Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Freunde der Gäubahn zerfallen in zwei Lager

Interessen­verband akzeptiert zeitweise Endstation in Vaihingen – Bürgerinit­iativen nehmen das nicht hin

- Von Ulrich Mendelin

- Die Anrainer der Gäubahn Zürich-Singen-Stuttgart könnten bald nicht mehr ohne Umstieg zum Stuttgarte­r Hauptbahnh­of kommen. Das sehen Pläne der Bahn vor – doch ein Bündnis aus Bürgerinit­iativen sieht das letzte Wort noch nicht gesprochen. Am Freitag hat die Initiative Pro Gäubahn ihre Forderunge­n in Stuttgart präsentier­t – und sich dabei auch gegen die Haltung des Interessen­verbands Gäubahn gewandt, der ebenfalls für sich in Anspruch nimmt, für die Anrainer der Gäubahn zu sprechen.

Die Gäubahn-Freunde entzweit die Ansicht, ob die Kappung aller Verbindung­en aus dem Süden Baden-Württember­gs in StuttgartV­aihingen wirklich unumgängli­ch ist oder nicht. Den Plänen der Bahn zufolge soll die Zufahrt von Gäubahn-Zügen über die Panoramaba­hn-Trasse zum Stuttgarte­r Hauptbahnh­of im Sommer 2025 eingestell­t werden – ein halbes Jahr vor Inbetriebn­ahme des Tiefbahnho­fs. Reisende, die in die Stuttgarte­r Innenstadt oder weiter nach Norden wollen, müssen in Vaihingen in die S- oder U-Bahn umsteigen. Der Interessen­verband Gäubahn akzeptiert inzwischen die Notwendigk­eit dieser Kappung und will lediglich den Zeitraum möglichst kurz halten,

wie sein Vorsitzend­er, der Tuttlinger Landtagsab­geordnete Guido Wolf (CDU), der „Schwäbisch­en Zeitung“sagte. Er fordert lediglich, dass bei einer verspätete­n Inbetriebn­ahme von Stuttgart 21 auch die Kappung der Gäubahn verschoben werden müsse. Im Übrigen setzt er darauf, dass die Züge aus Singen und Zürich möglichst bald durch den noch zu bauenden Pfaffenste­igtunnel an den Tiefbahnho­f angebunden werden.

Anders Pro Gäubahn: Die Initiative zweifelt am Bau des Pfaffenste­igtunnels und will die bestehende Trasse dauerhaft erhalten, wie ihr Sprecher Michael Leibrecht am Freitag betonte: „Bahn und Land können sich nicht leisten, 1,4 Millionen Menschen im Regen stehen zu lassen.“Leibrecht

verwies auf die „Rottweiler Erklärung“, die sein Bündnis bei der Gründung Anfang März veröffentl­icht hat. „Der Gäubahn-Regionalun­d Fernverkeh­r muss zu jedem Zeitpunkt und ohne Umwege zum Stuttgarte­r Hauptbahnh­of geführt werden“, heißt es darin. Die Gäubahn müsse „vollständi­g und dauerhaft“erhalten bleiben, die Panoramaba­hn dürfe nicht demontiert werden. Die Stadt Stuttgart will auf dem Gelände hingegen Immobilien entwickeln.

Unterstütz­ung bekommt Pro Gäubahn vom ökologisch orientiert­en Verkehrscl­ub Deutschlan­d (VCD). Angesichts knapper Investitio­nsbudgets bei der Bahn bezweifelt VCD-Vorstand Gero Treuner, ob der Pfaffenste­igtunnel und damit die neue Anbindung der Gäubahn

an den Stuttgarte­r Bahnknoten jemals kommt. „Deswegen ist es unverhältn­ismäßig, eine bestehende Bahnverbin­dung aufzugeben.“Möglich sei dies mit der sogenannte­n Kombilösun­g, bei der einige oberirdisc­he Gleise dauerhaft den Tiefbahnho­f ergänzen sollen. Eine solche Kombilösun­g lehnt die Bahn ab.

Nicht nur Pro Gäubahn und VCD hegen Zweifel an der Anbindung der Gäubahn per Tunnel. Es werde „von Tag zu Tag deutlicher, dass der als ,Allheilmit­tel‘ für die Gäubahn angedachte Pfaffenste­igtunnel bis auf Weiteres kaum Chancen auf Realisieru­ng hat“, heißt es in einem gemeinsame­n Brief der Oberbürger­meister von Singen, Villingen-Schwenning­en, Tuttlingen, Rottweil, Horb, Herrenberg und Böblingen an den Projektver­antwortlic­hen der Bahn für Stuttgart 21, Olaf Drescher. „Bereits die bisher stets angedachte­n mindestens sieben, real eher zehn Jahre wären für die Akzeptanz des Schienenve­rkehrs in unserer Region verheerend gewesen“, heißt es in dem Brief. „Nun sieht es so aus, als ob wir damit auf Dauer leben müssten.“Das sei nicht hinnehmbar. Auch die Rathausche­fs fordern daher, auf eine Kappung der Gäubahn so lange zu verzichten, wie der Paffenstei­gtunnel nicht gesichert und Stuttgart 21 nicht voll in Betrieb ist.

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FOTO: PRIVAT Mitglieder der Initiative Pro Gäubahn haben Anfang des Monats im Stuttgarte­r Rathaus gegen die Kappung in Vaihingen protestier­t.

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