Schwäbische Zeitung (Laupheim)
„Ich lass den alten Mann nicht rein“
Rock ’n’ Roll- und Schlagerstar Peter Kraus wird 85 – Er spricht über Krieg, Musik, Burn-out, Frauen und das Älterwerden
- Er brachte Teenager zum Kreischen, da gab’s nicht mal die Beatles. 17 Millionen verkaufte Platten, davon 600.000 Mal „Sugar Baby“– Peter Siegfried Krausnecker alias Peter Kraus ist seit sieben Jahrzehnten eine Legende im Musikgeschäft. Am Montag wird Rock ’n’ Roll- und Schlagerstar stolze 85 Jahre alt. Der „Schwäbischen Zeitung“gibt er dieses Interview.
Herr Kraus, was wünschen Sie sich zum Geburtstag?
Ich schenke mir ein Konzert.
Sie treten am 18. März in der Münchner Inselphilharmonie auf. Das ist Ihr Geschenk?
Ja. Ich wünsche mir, dass 1900 Besucher „Happy Birthday“singen. Außerdem beantworte ich erstmals musikalisch die Frage, die mir am häufigsten gestellt wird.
Warum Sie im hohen Alter noch so fit sind?
Genau. Mein neuer Song heißt: „Ich lass den alten Mann nicht rein.“Der wird aus der Taufe gehoben.
Sie treiben viel Sport und verzichten auf Zucker. Ist das Ihr Rezept, um langsamer zu altern?
Es kommt noch mehr dazu. Viel dehnen. Spazieren im Wald statt joggen auf Asphalt. Kein Käse. Keine Milchprodukte. Es ist mein Ziel, so lange wie möglich gesund zu bleiben. Man kann den Tod nicht wegschieben, aber ich mache es ihm schwer.
Was fällt Ihnen mit zunehmendem Alter denn schwerer?
(lacht) Ich bin noch nicht alt. Das hebe ich mir für später auf. Aber es stimmt: Ich werde früher müde. Manches ist ein bisschen schwieriger, auch erschöpfender.
Auf YouTube wurden Sie mal für tot erklärt. Wissen Sie, wer dahintersteckt?
Keine Ahnung. Aber ich habe mitbekommen, dass irgendein Doofmann so eine Meldung über mehrere Prominente verbreitet hat. Deshalb genieße ich das Netz mit Vorsicht.
Sie mussten als kleiner Junge den Zweiten Weltkrieg erleben, als Teenager die Nachkriegsjahre. Wenn Sie diese schlimme Zeit mit der heutigen vergleichen: Wird in Deutschland zu viel gejammert?
Ja. Es wird über Dinge gejammert, nach denen wir uns früher gesehnt hatten. Trotz des Krieges war meine Kinder- und Jugendzeit allerdings sehr schön. Wir lebten auf dem Land. Als wir ausgebombt wurden, habe ich nur mitbekommen, dass mein Teddybär verbrannt ist. Das war schlimm für mich. Aber ich erinnere mich gerne an die amerikanischen GIs mit ihren schicken Uniformen. Sie hatten immer Schokolade und Kaugummi für uns Kinder dabei. Ich bin aufgewachsen in dem Traum, dass Amerika ganz toll sein muss. Das ist auch der Grund, warum ich mich im Kindesalter zur amerikanischen Musik hingezogen fühlte.
Wenn Sie die damalige Musik großer Künstler wie Sammy Davis Jr. oder Nat King Cole mit der heutigen vergleichen: Was fällt auf?
Die Machart ist viel einfacher geworden. Damals musste man sein Instrument mit den Fingern bewegen. Heute kann man jedes Instrument mit einer Klaviertastatur bedienen. Ich kann das nicht ertragen! Man muss unterscheiden zwischen echten Musikern und Menschen, die einen Laptop bedienen können. Das ist ein Wahnsinn. Man produziert, was in Kaufhäusern nachgefragt wird. Aber Livemusik bleibt Livemusik. Daran hänge ich seit Jahrzehnten.
Sie standen als 14-Jähriger auch vor der Kamera und haben „Das fliegende Klassenzimmer“gedreht. Was halten Sie von den heutigen Filmproduktionen?
