Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Kimmich muss wechseln, um seine Karriere zu retten
Es gab defintiv schon einfachere Phasen im Fußballerleben des Joshua Kimmich. Auch wenn der kämpfende Ehrgeizling nie vollkommen unumstritten war, kulminieren aktuell die Kritik und der Unmut. Erst beordert ihn Bundestrainer Julian Nagelsmann für die EM im Sommer schon einmal verbal „für Deutschland“auf die ungeliebte Rechtsverteidigerposition, dann wird er auch noch im Verein auf eben jene Stelle abgeschoben. Dass die Kritik als zahnloser Anführer in der Krise des FC Bayern München noch obendrauf kommt, ist die vermoderte Kirsche auf der ungenießbaren Torte der aktuellen Karrieresituation des 29-Jährigen.
Bleibt nur eines: sich durchzubeißen und irgendwann zu triumphieren? Falsch. Josh sollte nun endlich einsehen, dass er ähnlich wie Toni Kroos in der Heimat nie die volle Wertschätzung erhalten wird, die ein Fußballer seiner Klasse verdient. Und ähnlich wie der nun ins DFB-Team zurückgeholte Mittelfeldspieler einst sollte der Bösinger jetzt die Konsequenz ziehen und seinen FC Bayern verlassen – auch wenn es persönlich schwerfällt. Ein Wechsel innerhalb der Bundesliga
ist natürlich ausgeschlossen. Dafür wären englische Vereine wie etwa der FC Liverpool oder auch italienische oder spanische Clubs prädestiniert für einen Kämpfer wie Kimmich. Während sich in München niemand der Bosse fest zu ihm bekennt oder sich vollends schützend vor ihn stellt, sind andere Länder bei der Würdigung solcher Mentalitätsspieler generöser – siehe Antonio Rüdiger bei Real Madrid.
Dass der vierfache Vater sich in München und auch in Deutschland wohlfühlt, ist sympathisch, doch kann nur ein Wechsel aus Kimmich eine richtige Legende machen und ihm doch noch zu einer Weltkarriere verhelfen. Jung genug dafür ist er, so hat er sicher noch sechs Jahre im besten Fußballeralter vor sich. Der große Bayern-Umbruch im Sommer sollte keiner mehr um die Säule Josh Kimmich sein. Ungedankt führen können dann andere. Und die Genugtuung, dass der Verein seinem dann Ex-Anführer sicher nachweinen wird, scheint schon jetzt gewiss
Keine Frage: Die Kritik ist absolut gerechtfertigt. Nachdem es für Joshua Kimmich jahrelang nur bergauf ging, durchlebt er beim FC Bayern momentan die wohl schwierigste Phase seiner Karriere. Und das nicht nur, weil (Noch-) Trainer Thomas Tuchel nicht auf ihn setzt und kein Geheimnis daraus macht, dass er sich einen anderen Spielertypen fürs defensive Mittelfeld wünschte. Nein, Kimmich trägt selbst einen großen Teil der Schuld. Statt es seinem zweifelnden Coach zu zeigen und diesen mit starken Leistungen von der Falschheit seiner Einschätzung zu überzeugen, spielt der 29-Jährige seit Monaten unter seinen Möglichkeiten und verhält sich eher wie ein trotziges Kind als der große Kämpfer, den er selbst in sich sieht. Es ist nur logisch, dass sich sowohl der Club als auch der Spieler ernsthafte Gedanken über die gemeinsame Zukunft machen müssen. Am Ende der Überlegungen darf aber nur ein Ergebnis stehen: Kimmichs Vertrag bei den Bayern wird über den Sommer 2025 hinaus verlängert.
Für die Zukunft des Rekordmeisters spielt der Ehrgeizling eine tragende Rolle. Schließlich hat der neue Sportvorstand Max Eberl einen Kurswechsel bei der Transferstrategie
angekündigt – weg von teuren Stareinkäufen, hin zur Verpflichtung von Talenten mit großem Potenzial. Doch gerade ein junges Team braucht Anführer, die die Strukturen und Eigenheiten des divenhaften Clubs an der Säbener Straße kennen. Da die Zeit der Alphatiere Manuel Neuer und Thomas Müller in München bald endet, gibt es hierfür keine Alternativen zu Kimmich. Auch deshalb hat Eberl schon jetzt angekündigt, bald das Gespräch mit dem Nationalspieler zu suchen. „Im Sommer entsteht eine völlig neue Konstellation und ein ganz anderes System“, sagte der neue starke Mann bezogen auf Kimmich und betonte: „Auch er will den größtmöglichen Erfolg für den FC Bayern München.“
Das ist unbestritten. Ebenso, dass Kimmich unter einem neuen Trainer, der voll auf ihn setzt, zu alter Stärke zurückfinden kann. Mit 29 hat der vierfache Vater noch ausreichend Jahre vor sich, um in München, wo er und seine Familie sich so wohlfühlen, eine Ära zu prägen. Dafür muss er aber nicht nur auf, sondern auch neben dem Platz an sich arbeiten.
Contra
„Nur im Ausland erhält er volle Wertschätzung.“Von Felix Alex
„Unter neuem Trainer kann er eine Ära prägen.“Von Martin Deck