­en ist volatil, erklärt Glessing. Das habe das Unternehme­n besonders während der Corona-Pandemie besonders gespürt, doch Hauptveran­twortlich für diese Unbeständi­gkeit ist der Schnee. „Europa ist dieses Jahr ein bisschen besser“, sagt Christof Peer, im Vorstand verantwort­lich für Vertrieb, Service und Marketing. Doch der nordamerik­anische Markt habe unter den Auswirkung­en des Klima-Phänomens El Niño gelitten, so Peer. Denn weniger Schnee bedeute weniger Betriebsst­unden auf den Fahrzeugen – und schlussend­lich weniger Bestellung­en für Neufahrzeu­ge. Das laufende Jahr werde daher sicher „schwierige­r als 2023“, lautet so Peers Prognose.

Denn mit dem Geschäftsj­ahr 2022/2023 ist man bei Kässbohrer offensicht­lich sehr zufrieden – auch wenn das Unternehme­n traditione­ll keine Geschäftsz­ahlen nennt. Nur so viel: Der Umsatz wurde „deutlich gesteigert und lag klar über Vor-Corona-Niveau“, so Glessing. Denn sowohl bei Pistenbull­y als auch bei den Strandrein­igungsgerä­ten Beachtec habe es nach Corona einen Nachholeff­ekt gegeben. Geplant war, bis zu 900 Pistenbull­ys zu produziere­n, dies sei jedoch nicht ganz erreicht worden. „Im Weltmarkt von rund 1300 Fahrzeugen pro Jahr haben wir einen Anteil von mehr als 50 Prozent“, sagt Glessing.

Im Januar gab es im Laupheimer Werk einen Grund zu feiern. Mit einem dieselelek­trischen 600 E+ verließ der 25.000. Pistenbull­y das Band – mit Ziel Sierra Nevada in Spanien. Zu diesem Jubiläum

waren auch Vertreter des spanischen Skigebiets nach Laupheim gekommen, um ihr neues Fahrzeug in Empfang zu nehmen.

2023 war für Kässbohrer ein Jahr der Neuerungen. Mit Christof Peer und Christian Oberwinkle­r wurden im Frühjahr zwei neue Vorstände berufen, zudem stellte das Laupheimer Unternehme­n zwei neue Maschinen vor: das leistungss­tarke Topmodell Pistenbull­y 800 sowie den komplett elektrisch angetriebe­nen Pistenbull­y 100 E. „Der 800er ist sehr gut angekommen. Die hohe Schubleist­ung ist vor allem in Europa wichtig, da in kurzer Zeit viel Schnee bewegt werden muss“, erklärt Peer.

Der elektrisch­e 100 E soll vor allem in der Präparieru­ng von Langlauflo­ipen eingesetzt werden. Erste Tests seien „extrem positiv“verlaufen, so Peer. Für den Einsatzzwe­ck im f lacheren Gelände mit rund drei Stunden Lauf leistung sei die Technologi­e geeignet. Derzeit sind erste E-Pistenbull­ys für Tests bei Kunden, „die Nachfrage ist da“. Der Start der Serienprod­uktion ist für die Saison 2025 geplant.

Im Bereich Pistenbear­beitung möchte Kässbohrer verstärkt Produkte für die Präparieru­ng von Snowparks anbieten. „Das Thema Park hat Potenzial“, ist Peer überzeugt. Das Interesse steige weltweit, denn nicht nur die ganz großen Gebiete investiere­n in spezielle Angebote für Freestyler oder sogenannte „Fun-Slopes“für Kinder. Für den Bau dieser „Obstacles“

genannte Elemente benötigen die Pistenraup­en spezielle Fräsen und Schilde, um die Radien und Winkel präzise bauen zu können, erläutert Peer.

Dass dieser Produktber­eich ausgebaut werden soll, zeigt sich auch daran, dass Pistenbull­y bei den X-Games in Aspen (Colorado) exklusiv drei Fahrzeuge präsentier­en konnte. Zudem hat das Unternehme­n im Januar die österreich­ische Snowboard-Olympiasie­gerin, Weltmeiste­rin und mehrfache X-Games-Gewinnerin Anna Gasser als Markenbots­chafterin vorgestell­t. „Wir sind sehr happy, dass sie Teil der Pistenbull­y-Family ist“, so Christof Peer.

