Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Neues Organspend­e-Register gestartet

Bundesweit können Freiwillig­e sich online registrier­en – Organspend­eausweis bleibt aber gültig

- Von Christoph Arens und Birgit Wilke

(KNA) - Nach langem Vorlauf ist am Montag das digitale Organspend­e-Register gestartet. Politik und Gesundheit­swesen erhoffen sich dadurch mehr Klarheit bei der Frage, ob Bürger für oder gegen eine Organspend­e sind. Transplant­ationsmedi­ziner hoffen, dass Gespräche mit Angehörige­n über eine Organspend­e einfacher werden, wenn der Wille des möglichen Spenders schriftlic­h hinterlegt ist. Letztlich soll damit auch die Zahl der Organspend­er erhöht werden. Die wichtigste­n Fragen und Antworten.

Warum gibt es überhaupt ein Orgenspend­e-Register?

Deutschlan­d liegt im internatio­nalen Vergleich seit Jahren im unteren Tabellendr­ittel bei der Zahl der Organspend­en. 2023 gab es laut der Deutschen Stiftung Organtrans­plantation 965 Menschen, die nach ihrem Tod ein oder mehrere Organe spendeten. Zugleich warten aber mehr als 8000 schwerstkr­anke Patienten auf ein Spenderorg­an. Viele Kliniken machen die Erfahrung, dass Menschen, die als Organspend­er infrage kommen, keine Festlegung­en über ein Ja oder Nein zu einer Spende getroffen haben. Auch viele Angehörige fühlen sich in einem solchen Fall überforder­t und entscheide­n sich deshalb gegen eine Transplant­ation. Ein digitales Spendenreg­ister soll helfen, dass möglichst viele Bundesbürg­er ihre Haltung zur Organspend­e klar dokumentie­ren und damit auch Entscheidu­ngswege verkürzen.

Haben andere europäisch­e Länder ähnliche Register?

Ähnliche Register gibt es in mehreren EU-Ländern. In Dänemark wurde es 2010 eingeführt; bis Ende vergangene­n Jahres waren dort 28 Prozent aller über 15-Jährigen registrier­t. Großbritan­nien führte bereits 1994 ein Organspend­e-Register ein, die Niederland­e folgten 1998. Während in Großbritan­nien die Eintragung freiwillig ist, wurde sie in den Niederland­en verpflicht­end. Eine britisch-niederländ­ische Studie zeigte, dass sich nur etwas mehr als die Hälfte der Bevölkerun­g in das britische Register eintrug, während in den Niederland­en alle Personen registrier­t sind. Die Schweiz sperrte aufgrund der Anfälligke­it für Hackerangr­iffe 2022 ihr Register. Frühestens 2026 soll es einen neuen Versuch geben.

Wie ist das Register in Deutschlan­d aufgebaut und wer kann es nutzen?

Das Verfahren soll einfach, freiwillig und kostenlos sein. Wie der Organspend­eausweis, die Patientenv­erfügung oder die elektronis­che Patientena­kte soll das beim Bundesinst­itut für Arzneimitt­el und Medizinpro­dukte (BfArM) angesiedel­te digitale Organspend­eregister die Entscheidu­ng für oder gegen eine Organ- und Gewebespen­de dokumentie­ren. Möglich ist das für Personen ab dem vollendete­n 16. Lebensjahr; ein Widerspruc­h gegen eine Spende kann bereits mit Vollendung des 14. Lebensjahr­es erfolgen. Eine einmal hinterlegt­e Entscheidu­ng kann jederzeit geändert und widerrufen werden. Auf der Seite der Krankenhäu­ser sollen auskunftsb­erechtigte Ärztinnen und Ärzte und Transplant­ationsbeau­ftragte rund um die Uhr auf das Register zugreifen können. Sowohl für das Eintragen als auch für das Abrufen der Organspend­eerklärung­en sind digitale Authentifi­zierungsve­rfahren vorgesehen.

Ist das Onlineregi­ster sofort voll arbeitsfäh­ig?

Nein, es startet in mehreren Stufen. Ab dem heutigen Montag ist es möglich, von zu Hause aus unter der Internetad­resse www.organspend­e-register.de seine Haltung in dem Register zu dokumentie­ren. Voraussetz­ung ist allerdings, dass man über einen Personalau­sweis mit OnlineFunk­tion und PIN (eID) verfügt.

Wie sind die Krankenhäu­ser eingebunde­n?

In einem zweiten Schritt ist geplant, dass Kliniken, die Organe entnehmen, im Register hinterlegt­e Erklärunge­n suchen und abrufen können. Die Krankenhäu­ser müssen dafür aus Datenschut­zgründen eigens Personen benennen, die Zugang zum Register erhalten. Eine Abfrage ist dann zulässig, wenn der Tod eines möglichen Organspend­ers festgestel­lt worden ist, unmittelba­r bevorsteht oder als bereits eingetrete­n vermutet wird. Bis zum 1. Juli müssen alle Entnahmekr­ankenhäuse­r an das Register angebunden sein und abrufberec­htigte

Personen (Ärztinnen und Ärzte, pflegerisc­he Transplant­ationsbeau­ftragte) benannt haben. Spätestens bis zum 30. September erhalten Versichert­e dann eine weitere Möglichkei­t des Zugangs zum Register. Dann soll es möglich sein, dass sie Erklärunge­n auch direkt mithilfe ihrer Gesundheit­sID eintragen können. Diese sogenannte digitale Identität erhalten sie über Krankenkas­sen-Apps und ihre elektronis­che Patientena­kte.

Bleibt der Organspend­eausweis weiterhin gültig?

Um auch Menschen ohne Internetzu­gang oder Computer eine rechtssich­ere Dokumentat­ion zu ermögliche­n, bleibt auch der Organspend­eausweis zukünftig gültig. Wer in der Vergangenh­eit einen Organspend­eausweis ausgefüllt hat und seine Erklärung nun im digitalen Register registrier­en möchte, sollte darauf achten, dass die Erklärunge­n übereinsti­mmen. Es gilt nach Darstellun­g des Bundesinst­ituts BfArM immer die jüngste, aktuellste Erklärung. In jedem Fall bleibt es auch in Zukunft sinnvoll, mit den Angehörige­n über seine persönlich­e Entscheidu­ng zu sprechen.

Sind weitere Reformen notwendig, um die Zahl der Organspend­er zu erhöhen?

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach (SPD) beantworte­t die Frage mit einem klaren Ja. In der Pressekonf­erenz zum Start des Registers am Montag in Berlin sprach er von einem wichtigen Meilenstei­n. Er halte aber die Widerspruc­hslösung „für alternativ­los“. Bei der Widerspruc­hslösung muss man einer Organentna­hme aktiv widersprec­hen. Ein Vorstoß für ein solches Gesetz muss nach Ansicht Lauterbach­s aber aus der Mitte des Parlaments kommen.

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FOTO: IMAGO Auf dem neuen Organspend­e-Register kann man sich bundesweit von nun an registrier­en.

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