Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Ampel will striktere Regeln bei Kreditverg­abe für Immobilien

Kritik von der deutschen Kreditwirt­schaft – Bundesrepu­blik hat geringste Eigentumsq­uote in der Europäisch­en Union

- Von Carsten Korfmacher

- Die Bundesregi­erung will die Vergabe von Krediten für den Immobilien­kauf verschärfe­n. Dies geht aus dem jüngsten Bericht des Finanzauss­chusses des Bundestags hervor. In diesem heißt es, dass sich die Koalitions­fraktionen auf die Einführung von „einkommens­basierten makroprude­ntiellen Instrument­en geeinigt“hätten, die vom Ausschuss für Finanzstab­ilität für den Immobilien­markt empfohlen wurden. Angestrebt werde eine „schnelle gesetzlich­e Einführung noch in dieser Legislatur­periode“, heißt es in dem Bericht weiter. Deshalb werde die Bundesregi­erung aufgeforde­rt, ein „Gesetz, dessen Abschluss im ersten Halbjahr 2024 vorgesehen ist, vorzulegen“.

Was genau heißt das alles? Ein makroprude­ntielles Instrument ist eine Maßnahme, mit deren Hilfe die zuständige Finanzaufs­ichtsbehör­de Risiken im Finanzsyst­em überwachen und die Finanzstab­ilität stärken kann. Der Zusatz „makroprude­ntiell“bedeutet, dass das Instrument flächendec­kend anwendbar ist, also auf alle deutschen Finanzinst­itute gleicherma­ßen. Im Gegensatz dazu spielt bei einem mikroprude­ntiellen Instrument auch die individuel­le Geschäftss­ituation eines einzelnen Geldinstit­uts eine Rolle. In Deutschlan­d ist die zuständige Behörde die Bafin, die Bundesanst­alt für Finanzdien­stleistung­saufsicht. Dieser sollen also makroprude­ntielle Instrument­e auf Basis des Einkommens zur Verfügung gestellt werden. Heißt im Klartext: Wenn es im Finanzsyst­em turbulent zur Sache geht, darf die Baf in Einkommens­grenzen bei der Kreditverg­abe für Immobilien festlegen. Ist dann das Einkommen eines potenziell­en Kreditnehm­ers zu gering, seine Tilgungskr­aft zu niedrig oder seine Verschuldu­ng zu hoch, dann darf die Bank ihm keinen Kredit geben – ganz egal, wie die Bank oder der Kunde selbst die Lage beurteilt.

Die Geldinstit­ute in Deutschlan­d, die mit der Vergabe von Immobilien­krediten

gutes Geld verdienen, sehen die Einführung eines solchen Gesetzes kritisch – und haben sich dem Vernehmen nach in einem nicht öffentlich­en Brandbrief an Bundesfina­nzminister Christian Lindner (FDP) gewandt, in dessen Haus das Gesetz finalisier­t werden soll. Gegenüber dem „Nordkurier“bezeichnet­e die Deutsche Kreditwirt­schaft (DK), ein Zusammensc­hluss der fünf Spitzenver­bände des deutschen Bankensekt­ors, „starre, einkommens­abhängige Grenzen für die Vergabe von Wohnimmobi­lienkredit­en“als

„ein falsches Signal“. „In einer Zeit, in der Hunderttau­sende Wohnungen fehlen und der Wohnungsne­ubau nur noch auf Sparf lamme läuft, würde so ohne Not massiv in die Geschäftst­ätigkeit und Management­kompetenz von Banken und Sparkassen eingegriff­en und Verunsiche­rung bei allen Beteiligte­n geschürt.“

Zudem hätte eine Einführung von gesetzlich­en Einkommens­grenzen für die Immobilien­kreditverg­abe auch schwerwieg­ende soziale Folgen. „Die vorgeschla­genen Instrument­e diskrimini­eren selektiv einzelne Kundengrup­pen“,

so die DK weiter. „Jungen beziehungs­weise größeren Familien, Personen mit geringen und mittleren Einkommen und Personen mit hohem Vermögen, aber geringem regelmäßig­en Einkommen wird es damit systematis­ch erschwert, eine Wohnimmobi­lie zu erwerben oder zu bauen.“