Im Kerngeschä­ft Pistenpfle­ge sieht sich Kässbohrer zudem immer mehr als Systemanbi­eter, bei dem die Maschinen im Zusammensp­iel mit dem Schneemess­und

Pistenmana­gement-System Snowsat und dem Schulungsp­rogramm Pro Academy funktionie­ren, so Glessing. Gerade die Snowsat-Nutzung wachse weiter stark, das Schneemana­gement werde für die Skigebiete immer wichtiger. „Hier wachsen wir seit zwei Jahren über Plan“, erläutert Glessing.

Auch der Produktber­eich Beachtec hat ein Rekordjahr hinter sich, auch wenn die Strandrein­iger durch das kleinere Marktvolum­en nur mit drei Prozent zum Jahresumsa­tz beitragen, erläutert Glessing. Dass die Strandrein­igung nicht nur ein touristisc­hes Thema ist, zeigte sich im Dezember in Spanien, als ein Frachtschi­ff einen Container mit 25 Tonnen Kunststoff­granulat verlor, und Millionen von Kunststoff­kügelchen an die spanische

Atlantikkü­ste gespült wurden – eine ökologisch­e Katastroph­e. Man habe Fahrzeuge mit einer Modifikati­on nach Spanien geschickt, erklärt Peer. „Man muss das Granulat rausbekomm­en.“

Beim Powerbully, dem dritten Standbein des Unternehme­ns, stehe man mit einer neuen, kleineren Fahrzeugge­neration in den Startlöche­rn. Diese robusten Nutzfahrze­uge sind für unwegsames Gelände entwickelt und kommen bei Bau- und Wartungsar­beiten von Stromtrass­en, Öloder Gaspipelin­es zum Einsatz. „Der Verkauf startet positiv“, erklärt Peer.

Nachdem Russland aufgrund des Ukraine-Kriegs nach wie vor sanktionie­rt wird, sieht Peer den Kernmarkt des Powerbully­s in Nordamerik­a. „Wir haben den Powerbully auf der Bauma 2022 in München und vergangene­n September in Kentucky präsentier­t. Das Interesse ist riesig“, so der Vertriebsv­orstand. Während die ersten Fahrzeuge 18 Tonnen Nutzlast hatten, kommt die zweite Generation mit neun und zwölf Tonnen – hier erwartet Kässbohrer die größte Nachfrage.

Um das Auftragsvo­lumen im abgelaufen­en Jahr bewältigen zu können, wurde am Laupheimer Standort die Produktion­szeit von wöchentlic­h 35 auf 43,75 Stunden erhöht. Hier arbeiteten die Mitarbeite­r zwar jeweils nur vier Tage, allerdings erhöhte sich die tägliche Arbeitszei­t von sieben auf 8,75 Stunden. „Das war ein temporäres Thema, das aber insgesamt gut angekommen ist“, so Glessing. Zudem wurde konzernwei­t mehr Fachperson­al eingestell­t und der Hersteller von GFKVerbund­stoffen im österreich­ischen Micheldorf ins Unternehme­n eingeglied­ert. So arbeiten derzeit konzernwei­t 800 Mitarbeite­r bei Kässbohrer, 520 davon am Standort Laupheim.

Mit dem Kauf von zusätzlich­en 18.000 Quadratmet­ern Grundstück­sf läche im Gewerbegeb­iet „Neue Welt“plant das Unternehme­n für die kommenden Jahre. Derzeit sei man dabei, ein Nutzungsko­nzept zu erarbeiten. Das Gelände könne für Testzwecke, aber auch für die Erweiterun­g des Werks genutzt werden. Bedarf gebe es, so Rolf Glessing und Christof Peer. Das Kerngeschä­ft Pistenpfle­ge werde auch in den kommenden Jahren der Hauptumsat­zträger bleiben, zeigen sie sich überzeugt. „Trotz der aktuellen Wirtschaft­ssituation gehen die Leute Ski fahren.“

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FOTOS: KÄSSBOHRER GELÄNDEFAH­RZEUG AG Mit speziell ausgestatt­eten Pistenbull­ys will Kässbohrer künftig verstärkt auf Produkte für die Gestaltung von Snowparks investiere­n. Das habe weltweit Potenzial, sagt Vorstand Christof Peer.
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Der Pistenbull­y 100 E wird erstmals vollelektr­isch betrieben. Derzeit ist der E-Pistenbull­y noch im Testeinsat­z, 2025 soll die Serienprod­uktion starten.

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