Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Debatte um Gesetz zur Gleichbehandlung
Kommunen und Wirtschaft fürchten mehr Bürokratie – Kretschmann hält an Plänen fest
- Bürger in BadenWürttemberg sollen sich künftig einfacher gegen Benachteiligungen durch Behörden und andere staatliche Einrichtungen wehren können. Dazu hat die grünschwarze Landesregierung einen Gesetzentwurf beschlossen. Tritt er in Kraft, wäre der Südwesten das zweite Bundesland nach Berlin mit einem solchen Gesetz. Kommunen und Wirtschaft warnen aber vor neuer Bürokratie.
Die drei kommunalen Spitzenverbände betonen, das Ziel des Gesetzes sei richtig. Diskriminierung wegen Herkunft, Weltanschauung, Geschlecht, sexueller Identität, Alter oder Behinderung müsse entgegengewirkt werden.
Das geplante Gesetz sei aber unter Umständen sogar kontraproduktiv: „Es fällt in eine Zeit, in welcher der Erfolg unserer Volkswirtschaft und auch die Leistungsfähigkeit unserer Verwaltung durch eine kaum mehr zu bewältigende Regulierung gefährdet ist.“Das Gesetz könne dazu führen, „gerade auch die Interessen derer zu stärken, die dem Staat kritisch gegenüberstehen“.
Kreise, Städte und Gemeinden werten das Vorhaben als Misstrauensvotum gegenüber ihren Mitarbeitern. Nicht zuletzt befürchten sie, dass Gegner der Demokratie wie sogenannte Reichsbürger die Regeln ausnutzen könnten, um Verwaltungen Arbeit zu bereiten. Deswegen müssten die Kommunen von dem Gesetz ausgenommen werden, so die Forderung. Handwerks-, Industrie- und Handelskammern fürchten auch mehr Bürokratie und fordern einen Stopp der Pläne.
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sieht keinen Anlass für grundlegende Änderungen: „Bürokratieabbau kann ja nicht heißen, dass wir Gesetze nicht mehr umsetzen, die wir für wichtig halten.“Die Kritik werde im Anhörungsverfahren zum Gesetz geprüft, bevor der Landtag es final beschließe.
In Berlin gilt ein ähnliches Gesetz seit Mitte 2020. Dort gab es seither nach Angaben der zuständigen Ombudsstelle rund 1000 Beschwerden und eine Handvoll Klagen. Aus mehreren Bezirksverwaltungen der Hauptstadt heißt es auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“, es habe keine Flut von Beschwerden gegeben, der Verwaltungsaufwand halte sich in Grenzen.
Jörn Oltman (Grüne), Bezirksbürgermeister in TempelhofSchöneberg, lobt das Instrument: Es trage dazu bei, die Arbeit seiner Verwaltung zu verbessern, weil es auf Probleme der Bürger aufmerksam mache. Es gebe auch wenige Beschwerden. Ähnlich äußerte sich ein Sprecher des CDUregierten Bezirks Reinickendorf: „Unserer vorsichtigen Einschätzung nach hat die Gesetzeseinführung, zumindest in unserem Bezirk, nicht zu einem Mehraufwand geführt.“Einen Missbrauch etwa durch „Reichsbürger“gebe es nicht.