Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Kässbohrer steigert Umsatz über Vor-Corona-Niveau
Rekordjahr bei Pistenbully – Vorstand sieht Potenzial für Produkte zur Präparierung von Snowparks
- Neue Produkte, ein Rekordabsatz bei den Pistenbullys samt deutlicher Umsatzsteigerung auf über Vor-Corona-Niveau: Die Kässbohrer Geländefahrzeug AG blickt zufrieden auf das abgelaufene Geschäftsjahr 2022/2023 zurück. Trotz der angespannten Wirtschaftslage laufe „das Pistenbully-Geschäft stabil auf hohem Niveau“– auch wenn 2024 nicht mit erneuten Rekorden zu rechnen sei, wie Vorstandssprecher Rolf Glessing gegenüber der „Schwäbischen Zeitung“erklärte.
In der Firmenzentrale der Kässbohrer Geländefahrzeug AG geht es immer auch ums Wetter, ums Winterwetter und Schneehöhen genauer gesagt – und das auf der globalen Skala. Denn der Markt für Pistenraupen ist volatil, erklärt Glessing. Das habe das Unternehmen besonders während der Corona-Pandemie besonders gespürt, doch Hauptverantwortlich für diese Unbeständigkeit ist der Schnee. „Europa ist dieses Jahr ein bisschen besser“, sagt Christof Peer, im Vorstand verantwortlich für Vertrieb, Service und Marketing. Doch der nordamerikanische Markt habe unter den Auswirkungen des Klima-Phänomens El Niño gelitten, so Peer. Denn weniger Schnee bedeute weniger Betriebsstunden auf den Fahrzeugen – und schlussendlich weniger Bestellungen für Neufahrzeuge. Das laufende Jahr werde daher sicher „schwieriger als 2023“, lautet so Peers Prognose.
Denn mit dem Geschäftsjahr 2022/2023 ist man bei Kässbohrer offensichtlich sehr zufrieden – auch wenn das Unternehmen traditionell keine Geschäftszahlen nennt. Nur so viel: Der Umsatz wurde „deutlich gesteigert und lag klar über Vor-Corona-Niveau“, so Glessing. Denn sowohl bei Pistenbully als auch bei den Strandreinigungsgeräten Beachtec habe es nach Corona einen Nachholeffekt gegeben. Geplant war, bis zu 900 Pistenbullys zu produzieren, dies sei jedoch nicht ganz erreicht worden. „Im Weltmarkt von rund 1300 Fahrzeugen pro Jahr haben wir einen Anteil von mehr als 50 Prozent“, sagt Glessing.
Im Januar gab es im Laupheimer Werk einen Grund zu feiern. Mit einem dieselelektrischen 600 E+ verließ der 25.000. Pistenbully das Band – mit Ziel Sierra Nevada in Spanien. Zu diesem Jubiläum
waren auch Vertreter des spanischen Skigebiets nach Laupheim gekommen, um ihr neues Fahrzeug in Empfang zu nehmen.
2023 war für Kässbohrer ein Jahr der Neuerungen. Mit Christof Peer und Christian Oberwinkler wurden im Frühjahr zwei neue Vorstände berufen, zudem stellte das Laupheimer Unternehmen zwei neue Maschinen vor: das leistungsstarke Topmodell Pistenbully 800 sowie den komplett elektrisch angetriebenen Pistenbully 100 E. „Der 800er ist sehr gut angekommen. Die hohe Schubleistung ist vor allem in Europa wichtig, da in kurzer Zeit viel Schnee bewegt werden muss“, erklärt Peer.
Der elektrische 100 E soll vor allem in der Präparierung von Langlaufloipen eingesetzt werden. Erste Tests seien „extrem positiv“verlaufen, so Peer. Für den Einsatzzweck im f lacheren Gelände mit rund drei Stunden Lauf leistung sei die Technologie geeignet. Derzeit sind erste E-Pistenbullys für Tests bei Kunden, „die Nachfrage ist da“. Der Start der Serienproduktion ist für die Saison 2025 geplant.
Im Bereich Pistenbearbeitung möchte Kässbohrer verstärkt Produkte für die Präparierung von Snowparks anbieten. „Das Thema Park hat Potenzial“, ist Peer überzeugt. Das Interesse steige weltweit, denn nicht nur die ganz großen Gebiete investieren in spezielle Angebote für Freestyler oder sogenannte „Fun-Slopes“für Kinder. Für den Bau dieser „Obstacles“
genannte Elemente benötigen die Pistenraupen spezielle Fräsen und Schilde, um die Radien und Winkel präzise bauen zu können, erläutert Peer.