Ich stelle fest, dass viele Krawallfilme gemacht werden, viele Actionfilme. Ich war kürzlich im Kino, um mir einen solchen Actionfilm anzusehen. Vor mir saßen Jugendliche in einer Reihe. Die
haben sich permanent unterhalten und erst aufgehört, als wieder eine Schießerei zu sehen war. Die Jugendlichen hat der Film überhaupt nicht interessiert. Das war deprimierend für mich. Ich kann auch die Machart vieler Kinderfilme nicht nachvollziehen. Es wird geschrieen, gekratzt und gebrüllt. Sowas verstehe ich nicht.
Sie haben in einem Interview gesagt, dass Sie noch mal bei einer großen Filmproduktion mitwirken möchten. Gibt’s Angebote?
Manchmal rufen Filmproduzenten an. Aber sie stellen immer die gleiche Frage.
Ob Sie einen alternden, abgehalfterten Sänger spielen können?
Genau. Aber ich will keine Rolle spielen, die nicht meinem Image entspricht.
Sie haben auch gesagt, dass Ihr Management so plant, als ob Sie 100 Jahre alt werden. Welches Projekt wollen Sie unbedingt
noch umsetzen?
Erst mal freue ich mich auf unser neues Theaterprojekt im April. Wir machen eine Art Talkshow. Zwei Stunden, Filme und Fotos auf der Leinwand, ein Gitarrist macht Musik. Das wird gut. Dann startet die Tournee.
Sie wollen nach der Tournee aufhören. Bleibt’s dabei?
Ja. Ich habe sechs Abschiedstourneen gemacht, das wird die Letzte.
Sie sehen es uns nach, wenn wir das nicht glauben.
(lacht) Ich glaub’s auch nicht so ganz.
Was hat der ganze Erfolg eigentlich mit Ihnen als Mensch gemacht?
Ich bin immer auf dem Boden geblieben. Ich glaube, dass ist der Grund, warum ich seit 70 Jahren treue Fans habe. Wenn ich mal ausgeflippt bin, war das keine Arroganz, wie mir häufig unterstellt wurde. Heute würde man es als Krankheit aus Überarbeitung bezeichnen. Als Burn-out. Damals musste ein Künstler noch ein Vorbild sein. Jemand, dem man begegnet. Den man anfassen kann, in die Haare greifen, auf die Schulter klopfen. Das war teilweise sehr anstrengend. Aber ich habe immer versucht, der Jugend etwas zu geben. Anstand, Höflichkeit, gepflegtes Aussehen. Ich war Vorbild. Das wird von den Künstlern heute nicht erwartet.
Werden Sie noch nach Autogrammen gefragt?
Eher nach Selfies. Aber kürzlich sagte ein junges Mädchen: „Herr Kraus, kann ich ein Autogramm haben?“Ich hatte mich riesig gefreut und gefragt, wie sie heißt. Sie sagte: „Das Autogramm ist nicht für mich, es ist für meine Oma.“(lacht). Damit muss ich mit fast 85 Jahren wohl leben.
Früher haben Groupis in Ihrer Garderobe gewartet. Und heute?
(lacht) Meine Frau.
Sie sind seit 55 Jahren mit Ingrid verheiratet. Was ist Ihr Rezept für eine gute Ehe?
Ich hatte in meiner Jugend sehr heftig nach der idealen Frau gesucht ... Ich habe sie dann gefunden. Wir sind nach wie vor in einer konstant verliebten Beziehung. Wir verbringen viel Zeit miteinander. Spaziergänge, essen gehen, viel reden.
Sie geben am 25. August 2024 ein Open-Air-Konzert in Altusried. Was erwartet die Fans?
Den genauen Ablauf besprechen wir im Frühjahr. Wir könnten acht Stunden spielen. Wir stellen uns vor jedem Konzert nur die Frage: „Was lassen wir weg?“Aber Altusried wird mit Sicherheit ein Mix aus alten Hits, neuen Songs, viel Entertainment – und natürlich „Sugar Baby“.