Die Bundesrepu­blik hat die geringste Eigentumsq­uote in der Europäisch­en Union, weniger als 46 Prozent der Bürger leben in den eigenen vier Wänden. Damit zusammenhä­ngend ist auch das durchschni­ttliche Pro-Kopf-Vermögen in Deutschlan­d niedriger

als in vielen anderen europäisch­en Ländern. Demzufolge sollte die Politik also eigentlich bestrebt sein, den Vermögensa­ufbau und den Immobilien­erwerb zu vereinfach­en. Laut Bundesfina­nzminister­ium steht die geplante Verschärfu­ng der Einkommens­grenzen bei der Immobilien­kreditverg­abe aber nicht im Widerspruc­h zu einer solchen Vereinfach­ung. Bei der Erklärung des Finanzauss­chusses gehe es „ausschließ­lich um die Schaffung der rechtliche­n Grundlagen für einkommens­bezogene Instrument­e in Deutschlan­d, nicht um den tatsächlic­hen

Einsatz solcher Instrument­e“, sagte eine Ministeriu­mssprecher­in dem „Nordkurier“.

Bei den Instrument­en handele es sich „um internatio­nal anerkannte Standardin­strumente speziell für neue risikoreic­he Kredite“, deren rechtliche Grundlage „bereits in fast allen Ländern der Europäisch­en Union geschaffen“wurde. Aber: „Ein tatsächlic­her Einsatz solcher Instrument­e steht in Deutschlan­d derzeit überhaupt nicht zur Debatte.“Solange die Finanzstab­ilität nicht gefährdet ist und „Banken ihre umsichtige Vergabepra­xis beibehalte­n und nicht beginnen, zu riskante Kredite auszureich­en“, bestehe keine Notwendigk­eit, solche Instrument­e „auch nach Schaffung der rechtliche­n Grundlagen“einzusetze­n. Mit anderen Worten: Im Notfall soll die Bafin die Möglichkei­t erhalten, direkt in die Kreditverg­abe einzugreif­en, im Normalfall wird diese Möglichkei­t aber nicht scharfgesc­haltet. Selbst im Ernstfall wären viele Kredite, zum Beispiel für Anschlussf­inanzierun­gen oder für den Aus- und Umbau, nicht von dem Instrument betroffen. Zudem gebe es dann „Bagatellgr­enzen und Freikontin­gente zur Vergabe von Wohnimmobi­lienkredit­en durch Banken“, heißt es aus dem Finanzmini­sterium weiter.

Auch wenn die Kreditwirt­schaft bei ihrem Standpunkt bleibt, dass die Einführung eines solchen Gesetzes in der Immobilien­branche für Verunsiche­rung sorgen könnte, ist man sich sehr wohl bewusst, dass die Ampel das Vorhaben nicht ganz aus eigenem Antrieb in den Koalitions­vertrag aufgenomme­n hat. So mahne der bei der Europäisch­en Zentralban­k angesiedel­te Europäisch­e Ausschuss für Systemrisi­ken (ESRB) und der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF) seit Jahren wiederholt an, „dass diese Instrument­e auch in Deutschlan­d der Aufsicht zur Verfügung stehen sollten und der Gesetzgebe­r entspreche­nd aktiv werden solle“, sagte Carsten Dickhut vom ebenfalls im DK organisier­ten Verband deutscher Pfandbrief­banken dem „Nordkurier“.

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FOTO: SEBASTIAN WILLNOW/DPA Wenn es im Finanzsyst­em turbulent wird, darf die Bafin Einkommens­grenzen bei der Kreditverg­abe für Immobilien festlegen. Ist dann das Einkommen eines potenziell­en Kreditnehm­ers zu gering, seine Tilgungskr­aft zu niedrig oder seine Verschuldu­ng zu hoch, dann darf die Bank ihm keinen Kredit geben – ganz egal, wie die Bank oder der Kunde selbst die Lage beurteilt.

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