Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Lange Stau und lauter Streik
Klimaaktivisten demonstrieren in Ulm – Westringtunnel zeitweise gesperrt
- Gleich zwei Klimademos haben am Freitag in Ulm stattgefunden. Am Ulmer Westringtunnel bildeten sich lange Staus. Dort kletterten Aktivisten über die Brüstung. Auf dem Münsterplatz versammelten sich rund 200 Demonstranten.
Die Botschaft war eindeutig: „Bus und Bahn statt Acht-SpurWahn“stand auf einem Banner, das Aktivisten am Freitagmittag oberhalb des Ulmer Westringtunnels befestigten. Sie demonstrierten damit gegen den geplanten achtspurigen Ausbau der Brücke – und für die Verkehrswende. Die Stadt hatte versucht, den Protest zu verhindern, doch das Verwaltungsgericht in Sigmaringen gab schließlich einem Antrag der Aktivisten nach (SZ berichtete). Unter strengen Vorgaben.
So durften die Klimaaktivisten nur 15 Minuten lang über dem Bismarckring im Kletterseil hängen. Initiator Samuel Bosch zeigte sich im Nachgang dennoch zufrieden: „Ich glaube, wir konnten heute wachrütteln“, sagte der 21-Jährige. Er kritisierte die Pläne der Stadt, die einen achtspurigen Ausbau der Ulmer Adenauerbrücke
vorsehen. „Wir wollen eine schmalere Bücke, keinen Ausbau“, sagte er. „Verkehrswende jetzt“, skandierten die Aktivisten.
Während der Aktion war die Spur des Westringtunnels, die stadteinwärts führt, für etwa 30 Minuten gesperrt. An der Stadteinfahrt bildeten sich zeitweise lange Staus. Der Verkehr wurde teils über die Kreuzung am Ehinger Tor umgeleitet.
Manche Autofahrer blickten interessiert, andere verärgert zu dem Demonstrierenden. „Ihr seid doch Idioten“, rief einer. „Geht besser einer Arbeiten“, habe ein anderer Autofahrer gerufen, berichtet Samuel Bosch. Doch er und sein Team wollen weitermachen.
Immerhin habe es selbst von manchen Autofahrern Zustimmung geben. „Ein Niederländer zum Beispiel hat uns freudig gewunken. Wahrscheinlich weil man in den Niederlanden die Verkehrswende schon kennt und dort viel weiter ist als in Deutschland.“
Samuel Bosch zählt sich inzwischen zu den „Unterstützern des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags“. Er war zuletzt auch bei den Baumbesetzungen an der Ulmer Uniklinik im Einsatz und wohnt derzeit in einem Baumcamp im Altdorfer Wald bei Ravensburg.
Der Protest diene auch als Solidaritätsaktion für die Kletterer, die im Juli 2023 auf die Schilder über der Adenauerbrücke geklettert waren. Sie stehen am 5. März in Ulm vor Gericht.
Bei der Demo am Westringtunnel solidarisierte sich am Freitag nur eine Handvoll Aktivisten unter anderem von Greenpeace mit Samuel Bosch und seinem Mitkletterer „Karli“.
Bosch führte das geringe Interesse an der Aktion auf das regnerische Wetter sowie die zweite Aktion auf dem Ulmer Münsterplatz zurück.
Dort haben sich am Freitagnachmittag etwa 200 Menschen dem bundesweiten Streik von „Fridays for Future“(FFF) und der Gewerkschaft ver.di für eine gerechte Mobilitätswende angeschlossen.
„Wir sind heute hier, für mehr ÖPNV und eine bessere Bezahlung für die Beschäftigten in diesem Sektor“, erklärt Laurin Bischoff von der Ulmer FFF-Gruppe.
Der Nahverkehr sei „zentraler Bestandteil der Verkehrswende“, so der 21-Jährige weiter. „Um diesen in Deutschland weiter auszubauen, sind bessere Arbeitsbedingungen unbedingt notwendig.“
„Fridays for Future“fordert gemeinsam mit den Beschäftigten im Nahverkehr von Bund und Ländern bis 2030 eine Investition von 100 Milliarden Euro in den ÖPNV. „Deswegen gehen wir heute bundesweit an der Seite der ÖPNV-Menschen auf die Straße“, so Bischoff.
Neben Ulm wurde am Freitag bundesweit in 116 weiteren Städten demonstriert. Andernorts ist nach Angaben von ver.di auch der Nahverkehr bestreikt worden, wozu es in Ulm aufgrund einer aktuell geltenden Friedenspflicht nicht gekommen ist.
Dennoch zeigten sich zahlreiche Gewerkschaftler am Freitag auf dem Münsterplatz solidarisch.