Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Hornung, ade!
Heute Nacht ging der Februar zu Ende. Oder der Hornung, wie dieser Monat früher hieß. Allgemeingut scheint diese Bezeichnung nicht mehr zu sein. Bei einem SWR-Radioquiz in dieser Woche war die Hörerin schlichtweg überfragt. Ein interessantes Wort ist Hornung aber allemal, weil wir hier ein beredtes Beispiel dafür haben, wie umstritten eine etymologische Deutung sein kann.
Hier die eine Lesart: Unter horn verstand man im Althochdeutschen nicht nur den Auswuchs am Kopf mancher Tiere, sondern auch den Winkel oder die Ecke. Und hornungsunu war ein uneheliches Kind, das nicht im Ehebett gezeugt wurde, sondern irgendwo in einem Winkel. Weil ein solcher Sprössling benachteiligt war, habe man dieses Wort hornung auch auf den zweiten Monat des Jahres übertragen. Denn der sei mit seinen 28 oder 29 Tagen gegenüber den anderen elf Monaten mit ihren 30 oder 31 zu kurz gekommen.
Nebenbei bemerkt: Was die Frucht eines Seitensprungs angeht, haben wir beim Wort Bastard einen ähnlichen Fall. So nannte man das uneheliche, aber rechtlich anerkannte Kind eines Adligen. Bastum war im Lateinischen der Packsattel und altfranzösisch fils de bast, später bâtard, ein Kind aus dem Sattel, also die Hinterlassenschaft eines Durchreisenden. Lange Zeit galt Bastard aber als durchaus ehrenwerte Bezeichnung. Die Liste berühmter Bastarde ist lang: der Normanne Wilhelm der Eroberer, der PapstAbkömmling Cesare Borgia, Juan de Austria, als Sohn Kaiser Karls V. auch Oberbefehlshaber der spanischen Flotte, oder der Feldherr Moritz von Sachsen, eines der acht unehelichen Kinder von Kurfürst August dem Starken … Erst später verkam Bastard zum Schimpfwort für einen verabscheuungswürdigen Zeitgenossen. Erkannte ein Adliger jedoch sein Kind rechtlich nicht an oder war der Vater kein Blaublüter, so wurde es Bankert genannt, was nichts anderes hieß als auf der Bank gezeugt.
Jetzt zur zweiten und heute auch bevorzugten Lesart: Bekanntlich wirft das Rotwild im Februar sein Gehörn ab, damit ein neues nachwachsen kann. Da Hirschhorn schon seit prähistorischen Zeiten ein höchst begehrter Rohstoff war, rückten die Leute um diese Jahreszeit in die Wälder aus, um Geweihstangen zu suchen – für Beilklingen, Angelhaken, Dolchgriffe, Kämme, Nähnadeln, Knöpfe etc. Forscher meinen nun, daher rühre der Begriff Hornung, und der sei auch schon zu Zeiten von Karl dem Großen im Gebrauch gewesen. Der Kaiser hatte damals seinen Vertrauten Einhart angewiesen, eine Liste mit deutschen Namen für die Monate anzulegen, um das noch ungebildete Volk mit der Kalendereinteilung vertraut zu machen. Darin tauchte der Name Hornungmanoth auf.
Nun haben wir seit heute März. Bei Einhart hieß er um das Jahr 800 Lentzinmanoth, später Lenzmond und abgekürzt Lenzing oder Lenz. Wann uns dieser Lenz – eingedenk des viel gesungenen Liedes – endgültig grüßen will, wissen wir noch nicht. Unnatürlich lau war es bereits in den letzten Wochen. Und wie sagt Faust zu Mephisto in der Walpurgisnacht? „Der Frühling webt schon in den Birken, / Und selbst die Fichte fühlt ihn schon; / Sollt er nicht auch auf unsre Glieder wirken?“