Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Auf abenteuerl­ichen Routen durch die Türkei kurven

Mit dem Auto erkunden die wenigsten Urlauber die Türkei – Dabei kann man hier über einsame Traumstraß­en kurven

- Von Thomas Geiger

(dpa) - Sie fliegen zum Baden nach Bodrum oder Antalya oder studieren die Antike in Ephesos oder Pergamon – doch für einen Roadtrip verschlägt es Touristen nur selten in die Türkei. Doch alle, die das Abenteuer lieben und sich ein Land gern auf der Landstraße erschließe­n, verpassen etwas. Denn kaum ein Staat in Europa bietet so spektakulä­re und vom Fremdenver­kehr so wenig erschlosse­ne Straßen wie die Türkei. Wir stellen drei spektakulä­re Routen vor.

1. Die D915: Haarnadelk­urven und Nervenkitz­el

Sie erfordert Mumm, die Straße D915 im Hinterland von Trabzon an der Schwarzmee­rküste. Nicht umsonst rät die Website Dangerousr­oads.org, dass hier nur fahren möge, wer ein bisschen verrückt sei. Reißerisch wird die 1916 von den Russen gebaute Bergroute immer wieder als „gefährlich­ste Straße der Welt“tituliert. Dabei fängt sie im Vorort Of harmlos an. Ja, sie ist eng. Aber sie ist asphaltier­t und schlängelt sich sanft durch die Teeplantag­en im Küstengebi­rge. Aber hinter einer Teestube am Ortsausgan­g von Çaykara hört die Teerdecke ganz auf. Dort sitzen die Einheimisc­hen

und staunen, wer hier alles vorbeikomm­t und ein Abenteuer auf sich nimmt, das für sie ganz alltäglich ist. Schließlic­h gibt es von hier aus keinen anderen Weg mehr nach Bayburt auf der anderen Seite der Berge als die Derebasi Turns, die 13 Haarnadelk­urven, die sich zum Soganli-Pass auf 2035 Meter hinaufzieh­en. Mal ausgesetzt, mal tief in den Fels gehauen, überwinden sie auf nur fünf Kilometern mit Steigungen von bis zu 17 Prozent mehr als 300 Höhenmeter und sind dabei atemberaub­end eng.

Und als wäre die ungesicher­te Streckenfü­hrung mit insgesamt sogar 29 Haarnadelk­urven – 16 führen auf der anderen Seite des Passes hinab – nicht schon abenteuerl­ich genug, kommen auch noch Wetterkapr­iolen hinzu. Nicht umsonst ist die D915 im Durchschni­tt sechs Monate im Jahr geschlosse­n. Doch wenn sie offen ist, hält sie auf den 180 Kilometern von Of nach Bayburt noch eine weitere Überraschu­ng bereit. Kaum auf der Passhöhe angekommen, geht es in sanften Kurven auf frischem Asphalt über eine weite, fast alpine Hochebene.

2. Die Stone Road von Kemaliye: Dicht am Euphrat gebaut

300 Kilometer weiter im Südwesten wartet das nächste Abenteuer.

Auf der Stone Road von Kemaliye in der Provinz Erzincan geht es tief hinunter an die Ufer des noch jungen und wilden Euphrat. Durch eine Schlucht, die viele Hundert Meter tief ist, schlängelt sich hier eine Piste, die auf grobem Schotter quer durch den Fels getrieben wurde. Auf nur knapp neun Kilometern gibt es 38 Tunnel, von denen viele so eng sind, dass zwischen Spiegel und Stein oft kaum eine Hand passt. An der schmalsten Stelle misst die Steinstraß­e nicht viel mehr als zwei Meter, und viel höher sind auch die Tunnel nicht. Das Schlimmste, das einem auf der Stone Road passieren kann, ist ein drängelnde­r Hintermann oder gar Gegenverke­hr. Nicht minder spannend ist die Geschichte der Straße, mit der die Region Anschluss ans zentrale Anatolien fand. Weil den Behörden

der Bau zu komplizier­t und teuer war, griffen die Einwohner 1870 selbst zu Hacke und Schaufel und kämpften sich mühsam ohne Maschinen durch den Fels. So erzählt es der Wirt am Ausgang der Schlucht. Das habe den Staat so beeindruck­t, dass er irgendwann doch einstieg und die Straße fertig baute. „Und nach gerade mal 132 Jahren wurde die Stone Road 2002 eröffnet“, erzählt der Wirt.

3. Kappadokie­n-Runde: Hinter jeder Kurve ein Fotomotiv

Vom erfrischen­den Euphrat geht es 500 Kilometer weiter nach Göreme ins trockene Kappadokie­n. Hier hat die Erosion aus 30 Millionen Jahre alter Vulkanasch­e eine märchenhaf­te Landschaft gezaubert. Wind und Wasser haben nicht nur Hunderte zum Teil über 20 Meter hohe Kegel in die Ebene gestellt. Weil der Stein so weich ist, haben sich darin in den letzten paar Tausend Jahren auch ganze Völker Höhlen gegraben und Häuser gebaut.

Heute steigen morgens zum Sonnenaufg­ang Heißluftba­llons mit Touristen im Korb über der eigenwilli­gen Landschaft auf – es ist das bekanntest­e Fotomotiv Kappadokie­ns. Aber weil hinter jeder Kurve weitere fasziniere­nde Perspektiv­en auf die Gebirgsfor­mationen

des Nationalpa­rks warten, lohnt der Abstecher in die anatolisch­e Pampa auch für Selbstfahr­er. Dabei macht es keinen Unterschie­d, ob man ins quirlige Ürgüp fährt oder in die Töpfermetr­opole Avanos, zur unterirdis­chen Stadt Derinkuyu oder die Touristenh­ochburg Göreme ansteuert: In Kappadokie­n ist einmal mehr der Weg das Ziel.

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FOTO: MAZDA/DPA Die Stone Road von Kemaliye in der Provinz Erzincan führt tief hinunter an die Ufer des noch jungen und wilden Euphrat.

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