Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Ich lass den alten Mann nicht rein“

Rock ’n’ Roll- und Schlagerst­ar Peter Kraus wird 85 – Er spricht über Krieg, Musik, Burn-out, Frauen und das Älterwerde­n

- Von Robin Halle Karten für das Open-Air-Konzert von Peter Kraus am 25. August in Altusried gibt es unter www.schwaebisc­he.de/tickets

- Er brachte Teenager zum Kreischen, da gab’s nicht mal die Beatles. 17 Millionen verkaufte Platten, davon 600.000 Mal „Sugar Baby“– Peter Siegfried Krausnecke­r alias Peter Kraus ist seit sieben Jahrzehnte­n eine Legende im Musikgesch­äft. Am Montag wird Rock ’n’ Roll- und Schlagerst­ar stolze 85 Jahre alt. Der „Schwäbisch­en Zeitung“gibt er dieses Interview.

Herr Kraus, was wünschen Sie sich zum Geburtstag?

Ich schenke mir ein Konzert.

Sie treten am 18. März in der Münchner Inselphilh­armonie auf. Das ist Ihr Geschenk?

Ja. Ich wünsche mir, dass 1900 Besucher „Happy Birthday“singen. Außerdem beantworte ich erstmals musikalisc­h die Frage, die mir am häufigsten gestellt wird.

Warum Sie im hohen Alter noch so fit sind?

Genau. Mein neuer Song heißt: „Ich lass den alten Mann nicht rein.“Der wird aus der Taufe gehoben.

Sie treiben viel Sport und verzichten auf Zucker. Ist das Ihr Rezept, um langsamer zu altern?

Es kommt noch mehr dazu. Viel dehnen. Spazieren im Wald statt joggen auf Asphalt. Kein Käse. Keine Milchprodu­kte. Es ist mein Ziel, so lange wie möglich gesund zu bleiben. Man kann den Tod nicht wegschiebe­n, aber ich mache es ihm schwer.

Was fällt Ihnen mit zunehmende­m Alter denn schwerer?

(lacht) Ich bin noch nicht alt. Das hebe ich mir für später auf. Aber es stimmt: Ich werde früher müde. Manches ist ein bisschen schwierige­r, auch erschöpfen­der.

Auf YouTube wurden Sie mal für tot erklärt. Wissen Sie, wer dahinterst­eckt?

Keine Ahnung. Aber ich habe mitbekomme­n, dass irgendein Doofmann so eine Meldung über mehrere Prominente verbreitet hat. Deshalb genieße ich das Netz mit Vorsicht.

Sie mussten als kleiner Junge den Zweiten Weltkrieg erleben, als Teenager die Nachkriegs­jahre. Wenn Sie diese schlimme Zeit mit der heutigen vergleiche­n: Wird in Deutschlan­d zu viel gejammert?

Ja. Es wird über Dinge gejammert, nach denen wir uns früher gesehnt hatten. Trotz des Krieges war meine Kinder- und Jugendzeit allerdings sehr schön. Wir lebten auf dem Land. Als wir ausgebombt wurden, habe ich nur mitbekomme­n, dass mein Teddybär verbrannt ist. Das war schlimm für mich. Aber ich erinnere mich gerne an die amerikanis­chen GIs mit ihren schicken Uniformen. Sie hatten immer Schokolade und Kaugummi für uns Kinder dabei. Ich bin aufgewachs­en in dem Traum, dass Amerika ganz toll sein muss. Das ist auch der Grund, warum ich mich im Kindesalte­r zur amerikanis­chen Musik hingezogen fühlte.

Wenn Sie die damalige Musik großer Künstler wie Sammy Davis Jr. oder Nat King Cole mit der heutigen vergleiche­n: Was fällt auf?

Die Machart ist viel einfacher geworden. Damals musste man sein Instrument mit den Fingern bewegen. Heute kann man jedes Instrument mit einer Klaviertas­tatur bedienen. Ich kann das nicht ertragen! Man muss unterschei­den zwischen echten Musikern und Menschen, die einen Laptop bedienen können. Das ist ein Wahnsinn. Man produziert, was in Kaufhäuser­n nachgefrag­t wird. Aber Livemusik bleibt Livemusik. Daran hänge ich seit Jahrzehnte­n.

Sie standen als 14-Jähriger auch vor der Kamera und haben „Das fliegende Klassenzim­mer“gedreht. Was halten Sie von den heutigen Filmproduk­tionen?

Ich stelle fest, dass viele Krawallfil­me gemacht werden, viele Actionfilm­e. Ich war kürzlich im Kino, um mir einen solchen Actionfilm anzusehen. Vor mir saßen Jugendlich­e in einer Reihe. Die

haben sich permanent unterhalte­n und erst aufgehört, als wieder eine Schießerei zu sehen war. Die Jugendlich­en hat der Film überhaupt nicht interessie­rt. Das war deprimiere­nd für mich. Ich kann auch die Machart vieler Kinderfilm­e nicht nachvollzi­ehen. Es wird geschrieen, gekratzt und gebrüllt. Sowas verstehe ich nicht.

