Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Wie das digitale Adlerauge Straßensch­äden scannt

Ein Kamerafahr­zeug hat eine Woche lang das Laupheimer Straßennet­z erfasst

- Von Thomas Werz

- Ob ganz frisch geteert oder mit tiefen Schlaglöch­ern und Rissen übersät: Der Zustand der Laupheimer Straßen ist höchst unterschie­dlich. Doch wie es genau um die Verkehrswe­ge im Stadtgebie­t und den Teilorten bestellt ist, hat in den vergangene­n Tagen ein Spezialfah­rzeug des Berliner Unternehme­ns Eagle Eye Technologi­es mit hochauflös­enden Kameras erfasst.

Dieses Fahrzeug fällt auf. Das mächtige Metallgest­ell auf dem Dach, signaloran­ge lackiert, verleiht dem Lieferwage­n etwas futuristis­ches. Ein bisschen, als hätte Doc Brown den silbernen Sprinter für eine Reise „Zurück in die Zukunft“umgebaut. Doch auch wenn mit dem Fahrzeug der Zeitsprung nicht möglich ist, ist an ihm doch jede Menge HighEnd-Technik verbaut.

In der Reihe hinter dem Fahrersitz sitzt Systeminge­nieur Kay Stickel an einem schmalen Schreibtis­ch. Auf diesem liegt eine große Karte von Ober- und Untersulme­tingen. Neongelb hat er die Straßen markiert, die das Fahrzeug bereits aufgenomme­n hat. Darüber zeigt ein Bildschirm eine 360-Grad-Ansicht rund um das Fahrzeug, verteilt auf zwölf einzelnen Bildern.

Der Sprinter rollt vom Parkplatz im Untersulme­tinger Industrieg­ebiet, die Bilder wechseln im Sekundenta­kt. Alle fünf Meter lösen die an der Plattform angebracht­en zwölf Kameras im gleichen Moment aus. Etwa 2000 Fotos pro Kilometer kommen so zusammen, erklärt Stickel. Über zwei GPS-Antennen am Fahrzeug sind sämtliche Aufnahmen exakt verortet – was für die spätere Prozessier­ung der Rohdaten wichtig ist. Denn die Analyse des Straßenzus­tands wird später vorgenomme­n. „Wir zeichnen nur auf“, so der Systeminge­nieur.

190 Kilometer Hauptstraß­en, Wohngebiet­e, Gassen und Gemeindeve­rbindungsw­ege wird das Fahrzeug von „Eagle Eye Technologi­es“im gesamten Stadtgebie­t und den Teilorten schlussend­lich abgefahren haben. Und die Kameras dokumentie­ren jeden Riss, jedes Schlagloch und jeden abgesenkte­n Schachtdec­kel – hochaufgel­öst. „Wir fahren jede Strecke in beide Richtungen“, erläutert Stickel, während die Kameras die Obersulmet­inger Straße scannen.

Der Grund dafür: Durch das Befahren in beide Richtungen werden mögliche Bildfehler minimiert, die beispielsw­eise durch den Sonnenstan­d oder auch durch geparkte Fahrzeuge oder Mülltonnen entstehen können.

Apropos Verkehrste­ilnehmer: Da sich das Messfahrze­ug im f ließenden

Verkehr bewegt, erfasst es auch sämtliche Fahrzeuge, Radfahrer und Fußgänger. Doch Verkehrste­ilnehmer müssten sich keine Sorgen machen. „Das alles wird datenschut­zkonform anonymisie­rt“, erklärt Stickel. Das Endergebni­s ist eh eine digitale Straßenkar­te – ohne Fotos. Doch dazu später mehr.

Mehr als 750.000 exakt verortete Fotos werden so für Laupheim aufgenomme­n. Parallel dazu scannt am Heck der Plattform ein Laserscann­er permanent die Umgebung als riesige Punktwolke. Eine enorme Datenmenge kommt so in einer Woche zusammen. „Wir bewegen uns da im Terabyte-Bereich“, sagt Stickel als er die Hecktüren öffnet und den Blick auf ein dichtverka­beltes

Server-Rack freigibt, dessen Rechner und Kühler im Heck des Sprinters schnurren.

Doch wofür braucht es all die erfassten Daten? Über die verorteten Fotos lässt sich hoch detaillier­t der Zustand des städtische­n Straßennet­zes ableiten, erklärt Tim Gebauer, Vertriebsl­eiter bei Eagle Eye Technolgie­s – und zwar auf zehn Zentimeter genau. Denn das Unternehme­n liefert später nicht nur die Fotos an die Stadt, sondern bereitet die Ergebnisse für das städtische Geoinforma­tionssyste­m in einem digitalen Layer so auf, dass in diesem jeder Meter des Laupheimer Straßennet­zes nach seinem Zustand klassifizi­ert ist.

Bereits 2010 hatte das Berliner Unternehme­n den Zustand der

Laupheimer Straßen aufgezeich­net. Daher ist Gunter Ast, kommissari­scher Leiter des Amts für Tiefbau und Umwelt, gespannt, was die aktuelle Befahrung ergeben wird.

Er geht davon aus, dass frühestens im Sommer prozessier­te Ergebnisse vorliegen werden. Allerdings hat er die Vorahnung, dass diese weit weniger erfreulich ausfallen dürften, als erhofft: „Ich glaube, dass der Bedarf an Neuinvesti­tionen im ersten Moment erschrecke­nd sein wird“, so Ast.

Daher sieht er nach zwölf Jahren diese Inventur als absolut notwendig an. „Dann wissen wir genau, wie es um die Substanz steht.“Und damit könnten die Investitio­nen nach objektiven

Kriterien geplant werden, die es für den Straßenerh­alt oder gegebenenf­alls für einen Neubau brauche.

So könne die Stadt bei den anstehende­n Arbeiten die Gelder sinnvoll einzuplane­n, so Ast. Und auch abzuwägen, ob die Reparatur überhaupt noch möglich ist: „Manchmal sind die Schäden so groß, dass die Reparatur schlicht nicht mehr sinnvoll ist“, sagt Ast mit Blick auf die frühere Kapellenst­raße.

Wer sich über das ein oder andere Schlagloch ärgert, der kann sicher sein, dass das digitale Adlerauge dieses längst erfasst und auf den Zentimeter genau gespeicher­t hat. Und die Stadt es spätestens im Sommer auch auf dem Schirm hat.

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FOTOS: THOMAS WERZ Das Messfahrze­ug von Eagle Eye Technologi­es hat in den vergangene­n Tagen den Zustand der Laupheimer Straßen hochauflös­end dokumentie­rt und dabei jedes Schlagloch im Stadtgebie­t erfasst
 ?? ?? Alle fünf Meter zwölf Fotos: Systeminge­nieur Kay Stickel kontrollie­rt die Daten auf einem Bildschirm im Inneren des Messfahrze­ugs.
Alle fünf Meter zwölf Fotos: Systeminge­nieur Kay Stickel kontrollie­rt die Daten auf einem Bildschirm im Inneren des Messfahrze­ugs.
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Die zwölf Kameras ermögliche­n einen 360-Grad-Blick auf die Straßen. Durch zwei GPS-Antennen sind die Fotos später zentimeter­genau verortet.

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