Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Wie Tiere auf den zu warmen Winter reagieren

Pflanzen blühen früher, Vögel fliegen nicht mehr in den Süden – Die veränderte­n Temperatur­en machen sich bemerkbar

- Von Katrin Bölstler ●

Laut Kalender ist es momentan noch Winter. Doch ein Blick aus dem Fenster überzeugt einen schnell vom Gegenteil. An manchen Bäumen zeigen sich erste Knospen und in den Zweigen sind deutlich mehr Vögel zu sehen als sonst Anfang Februar. Die Wetterkapr­iolen wirken sich stark auf die Tier- und Pf lanzenwelt aus.

Obwohl das neue Jahr erst wenige Wochen alt ist, gab es schon mehrere Tage mit zweistelli­gen Temperatur­en in der Region. Ein Phänomen, das Katrin Fritzsch genau beobachtet. Die Biologin leitet das Naturschut­zzentrum Federsee und kennt sich daher mit der Tier- und Pflanzenwe­lt Oberschwab­ens gut aus. Dass die Winter immer milder und das Frühjahr wärmer werde, sei kein neues Phänomen. Wohl aber eins, dass sich immer weiter verstärke. Und infolgedes­sen auch das Verhalten von Pflanzen und Tieren beeinfluss­e. „Dass viele Störche schon seit Jahren überhaupt nicht mehr weg fliegen, sondern bei uns überwinter­n, ist schon eine ganze Weile so“, erklärt sie.

Nun aber würden immer häufiger auch andere Vogelarten im Januar und Februar rund um den

Federsee gesichtet, die normalerwe­ise erst viel später zurückkehr­en würden, wie zum Beispiel das Schwarzkeh­lchen und die Rohrammer. „Diese Vögel fliegen im Winter normalerwe­ise in den Süden, scheinen nun aber in der Nähe geblieben zu sein. Sie haben sich also anscheinen­d bereits an das veränderte Klima angepasst“, so die Biologin. Untersuchu­ngen hätten zudem gezeigt, dass sich auch das Wachstum und der Blühzeitpu­nkt von bestimmten Pflanzen verändert habe. Die Wiesen wachsen im milden Frühjahr schneller auf. Ein Indiz dafür: Landwirte können mittlerwei­le ihre Wiesen zwei Wochen früher mähen als noch vor wenigen Jahren. Infolgedes­sen gebe es für Insekten und andere Tiere früher Nahrung. Seit 2006 dokumentie­re ihr Team, dass beispielsw­eise das Wiesenscha­umkraut und die Schlüsselb­lume viel früher blühen als zuvor. „Da in der Natur alles ein Kreislauf ist, hat jede dieser Veränderun­gen viele Auswirkung­en, die wir als Ganzes noch gar nicht überblicke­n können“, glaubt die Biologin.

Ähnlich sieht das Ruth Lang, Vorsitzend­e der Nabu-Ortsgruppe in Bad Schussenri­ed. Gemeinsam mit ihrem Mann setzt sie sich schon seit Jahren für den Naturschut­z

in der Region ein. Seit 2015 hält sie Bienen auf ihrem Grundstück. Diese fliegen dieses Jahr schon jetzt, obwohl es dafür eigentlich noch viel zu früh ist. Doch wenn das Thermomete­r über neun Grad klettere, würden die Bienen automatisc­h ausschwärm­en, erklärt die Imkerin. „In den ersten warmen Tagen handelt es sich um einen Reinigungs­f lug. Die Bienen säubern sich, suchen schon ein bisschen nach Pollen und kehren zurück.“Danach gehe es jedoch direkt mit dem dauerhafte­n Suchen nach Nahrung los. Das Problem dabei: Je früher es warm sei, umso früher fange die Biene mit Brüten an. Und das führe dazu, dass die Varoa-Milbe – der größte Feind der Honigbiene – sich früher und stärker im Bienenstoc­k vermehre als sonst. „Die Honigbiene ist kein heimisches Wild-, sondern ein Nutztier, insofern verhungert sie nicht, wenn es zu einem plötzliche­n Kälteeinbr­uch im Frühjahr kommt“, erklärt Lang. „Die Wetterkapr­iolen führen jedoch dazu, dass der gesamte Rhythmus des Imker-Jahres durcheinan­der kommt. Und wenn ich dann nachträgli­ch doch noch zufüttern muss, damit die Bienen den Kälteeinbr­uch und die plötzlich fehlende Nahrung überleben, darf

ich den Honig gar nicht mehr als solchen verkaufen“, erklärt sie.

Ums selbststän­dige Überleben geht es dagegen für die Wildtiere, wenn auf einen frühen Frühlingsb­eginn ein plötzliche­r Kälteeinbr­uch folge. „Wenn dieser sehr heftig ist, kann es sein, dass Tiere, die darauf nicht vorbereite­t sind, weil sie zum Beispiel zu früh aus ihrer Winterstar­re erwacht sind, erfrieren oder verhungern*.“, erklärt Nabu-Expertin Katrin Fritzsch. Ein echtes Problem könne dies zum Beispiel für Amphibien wie Kröten sein. Diese graben sich während des Winters sein, um zu überleben. Sie suchen sich ein geschützte­s Plätzchen, bis es warm genug ist, um herauszuko­mmen. Wandern sie aber erst einmal los zu ihren alten Laichgewäs­sern und es wird dann noch einmal eisig kalt, sterben auch sie einen Kältetod.

„Die nächsten Jahre werden zeigen, wie der Klimawande­l sich mittel- und langfristi­g auf unsere Natur auswirkt. Wenn die Wetterschw­ankungen noch stärker werden – Starkregen im Sommer, ein Kälteeinbr­uch nach einem warmen Winter – dann wird sich das definitiv noch mehr auf unsere Tier- und Pf lanzenwelt auswirken und nicht alle Arten werden das überleben.“

 ?? FOTO: NABU FEDERSEE ?? Die Rohrammer ist normalerwe­ise Anfang Februar noch nicht am Federsee zu sehen. Dieses Jahr ist sie jedoch schon zurückgeke­hrt.
FOTO: NABU FEDERSEE Die Rohrammer ist normalerwe­ise Anfang Februar noch nicht am Federsee zu sehen. Dieses Jahr ist sie jedoch schon zurückgeke­hrt.

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