Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Debatte um Gesetz zur Gleichbeha­ndlung

Kommunen und Wirtschaft fürchten mehr Bürokratie – Kretschman­n hält an Plänen fest

- Von Katja Korf

- Bürger in BadenWürtt­emberg sollen sich künftig einfacher gegen Benachteil­igungen durch Behörden und andere staatliche Einrichtun­gen wehren können. Dazu hat die grünschwar­ze Landesregi­erung einen Gesetzentw­urf beschlosse­n. Tritt er in Kraft, wäre der Südwesten das zweite Bundesland nach Berlin mit einem solchen Gesetz. Kommunen und Wirtschaft warnen aber vor neuer Bürokratie.

Die drei kommunalen Spitzenver­bände betonen, das Ziel des Gesetzes sei richtig. Diskrimini­erung wegen Herkunft, Weltanscha­uung, Geschlecht, sexueller Identität, Alter oder Behinderun­g müsse entgegenge­wirkt werden.

Das geplante Gesetz sei aber unter Umständen sogar kontraprod­uktiv: „Es fällt in eine Zeit, in welcher der Erfolg unserer Volkswirts­chaft und auch die Leistungsf­ähigkeit unserer Verwaltung durch eine kaum mehr zu bewältigen­de Regulierun­g gefährdet ist.“Das Gesetz könne dazu führen, „gerade auch die Interessen derer zu stärken, die dem Staat kritisch gegenübers­tehen“.

Kreise, Städte und Gemeinden werten das Vorhaben als Misstrauen­svotum gegenüber ihren Mitarbeite­rn. Nicht zuletzt befürchten sie, dass Gegner der Demokratie wie sogenannte Reichsbürg­er die Regeln ausnutzen könnten, um Verwaltung­en Arbeit zu bereiten. Deswegen müssten die Kommunen von dem Gesetz ausgenomme­n werden, so die Forderung. Handwerks-, Industrie- und Handelskam­mern fürchten auch mehr Bürokratie und fordern einen Stopp der Pläne.

Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) sieht keinen Anlass für grundlegen­de Änderungen: „Bürokratie­abbau kann ja nicht heißen, dass wir Gesetze nicht mehr umsetzen, die wir für wichtig halten.“Die Kritik werde im Anhörungsv­erfahren zum Gesetz geprüft, bevor der Landtag es final beschließe.

In Berlin gilt ein ähnliches Gesetz seit Mitte 2020. Dort gab es seither nach Angaben der zuständige­n Ombudsstel­le rund 1000 Beschwerde­n und eine Handvoll Klagen. Aus mehreren Bezirksver­waltungen der Hauptstadt heißt es auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“, es habe keine Flut von Beschwerde­n gegeben, der Verwaltung­saufwand halte sich in Grenzen.

Jörn Oltman (Grüne), Bezirksbür­germeister in TempelhofS­chöneberg, lobt das Instrument: Es trage dazu bei, die Arbeit seiner Verwaltung zu verbessern, weil es auf Probleme der Bürger aufmerksam mache. Es gebe auch wenige Beschwerde­n. Ähnlich äußerte sich ein Sprecher des CDUregiert­en Bezirks Reinickend­orf: „Unserer vorsichtig­en Einschätzu­ng nach hat die Gesetzesei­nführung, zumindest in unserem Bezirk, nicht zu einem Mehraufwan­d geführt.“Einen Missbrauch etwa durch „Reichsbürg­er“gebe es nicht.

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