Dass dieser Produktbereich ausgebaut werden soll, zeigt sich auch daran, dass Pistenbully bei den X-Games in Aspen (Colorado) exklusiv drei Fahrzeuge präsentieren konnte. Zudem hat das Unternehmen im Januar die österreichische Snowboard-Olympiasiegerin, Weltmeisterin und mehrfache X-Games-Gewinnerin Anna Gasser als Markenbotschafterin vorgestellt. „Wir sind sehr happy, dass sie Teil der Pistenbully-Family ist“, so Christof Peer.
Im Kerngeschäft Pistenpflege sieht sich Kässbohrer zudem immer mehr als Systemanbieter, bei dem die Maschinen im Zusammenspiel mit dem Schneemessund
Pistenmanagement-System Snowsat und dem Schulungsprogramm Pro Academy funktionieren, so Glessing. Gerade die Snowsat-Nutzung wachse weiter stark, das Schneemanagement werde für die Skigebiete immer wichtiger. „Hier wachsen wir seit zwei Jahren über Plan“, erläutert Glessing.
Auch der Produktbereich Beachtec hat ein Rekordjahr hinter sich, auch wenn die Strandreiniger durch das kleinere Marktvolumen nur mit drei Prozent zum Jahresumsatz beitragen, erläutert Glessing. Dass die Strandreinigung nicht nur ein touristisches Thema ist, zeigte sich im Dezember in Spanien, als ein Frachtschiff einen Container mit 25 Tonnen Kunststoffgranulat verlor, und Millionen von Kunststoffkügelchen an die spanische
Atlantikküste gespült wurden – eine ökologische Katastrophe. Man habe Fahrzeuge mit einer Modifikation nach Spanien geschickt, erklärt Peer. „Man muss das Granulat rausbekommen.“
Beim Powerbully, dem dritten Standbein des Unternehmens, stehe man mit einer neuen, kleineren Fahrzeuggeneration in den Startlöchern. Diese robusten Nutzfahrzeuge sind für unwegsames Gelände entwickelt und kommen bei Bau- und Wartungsarbeiten von Stromtrassen, Öloder Gaspipelines zum Einsatz. „Der Verkauf startet positiv“, erklärt Peer.
Nachdem Russland aufgrund des Ukraine-Kriegs nach wie vor sanktioniert wird, sieht Peer den Kernmarkt des Powerbullys in Nordamerika. „Wir haben den Powerbully auf der Bauma 2022 in München und vergangenen September in Kentucky präsentiert. Das Interesse ist riesig“, so der Vertriebsvorstand. Während die ersten Fahrzeuge 18 Tonnen Nutzlast hatten, kommt die zweite Generation mit neun und zwölf Tonnen – hier erwartet Kässbohrer die größte Nachfrage.
Um das Auftragsvolumen im abgelaufenen Jahr bewältigen zu können, wurde am Laupheimer Standort die Produktionszeit von wöchentlich 35 auf 43,75 Stunden erhöht. Hier arbeiteten die Mitarbeiter zwar jeweils nur vier Tage, allerdings erhöhte sich die tägliche Arbeitszeit von sieben auf 8,75 Stunden. „Das war ein temporäres Thema, das aber insgesamt gut angekommen ist“, so Glessing. Zudem wurde konzernweit mehr Fachpersonal eingestellt und der Hersteller von GFKVerbundstoffen im österreichischen Micheldorf ins Unternehmen eingegliedert. So arbeiten derzeit konzernweit 800 Mitarbeiter bei Kässbohrer, 520 davon am Standort Laupheim.
Mit dem Kauf von zusätzlichen 18.000 Quadratmetern Grundstücksf läche im Gewerbegebiet „Neue Welt“plant das Unternehmen für die kommenden Jahre. Derzeit sei man dabei, ein Nutzungskonzept zu erarbeiten. Das Gelände könne für Testzwecke, aber auch für die Erweiterung des Werks genutzt werden. Bedarf gebe es, so Rolf Glessing und Christof Peer. Das Kerngeschäft Pistenpflege werde auch in den kommenden Jahren der Hauptumsatzträger bleiben, zeigen sie sich überzeugt. „Trotz der aktuellen Wirtschaftssituation gehen die Leute Ski fahren.“