Sie haben in einem Interview gesagt, dass Sie noch mal bei einer großen Filmproduk­tion mitwirken möchten. Gibt’s Angebote?

Manchmal rufen Filmproduz­enten an. Aber sie stellen immer die gleiche Frage.

Ob Sie einen alternden, abgehalfte­rten Sänger spielen können?

Genau. Aber ich will keine Rolle spielen, die nicht meinem Image entspricht.

Sie haben auch gesagt, dass Ihr Management so plant, als ob Sie 100 Jahre alt werden. Welches Projekt wollen Sie unbedingt

noch umsetzen?

Erst mal freue ich mich auf unser neues Theaterpro­jekt im April. Wir machen eine Art Talkshow. Zwei Stunden, Filme und Fotos auf der Leinwand, ein Gitarrist macht Musik. Das wird gut. Dann startet die Tournee.

Sie wollen nach der Tournee aufhören. Bleibt’s dabei?

Ja. Ich habe sechs Abschiedst­ourneen gemacht, das wird die Letzte.

Sie sehen es uns nach, wenn wir das nicht glauben.

(lacht) Ich glaub’s auch nicht so ganz.

Was hat der ganze Erfolg eigentlich mit Ihnen als Mensch gemacht?

Ich bin immer auf dem Boden geblieben. Ich glaube, dass ist der Grund, warum ich seit 70 Jahren treue Fans habe. Wenn ich mal ausgeflipp­t bin, war das keine Arroganz, wie mir häufig unterstell­t wurde. Heute würde man es als Krankheit aus Überarbeit­ung bezeichnen. Als Burn-out. Damals musste ein Künstler noch ein Vorbild sein. Jemand, dem man begegnet. Den man anfassen kann, in die Haare greifen, auf die Schulter klopfen. Das war teilweise sehr anstrengen­d. Aber ich habe immer versucht, der Jugend etwas zu geben. Anstand, Höflichkei­t, gepflegtes Aussehen. Ich war Vorbild. Das wird von den Künstlern heute nicht erwartet.

Werden Sie noch nach Autogramme­n gefragt?

Eher nach Selfies. Aber kürzlich sagte ein junges Mädchen: „Herr Kraus, kann ich ein Autogramm haben?“Ich hatte mich riesig gefreut und gefragt, wie sie heißt. Sie sagte: „Das Autogramm ist nicht für mich, es ist für meine Oma.“(lacht). Damit muss ich mit fast 85 Jahren wohl leben.

Früher haben Groupis in Ihrer Garderobe gewartet. Und heute?

(lacht) Meine Frau.

Sie sind seit 55 Jahren mit Ingrid verheirate­t. Was ist Ihr Rezept für eine gute Ehe?

Ich hatte in meiner Jugend sehr heftig nach der idealen Frau gesucht ... Ich habe sie dann gefunden. Wir sind nach wie vor in einer konstant verliebten Beziehung. Wir verbringen viel Zeit miteinande­r. Spaziergän­ge, essen gehen, viel reden.

Sie geben am 25. August 2024 ein Open-Air-Konzert in Altusried. Was erwartet die Fans?

Den genauen Ablauf besprechen wir im Frühjahr. Wir könnten acht Stunden spielen. Wir stellen uns vor jedem Konzert nur die Frage: „Was lassen wir weg?“Aber Altusried wird mit Sicherheit ein Mix aus alten Hits, neuen Songs, viel Entertainm­ent – und natürlich „Sugar Baby“.

 ?? FOTO: TOM WELLER/DPA ?? Peter Kraus geht mit 85 Jahren noch mal auf Tour. Er singt immer noch live. Kraus sagt: „Heute kann man jedes Instrument mit einer Klaviertas­tatur bedienen. Ich kann das nicht ertragen!“
FOTO: TOM WELLER/DPA Peter Kraus geht mit 85 Jahren noch mal auf Tour. Er singt immer noch live. Kraus sagt: „Heute kann man jedes Instrument mit einer Klaviertas­tatur bedienen. Ich kann das nicht ertragen!“
 ?? FOTO: BAUER MEDIA GROUP BRAVO ?? Kraus auf dem Titel der Zeitschrif­t Bravo von 1959. Er sagt: „Damals musste ein Künstler noch ein Vorbild sein.“
FOTO: BAUER MEDIA GROUP BRAVO Kraus auf dem Titel der Zeitschrif­t Bravo von 1959. Er sagt: „Damals musste ein Künstler noch ein Vorbild sein.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany