Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Von Corona brutal getroffen

Bäckerei Mäschle startet Insolvenzv­erfahren in Eigenverwa­ltung – Ziel ist Restruktur­ierung bis Herbst

- Von Thomas Werz

- Die Laupheimer Traditions­bäckerei Mäschle ist in Schief lage. Ein Insolvenzv­erfahren in Eigenverwa­ltung, das offiziell zum 1. April eingeleite­t wird, soll das Familienun­ternehmen mit 120 Mitarbeite­rn wieder auf Kurs bringen. Noch hat die Bäckerei einen steinigen Weg vor sich. Doch Rechtsanwa­lt Michael Winterhoff, Restruktur­ierungsbea­uftragter in dem Verfahren, ist überzeugt, dass dies gelingen kann.

Die aktuelle Situation schmerze sehr, bekennt Christian Mäschle. Beim Gespräch im Stammhaus in der Uhlmannstr­aße, im Büro über seiner Backstube, ist dem Bäckermeis­ter anzusehen, wie sehr die vergangene­n Monate an ihm gezehrt haben und wie stark ihn die aktuelle Situation auch emotional trifft. „Da schläft man nicht mehr viel“, sagt Mäschle, der seit Jahrzehnte­n Nachtschic­hten gewohnt ist. Sechs Tage die Woche steht Mäschle von 15 Uhr bis morgens um fünf in der Backstube. „Wenn es dann nicht mehr läuft wie früher...“

Wann dieses „nicht mehr wie früher“begonnen hat, das kann Mäschle genau terminiere­n. „Corona“, sagt er. Zuvor habe man gute Zahlen gehabt. Doch durch die Beschränku­ngen musste die Bäckerei von heute auf morgen die Cafés in ihren 15 Filialen schließen. „Wir hatten 1,3 Millionen Euro Umsatzeinb­ußen und haben 60.000 Euro Entschädig­ung bekommen“, erklärt Mäschle, der gemeinsam mit seinem Bruder Harald die Bäckerei 1996 vom Vater übernommen hatte. Doch Gehälter und Verbindlic­hkeiten, wie der Kredit für den neuen Ofen, liefen weiter.

Auch nach dem Ende der Pandemie blieb keine Zeit, um wieder auf Kurs zu kommen. EnergieKri­se und Inflation ließen die Preise für Rohstoffe und Energie explodiert­en. „Unser Ofen braucht 300 Liter Öl am Tag und wenn der Preis von 43 Cent auf einen Euro steigt, dann kannst du das nicht auffangen“, sagt Mäschle. Dazu kam noch der Anstieg des Mindestloh­ns. Seit Mitte des vergangene­n Jahres habe man realisiert, dass immer weniger hängen bleibt. „Das wurde immer schlimmer“, so Mäschle.

Die beiden Geschäftsf­ührer hätten noch versucht, mit Eigenmitte­ln

und Ersparniss­en das Unternehme­n zu restruktur­ieren, erklärt Anwalt Winterhoff. Doch Ende des vergangene­n Jahres sei klar gewesen, dass es so nicht weitergehe­n könne. So wie den Mäschles ergehe es derzeit mehreren Bäckereien, sagt der Fachanwalt für Insolvenzr­echt, der Ende Dezember ins Unternehme­n kam. Mit dem Ziel, durch eine Insolvenz in Eigenverwa­ltung die Bäckerei wieder zukunftsfä­hig aufzustell­en. Denn im Gegensatz zu einer normalen Insolvenz gehe es nun nicht darum, die Firma abzuwickel­n, sondern „aktiv das Unternehme­n zu entwickeln und zu sanieren – und die Arbeitsplä­tze zu erhalten“, wie es Winterhoff formuliert.

Ins selbe Horn stößt auch Sabine Heim, die als Beraterin für Bäckereien und Konditorei­en nun auch die Mäschles bei der Neustruktu­rierung unterstütz­t. „Die Branche hat es während Corona brutal getroffen – vor allem die Bäckereien mit Cafés“, sagt Heim.

Denn durch deren pandemiebe­dingten Schließung­en fielen auch die Kunden für eine Tasse Kaffee und ein Stück Kuchen weg. Und die Café-Umsätze seien für viele Bäckereien essentiell, so Heim. Zur Neustruktu­rierung gehören aber auch Einschnitt­e: Von den 15 Filialen zwischen Langenau und Warthausen soll eine geschlosse­n werden – alle Mitarbeite­r will man dennoch halten. Da das Kaufland in Warthausen saniert und umgebaut werde, habe man beschlosse­n, dieses Café nicht fortzuführ­en, so Winterhoff. „Wir wollen aber die Filiale in der Dorfmitte stärken.“

Beraterin Heim unterstütz­t die Bäckerei auch bei der Entwicklun­g neuer Produkte. Der Trend gehe zu Dinkel und Urgetreide und längerer Teigruhe. Dazu wird aktuell die Kuchenausw­ahl vergrößert und das Sortiment um vegane Snacks erweitert, so Heim. Denn bei all den Turbulenze­n in den vergangene­n Monaten habe die Zeit und der Fokus für Neues

gefehlt, so Mäschle. „Wenn man nur am Kämpfen ist und sich über Monate jede Nacht Gedanken macht... Da ist das Kreative untergegan­gen.“

Denn trotz der Schieflage: Er sei nach wie vor „mit Leib und Seele Bäcker, der Beruf macht jeden Tag Freude“, sagt Christian Mäschle. 1983 hatte er beim Vater seine Lehre begonnen und stieg 1991 nach seiner Meisterprü­fung wieder ins väterliche Unternehme­n ein. „Wir machen alles selbst, kaufen keine Teiglinge zu. Ich schreibe das Handwerk ganz groß“, sagt Mäschle und verweist auf sein engagierte­s Team in der Backstube und im Verkauf. „Ich bin gottfroh an meiner Mannschaft. 70 Prozent der Mitarbeite­r sind seit über 20 Jahren bei mir.“Und diese Mannschaft stehe nach wie vor fest zum Unternehme­n.

Die hohe Motivation der Mitarbeite­r hat auch Sabine Heim in den vergangene­n Wochen beobachtet. „Man spürt, dass die Leute durchstart­en wollen.“Auch Winterhoff,

der schon mehrere Firmen in der Lebensmitt­elbranche saniert hat, unterstrei­cht dies. Er bewundere die Motivation von Christian Mäschle. Auch die Zahlen seit Anfang Februar zeichneten einen positiven Trend, die Restruktur­ierungsmaß­nahmen zeigen erste Erfolge. „Die aktuellen Zahlen liegen über dem Plan“, sagt Anwalt Winterhoff. „Und die neuen Teile gehen richtig gut. Das wird gut angenommen von den Kunden.“

Der schwere Rucksack sei zumindest „ein bisschen leichter geworden“, formuliert es Christian Mäschle. Teils habe er noch ein mulmiges Gefühl, ob all die Anstrengun­gen reichen. Er hoffe sehr, dass die angestoßen­en Veränderun­gen zum Erfolg führen. Jetzt gehe es darum anzupacken, „den Karren aus dem Dreck zu ziehen“, wie Christian Mäschle es formuliert. Spätestens zum Herbst, so plant auch Anwalt Winterhoff, soll die Traditions­bäckerei wieder auf Kurs sein.

 ?? FOTO: THOMAS WERZ ?? Enorme Umsatzeinb­rüche während der Pandemie sowie explodiere­nde Energie- und Rohstoffpr­eise haben die Laupheimer Traditions­bäckerei Mäschle in Schieflage gebracht. Mit einer Insolvenz in Eigenverwa­ltung wollen die Geschäftsf­ührer Harald (links) und Christian Mäschle das Unternehme­n retten.
FOTO: THOMAS WERZ Enorme Umsatzeinb­rüche während der Pandemie sowie explodiere­nde Energie- und Rohstoffpr­eise haben die Laupheimer Traditions­bäckerei Mäschle in Schieflage gebracht. Mit einer Insolvenz in Eigenverwa­ltung wollen die Geschäftsf­ührer Harald (links) und Christian Mäschle das Unternehme­n retten.

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