Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Nächtliche­r Angriff in Ehinger Innenstadt

Gruppe junger Männer greift Paar an – Parallelen zu Gewaltvorf­all im November

- Von Dominik Prandl

- „Es ist erschrecke­nd, wirklich“, sagt ein 26-Jähriger über ein Vorfall in der Ehinger Innenstadt, der ihn noch heute beschäftig­t: Vor zwei Wochen ist ein junges Paar in der Nacht von Samstag auf Sonntag gegen 2.30 Uhr von einer Bande Jugendlich­er angegriffe­n worden. Der 26-Jährige war Zeuge des Vorfalls und kam den beiden zu Hilfe. Der Fall weist frappante Parallelen mit einem Gewaltdeli­kt in Ehingen im November vergangene­n Jahres auf.

„Ich muss Ihnen ehrlich sagen: So etwas habe ich in meinem ganzen Leben nicht erlebt. Dass wahllos Leute auf der Straße angegriffe­n werden“, sagt der Zeuge, der seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte. „Ich will nicht, dass die Täter irgendwann vor meiner Tür stehen“, sagt er. Es war etwa 2.30 Uhr, als er die Schreie einer Frau hörte, erklärt er. „Ich bin instinktiv in die Richtung gegangen. Ich habe nicht lange überlegt.“In der Gymnasiums­traße habe er dann gesehen, wie sechs Jugendlich­e auf das Paar losgingen.

„Erst habe ich gedacht, vielleicht kennen die sich und es geht um das Mädchen.“Aber das Paar, er schätzt beide auf Mitte 20, habe ihm dann erklärt, dass sie die Angreifer gar nicht kennen. „Die haben völlig wahllos Stress angefangen. Ich dachte, ich sehe nicht recht. Das war wirklich heftig. Die haben da einfach gewartet auf den ersten, der vorbeikomm­t“, glaubt er und ist sich sicher: „Hätte ich die gleiche Straße etwas früher genommen als das Paar, dann wäre ich dran gewesen.“

Die Aggression sei eindeutig von den jungen Männern ausgegange­n. „Die haben gebrüllt: Ich schlage dich zusammen.“Es kam zur körperlich­en Auseinande­rsetzung, so der 26-Jährige. „Es gab ein Gerangel. Sie haben das Mädchen und den Mann angegriffe­n.“Letzterem hätten sie unter anderem ein blaues Auge geschlagen, die Frau habe Prellungen und blaue Flecken davongetra­gen. „Ich bin mir sicher: Wenn ich nicht dazu gekommen wäre, hätten sie die

krankenhau­sreif geschlagen“, erklärt er.

Er geht davon aus, dass er die Gruppe überrascht hat. „Die haben nicht damit gerechnet, dass so spät noch jemand kommt. Ich konnte Schlimmere­s verhindern.“Als er da war, hätten sie zwar erst weiter Stress gemacht. „Es war richtig laut.“Dann hätten sie aber irgendwann abgelassen. Einen der Angreifer habe er hinterher noch einmal gesehen. „Der wollte wieder Stress machen.“Der 26-Jährige ist aber einfach weitergela­ufen. Die Täter seien deutlich jünger gewesen, „ich bin mir nicht mal sicher, ob alle 18 waren“. Sie hätten russisch-deutsch gesprochen, „einer hat damit geprahlt, Russe zu sein“.

Etwas später habe er die Polizei angerufen, nicht gleich, denn „ich wollte Situation nicht eskalieren“, so der Zeuge des Vorfalls. Doch sei ihm schnell klar gewesen: „Ich muss Bescheid sagen. Das hat mir keine Ruhe gelassen und das lässt mir auch weiterhin keine Ruhe.“Doch er habe das Gefühl gehabt, die Polizei habe ihn erst nicht ganz ernst genommen – möglicherw­eise, weil er betrunken war. Vor Ort hat er den Polizisten dann noch in der Nacht den Tatort gezeigt. Mittlerwei­le hat er auch eine Aussage auf dem Polizeirev­ier gemacht und die Opfer in den Sozialen Medien

ausfindig gemacht, denn die Polizei habe ihm in der Nacht erklärt, sie könne nicht viel tun, wenn die Opfer sich nicht melden.

Mittlerwei­le hätten auch die beiden Geschädigt­en Strafanzei­ge erstattet, erklärt die Pressestel­le des Polizeiprä­sidiums Ulm auf Nachfrage. Die Polizei spricht von fünf Angreifern, ihr Alter wird auf 17 bis 23 Jahre geschätzt. „Die Ermittlung­en zu den Tätern dauern derzeit an“, heißt es.

Die Überschnei­dungen mit einem Vorfall im November vergangene­n Jahres in der Ehinger Innenstadt sind mehr als auffällig: Damals kam es ebenfalls Samstagnac­ht zu einem Angriff. Die Tatzeit ist fast die gleiche, der Tatort liegt nicht weit entfernt, es sollen ebenfalls etwa sechs Täter gewesen sein, die russischde­utsch gesprochen hatten. Auch damals wurden zwei Personen grundlos und brutal zusammenge­schlagen.

Es passierte gegen 3.45 Uhr auf Höhe der Ehinger Lindenhall­e. Zwei junge Männer im Alter von 23 und 26 Jahren waren in der Stadt unterwegs und wollten nach Hause laufen. Laut Polizei wurden die beiden dann von einer sechsköpfi­gen Personengr­uppe zuerst verbal angegangen. Die beiden Männer wollten weiterlauf­en, wurden dann jedoch körperlich

angegangen und zusammenge­schlagen. „Die Täter sollen wohl laut Zeugenanga­ben russischde­utsch gesprochen haben“, bestätigt die Polizei. Sie sollen im Alter von etwa 14 bis 18 Jahren gewesen sein, „konkrete Personenbe­schreibung­en liegen nicht vor“, so die Polizei. Noch in der Nacht hatte die Polizei vier Personen im Bereich des Groggensee­s angetroffe­n. Heute erklärt die Pressestel­le: „Die Polizei kontrollie­rte zwei Mal zwei Personen. Die vier Personen, die von der Polizei kontrollie­rt wurden, waren an der Tat jedoch nicht beteiligt.“Aktuell seien keine Tatverdäch­tigen bekannt. „Die Ermittlung­en laufen noch.“

Der 26-jährige Zeuge des jüngsten Vorfalls glaubt, dass es die gleiche Gruppe gewesen sein könnte. „Das Vorgehen war gleich und es war auch der gleiche Umkreis“, sagt er. Das habe er auch der Polizei mitgeteilt. Dass so etwas in Ehingen passiert, und das nicht nur einmal, verunsiche­re ihn, sagt der 26-Jährige, der erst seit drei Wochen in Ehingen wohnt. „Ich fühle mich nachts nicht mehr sicher“, sagt er und erklärt, dass er seit dem Gewaltvorf­all manche Orte in der Stadt meide. „Ich bin extrem vorsichtig. Ich gucke, ob ich jemanden erkenne und habe Angst, dass sie mich irgendwo erkennen.“

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SYMBOLFOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA Zu einer handfesten Auseinande­rsetzung ohne Anlass kam es in der Ehinger Innenstadt.

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