Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Nicht wundern, sondern handeln
Mit der Taurus-Abhöraffäre ist ein Spruch zurück, der eigentlich eher zur Vergangenheit, zur Zeit des Kalten Krieges gehört: „Der Russe hört mit.“Doch nun staunt Deutschland. Dabei heißt dies nur: Ein Geheimdienst macht seine Arbeit und spioniert. Das ist auch in der heutigen Zeit angesichts der durch Russlands Angriff auf die Ukraine veränderten geopolitischen Lage, nicht verwunderlich. Schon gar nicht vor dem Hintergrund, dass Kremlchef Wladimir Putin einst KGB-Geheimdienstoffizier in der DDR war. Der Mann kennt sich aus mit den klassischen Mitteln der psychologischen Kriegsführung.
Die Veröffentlichung des – vielleicht noch bearbeiteten – Mitschnitts nutzt ihm in vielerlei Hinsicht: Putin sät Uneinigkeit unter den westlichen Verbündeten und Zweifel an der Verlässlichkeit der Bundeswehr, indem er deren Führungskräfte bloßstellt. Er schürt zudem bei all jenen in Deutschland, die ohnehin gegen die Lieferung der TaurusMarschf lugkörper an die Ukraine sind, weitere Ängste. Außerdem stützt das veröffentlichte Gespräch die Sichtweise des Kremls, dass sich Deutschland und die anderen westlichen Unterstützer Kiews ohnehin mitten im Konflikt gegen Russland befinden.
Also doch nur viel Lärm um wenig? So einfach ist die Sache nicht. Denn der Verdacht erhärtet sich, dass trotz der bereits vor gut zwei Jahren von Bundeskanzler Olaf Scholz gehaltenen ZeitenwendeRede, diese bei der Bundeswehr noch auf sich warten lässt. Erst die Enthüllungen über die Mängel bei Waffen und der Munitionsversorgung der Fregatte „Hessen“im Roten Meer und nun die Abhöraffäre. Eine offenbar allzu leicht mithörbare Plauderei über die etwaige Zerstörung der Krim-Brücke durch Taurus-Marschf lugkörper sowie die Erwähnung, dass Verbündete auch Soldaten in der Ukraine vor Ort hätten, deutet zumindest auf eine gewisse Naivität beim Chef der Luftwaffe und seinen Offizieren hin.
Dass Putin dies ausnutzt, ist kein Wunder. Aus deutscher Sicht bedarf es somit nicht nur der Auf klärung, wie es dazu kommen konnte. Es ist höchste Zeit, dass alle Anstrengungen unternommen werden, damit sich solche Vorgänge nicht wiederholen.