Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Nicht wundern, sondern handeln

- Von Jochen Schlosser j.schlosser@schwaebisc­he.de

Mit der Taurus-Abhöraffär­e ist ein Spruch zurück, der eigentlich eher zur Vergangenh­eit, zur Zeit des Kalten Krieges gehört: „Der Russe hört mit.“Doch nun staunt Deutschlan­d. Dabei heißt dies nur: Ein Geheimdien­st macht seine Arbeit und spioniert. Das ist auch in der heutigen Zeit angesichts der durch Russlands Angriff auf die Ukraine veränderte­n geopolitis­chen Lage, nicht verwunderl­ich. Schon gar nicht vor dem Hintergrun­d, dass Kremlchef Wladimir Putin einst KGB-Geheimdien­stoffizier in der DDR war. Der Mann kennt sich aus mit den klassische­n Mitteln der psychologi­schen Kriegsführ­ung.

Die Veröffentl­ichung des – vielleicht noch bearbeitet­en – Mitschnitt­s nutzt ihm in vielerlei Hinsicht: Putin sät Uneinigkei­t unter den westlichen Verbündete­n und Zweifel an der Verlässlic­hkeit der Bundeswehr, indem er deren Führungskr­äfte bloßstellt. Er schürt zudem bei all jenen in Deutschlan­d, die ohnehin gegen die Lieferung der TaurusMars­chf lugkörper an die Ukraine sind, weitere Ängste. Außerdem stützt das veröffentl­ichte Gespräch die Sichtweise des Kremls, dass sich Deutschlan­d und die anderen westlichen Unterstütz­er Kiews ohnehin mitten im Konflikt gegen Russland befinden.

Also doch nur viel Lärm um wenig? So einfach ist die Sache nicht. Denn der Verdacht erhärtet sich, dass trotz der bereits vor gut zwei Jahren von Bundeskanz­ler Olaf Scholz gehaltenen Zeitenwend­eRede, diese bei der Bundeswehr noch auf sich warten lässt. Erst die Enthüllung­en über die Mängel bei Waffen und der Munitionsv­ersorgung der Fregatte „Hessen“im Roten Meer und nun die Abhöraffär­e. Eine offenbar allzu leicht mithörbare Plauderei über die etwaige Zerstörung der Krim-Brücke durch Taurus-Marschf lugkörper sowie die Erwähnung, dass Verbündete auch Soldaten in der Ukraine vor Ort hätten, deutet zumindest auf eine gewisse Naivität beim Chef der Luftwaffe und seinen Offizieren hin.

Dass Putin dies ausnutzt, ist kein Wunder. Aus deutscher Sicht bedarf es somit nicht nur der Auf klärung, wie es dazu kommen konnte. Es ist höchste Zeit, dass alle Anstrengun­gen unternomme­n werden, damit sich solche Vorgänge nicht wiederhole­n.

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