Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Von Corona brutal getroffen
Bäckerei Mäschle startet Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung – Ziel ist Restrukturierung bis Herbst
- Die Laupheimer Traditionsbäckerei Mäschle ist in Schief lage. Ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung, das offiziell zum 1. April eingeleitet wird, soll das Familienunternehmen mit 120 Mitarbeitern wieder auf Kurs bringen. Noch hat die Bäckerei einen steinigen Weg vor sich. Doch Rechtsanwalt Michael Winterhoff, Restrukturierungsbeauftragter in dem Verfahren, ist überzeugt, dass dies gelingen kann.
Die aktuelle Situation schmerze sehr, bekennt Christian Mäschle. Beim Gespräch im Stammhaus in der Uhlmannstraße, im Büro über seiner Backstube, ist dem Bäckermeister anzusehen, wie sehr die vergangenen Monate an ihm gezehrt haben und wie stark ihn die aktuelle Situation auch emotional trifft. „Da schläft man nicht mehr viel“, sagt Mäschle, der seit Jahrzehnten Nachtschichten gewohnt ist. Sechs Tage die Woche steht Mäschle von 15 Uhr bis morgens um fünf in der Backstube. „Wenn es dann nicht mehr läuft wie früher...“
Wann dieses „nicht mehr wie früher“begonnen hat, das kann Mäschle genau terminieren. „Corona“, sagt er. Zuvor habe man gute Zahlen gehabt. Doch durch die Beschränkungen musste die Bäckerei von heute auf morgen die Cafés in ihren 15 Filialen schließen. „Wir hatten 1,3 Millionen Euro Umsatzeinbußen und haben 60.000 Euro Entschädigung bekommen“, erklärt Mäschle, der gemeinsam mit seinem Bruder Harald die Bäckerei 1996 vom Vater übernommen hatte. Doch Gehälter und Verbindlichkeiten, wie der Kredit für den neuen Ofen, liefen weiter.
Auch nach dem Ende der Pandemie blieb keine Zeit, um wieder auf Kurs zu kommen. EnergieKrise und Inflation ließen die Preise für Rohstoffe und Energie explodierten. „Unser Ofen braucht 300 Liter Öl am Tag und wenn der Preis von 43 Cent auf einen Euro steigt, dann kannst du das nicht auffangen“, sagt Mäschle. Dazu kam noch der Anstieg des Mindestlohns. Seit Mitte des vergangenen Jahres habe man realisiert, dass immer weniger hängen bleibt. „Das wurde immer schlimmer“, so Mäschle.
Die beiden Geschäftsführer hätten noch versucht, mit Eigenmitteln
und Ersparnissen das Unternehmen zu restrukturieren, erklärt Anwalt Winterhoff. Doch Ende des vergangenen Jahres sei klar gewesen, dass es so nicht weitergehen könne. So wie den Mäschles ergehe es derzeit mehreren Bäckereien, sagt der Fachanwalt für Insolvenzrecht, der Ende Dezember ins Unternehmen kam. Mit dem Ziel, durch eine Insolvenz in Eigenverwaltung die Bäckerei wieder zukunftsfähig aufzustellen. Denn im Gegensatz zu einer normalen Insolvenz gehe es nun nicht darum, die Firma abzuwickeln, sondern „aktiv das Unternehmen zu entwickeln und zu sanieren – und die Arbeitsplätze zu erhalten“, wie es Winterhoff formuliert.
Ins selbe Horn stößt auch Sabine Heim, die als Beraterin für Bäckereien und Konditoreien nun auch die Mäschles bei der Neustrukturierung unterstützt. „Die Branche hat es während Corona brutal getroffen – vor allem die Bäckereien mit Cafés“, sagt Heim.
Denn durch deren pandemiebedingten Schließungen fielen auch die Kunden für eine Tasse Kaffee und ein Stück Kuchen weg. Und die Café-Umsätze seien für viele Bäckereien essentiell, so Heim. Zur Neustrukturierung gehören aber auch Einschnitte: Von den 15 Filialen zwischen Langenau und Warthausen soll eine geschlossen werden – alle Mitarbeiter will man dennoch halten. Da das Kaufland in Warthausen saniert und umgebaut werde, habe man beschlossen, dieses Café nicht fortzuführen, so Winterhoff. „Wir wollen aber die Filiale in der Dorfmitte stärken.“
Beraterin Heim unterstützt die Bäckerei auch bei der Entwicklung neuer Produkte. Der Trend gehe zu Dinkel und Urgetreide und längerer Teigruhe. Dazu wird aktuell die Kuchenauswahl vergrößert und das Sortiment um vegane Snacks erweitert, so Heim. Denn bei all den Turbulenzen in den vergangenen Monaten habe die Zeit und der Fokus für Neues
gefehlt, so Mäschle. „Wenn man nur am Kämpfen ist und sich über Monate jede Nacht Gedanken macht... Da ist das Kreative untergegangen.“
Denn trotz der Schieflage: Er sei nach wie vor „mit Leib und Seele Bäcker, der Beruf macht jeden Tag Freude“, sagt Christian Mäschle. 1983 hatte er beim Vater seine Lehre begonnen und stieg 1991 nach seiner Meisterprüfung wieder ins väterliche Unternehmen ein. „Wir machen alles selbst, kaufen keine Teiglinge zu. Ich schreibe das Handwerk ganz groß“, sagt Mäschle und verweist auf sein engagiertes Team in der Backstube und im Verkauf. „Ich bin gottfroh an meiner Mannschaft. 70 Prozent der Mitarbeiter sind seit über 20 Jahren bei mir.“Und diese Mannschaft stehe nach wie vor fest zum Unternehmen.
Die hohe Motivation der Mitarbeiter hat auch Sabine Heim in den vergangenen Wochen beobachtet. „Man spürt, dass die Leute durchstarten wollen.“Auch Winterhoff,
der schon mehrere Firmen in der Lebensmittelbranche saniert hat, unterstreicht dies. Er bewundere die Motivation von Christian Mäschle. Auch die Zahlen seit Anfang Februar zeichneten einen positiven Trend, die Restrukturierungsmaßnahmen zeigen erste Erfolge. „Die aktuellen Zahlen liegen über dem Plan“, sagt Anwalt Winterhoff. „Und die neuen Teile gehen richtig gut. Das wird gut angenommen von den Kunden.“
Der schwere Rucksack sei zumindest „ein bisschen leichter geworden“, formuliert es Christian Mäschle. Teils habe er noch ein mulmiges Gefühl, ob all die Anstrengungen reichen. Er hoffe sehr, dass die angestoßenen Veränderungen zum Erfolg führen. Jetzt gehe es darum anzupacken, „den Karren aus dem Dreck zu ziehen“, wie Christian Mäschle es formuliert. Spätestens zum Herbst, so plant auch Anwalt Winterhoff, soll die Traditionsbäckerei wieder auf Kurs sein.