Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Ampel will striktere Regeln bei Kreditvergabe für Immobilien
Kritik von der deutschen Kreditwirtschaft – Bundesrepublik hat geringste Eigentumsquote in der Europäischen Union
- Die Bundesregierung will die Vergabe von Krediten für den Immobilienkauf verschärfen. Dies geht aus dem jüngsten Bericht des Finanzausschusses des Bundestags hervor. In diesem heißt es, dass sich die Koalitionsfraktionen auf die Einführung von „einkommensbasierten makroprudentiellen Instrumenten geeinigt“hätten, die vom Ausschuss für Finanzstabilität für den Immobilienmarkt empfohlen wurden. Angestrebt werde eine „schnelle gesetzliche Einführung noch in dieser Legislaturperiode“, heißt es in dem Bericht weiter. Deshalb werde die Bundesregierung aufgefordert, ein „Gesetz, dessen Abschluss im ersten Halbjahr 2024 vorgesehen ist, vorzulegen“.
Was genau heißt das alles? Ein makroprudentielles Instrument ist eine Maßnahme, mit deren Hilfe die zuständige Finanzaufsichtsbehörde Risiken im Finanzsystem überwachen und die Finanzstabilität stärken kann. Der Zusatz „makroprudentiell“bedeutet, dass das Instrument flächendeckend anwendbar ist, also auf alle deutschen Finanzinstitute gleichermaßen. Im Gegensatz dazu spielt bei einem mikroprudentiellen Instrument auch die individuelle Geschäftssituation eines einzelnen Geldinstituts eine Rolle. In Deutschland ist die zuständige Behörde die Bafin, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Dieser sollen also makroprudentielle Instrumente auf Basis des Einkommens zur Verfügung gestellt werden. Heißt im Klartext: Wenn es im Finanzsystem turbulent zur Sache geht, darf die Baf in Einkommensgrenzen bei der Kreditvergabe für Immobilien festlegen. Ist dann das Einkommen eines potenziellen Kreditnehmers zu gering, seine Tilgungskraft zu niedrig oder seine Verschuldung zu hoch, dann darf die Bank ihm keinen Kredit geben – ganz egal, wie die Bank oder der Kunde selbst die Lage beurteilt.
Die Geldinstitute in Deutschland, die mit der Vergabe von Immobilienkrediten
gutes Geld verdienen, sehen die Einführung eines solchen Gesetzes kritisch – und haben sich dem Vernehmen nach in einem nicht öffentlichen Brandbrief an Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) gewandt, in dessen Haus das Gesetz finalisiert werden soll. Gegenüber dem „Nordkurier“bezeichnete die Deutsche Kreditwirtschaft (DK), ein Zusammenschluss der fünf Spitzenverbände des deutschen Bankensektors, „starre, einkommensabhängige Grenzen für die Vergabe von Wohnimmobilienkrediten“als
„ein falsches Signal“. „In einer Zeit, in der Hunderttausende Wohnungen fehlen und der Wohnungsneubau nur noch auf Sparf lamme läuft, würde so ohne Not massiv in die Geschäftstätigkeit und Managementkompetenz von Banken und Sparkassen eingegriffen und Verunsicherung bei allen Beteiligten geschürt.“
Zudem hätte eine Einführung von gesetzlichen Einkommensgrenzen für die Immobilienkreditvergabe auch schwerwiegende soziale Folgen. „Die vorgeschlagenen Instrumente diskriminieren selektiv einzelne Kundengruppen“,
so die DK weiter. „Jungen beziehungsweise größeren Familien, Personen mit geringen und mittleren Einkommen und Personen mit hohem Vermögen, aber geringem regelmäßigen Einkommen wird es damit systematisch erschwert, eine Wohnimmobilie zu erwerben oder zu bauen.“
Die Bundesrepublik hat die geringste Eigentumsquote in der Europäischen Union, weniger als 46 Prozent der Bürger leben in den eigenen vier Wänden. Damit zusammenhängend ist auch das durchschnittliche Pro-Kopf-Vermögen in Deutschland niedriger
als in vielen anderen europäischen Ländern. Demzufolge sollte die Politik also eigentlich bestrebt sein, den Vermögensaufbau und den Immobilienerwerb zu vereinfachen. Laut Bundesfinanzministerium steht die geplante Verschärfung der Einkommensgrenzen bei der Immobilienkreditvergabe aber nicht im Widerspruch zu einer solchen Vereinfachung. Bei der Erklärung des Finanzausschusses gehe es „ausschließlich um die Schaffung der rechtlichen Grundlagen für einkommensbezogene Instrumente in Deutschland, nicht um den tatsächlichen
Einsatz solcher Instrumente“, sagte eine Ministeriumssprecherin dem „Nordkurier“.
Bei den Instrumenten handele es sich „um international anerkannte Standardinstrumente speziell für neue risikoreiche Kredite“, deren rechtliche Grundlage „bereits in fast allen Ländern der Europäischen Union geschaffen“wurde. Aber: „Ein tatsächlicher Einsatz solcher Instrumente steht in Deutschland derzeit überhaupt nicht zur Debatte.“Solange die Finanzstabilität nicht gefährdet ist und „Banken ihre umsichtige Vergabepraxis beibehalten und nicht beginnen, zu riskante Kredite auszureichen“, bestehe keine Notwendigkeit, solche Instrumente „auch nach Schaffung der rechtlichen Grundlagen“einzusetzen. Mit anderen Worten: Im Notfall soll die Bafin die Möglichkeit erhalten, direkt in die Kreditvergabe einzugreifen, im Normalfall wird diese Möglichkeit aber nicht scharfgeschaltet. Selbst im Ernstfall wären viele Kredite, zum Beispiel für Anschlussfinanzierungen oder für den Aus- und Umbau, nicht von dem Instrument betroffen. Zudem gebe es dann „Bagatellgrenzen und Freikontingente zur Vergabe von Wohnimmobilienkrediten durch Banken“, heißt es aus dem Finanzministerium weiter.
Auch wenn die Kreditwirtschaft bei ihrem Standpunkt bleibt, dass die Einführung eines solchen Gesetzes in der Immobilienbranche für Verunsicherung sorgen könnte, ist man sich sehr wohl bewusst, dass die Ampel das Vorhaben nicht ganz aus eigenem Antrieb in den Koalitionsvertrag aufgenommen hat. So mahne der bei der Europäischen Zentralbank angesiedelte Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) und der Internationale Währungsfonds (IWF) seit Jahren wiederholt an, „dass diese Instrumente auch in Deutschland der Aufsicht zur Verfügung stehen sollten und der Gesetzgeber entsprechend aktiv werden solle“, sagte Carsten Dickhut vom ebenfalls im DK organisierten Verband deutscher Pfandbriefbanken dem „Nordkurier“.