Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Funken über eine Distanz von 72.000 Kilometer
Amateurfunker stellen Verbindung zwischen Laupheim und Baunatal über geostationären Satelliten her
- Die Funkverbindung zwischen Laupheim und Baunatal steht: Oberbürgermeister Ingo Bergmann greift zum Mikrofon und begrüßt den ersten Stadtrat Daniel Jung. 350 Kilometer Luftlinie liegen zwischen dem Ortsverband Laupheim (P49) und dem Hauptsitz des Deutschen-Amateur-Radio-Clubs (DARC) in der hessischen Stadt. Das Signal, über das die beiden Amtsträger kommunizieren, legt in deutlich weniger als einer Sekunde von einem Funkgerät zum anderen eine Entfernung von rund 72.000 Kilometern zurück. Möglich ist dies dank eines geostationären Satelliten, den die Amateurfunker für ihre Verbindung nutzen.
„Wir wollen zeigen, dass bei einem großflächigen Ausfall der Kommunikation trotzdem Verbindungen über die halbe Erdoberf läche aufgebaut werden können“, sagt Uwe Kottmann, Vorsitzender der Laupheimer Funker. Von einem softwarebasierten Funkgerät mit wenigen Watt wird ein Signal an die Satellitenschüssel auf dem Dach des Ortsverbands in Untersulmetingen weitergegeben und an den katarischen Fernseh- und Amateurfunksatelliten Es’hail 2 gesendet.
Der im Funkersprech Qatar-Oscar-100 (QO-100) genannte Satellit wurde am 15. November 2018 vom Kennedy Space Center ins All geschossen. Seither umkreist er auf einer Höhe von rund 36.000 Kilometern unsere Erde – 3000 Meter legt der Satellit dabei pro Sekunde zurück. „Da sich die Erde genauso schnell unter dem Satelliten wegdreht, scheint er von der Erdoberfläche aus gesehen stillzustehen“, schildert der Vorsitzende Uwe Kottmann. Funkamateure aus Europa, Afrika und Teilen Asiens sowie Südamerikas können den Satellit per Funk erreichen.
Die Satellitenanlage der Laupheimer Amateurfunker haben
die Vereinsmitglieder Jürgen Hermann und Horst Wilhelm gebastelt. „Wir dürfen unsere Funkanlagen selbst bauen, müssen diese aber von der Bundesnetzagentur genehmigen lassen“, erläutert Peter Christ, zweiter Vorsitzender. Um das Hobby ausüben zu können, bedarf es außerdem einer Amateurfunklizenz. Diese besitzen rund 72.000 Menschen in Deutschland. Rund 33.000 davon sind im DARC organisiert. Der Verband gliedert sich in rund 1000 Ortsverbände, dazu gehört auch der P49. Rund dreißig Mitglieder hat der 1981 gegründete
Verein aktuell. Während der eine lieber bastelt, ist der andere mehr an Kommunikation interessiert – oder an beidem. „Ich baue alle meine Funkanlagen selbst, das macht mir genauso viel Spaß wie das Funken“, sagt Vereinsmitglied Udo Häußler.
In allen Ländern weltweit, mit Ausnahme von Nordkorea, sind Amateurfunker vertreten. „Der Amateurfunk dient der Völkerverständigung. Man kann über alles reden, außer über Politik“, erläutert Christ. So soll vermieden werden, dass Funker in Ländern, in denen es keine oder eine eingeschränkte Meinungsfreiheit gibt, in Schwierigkeiten kommen. Auch die Internationale Raumstation ISS, die Neumayer-Forschungsstation in der Antarktis und das Forschungsschiff Polarstern verfügen über Amateurfunkstationen. In Not- und Katastrophensituationen leisten Amateurfunker auch Hilfe über ihr Kommunikationsnetz.
Darum besteht zwischen den Amateurfunkern und der Stadt Laupheim seit einiger Zeit eine Kooperation: Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine und den damit verbundenen befürchteten Engpässen in der Energieversorgung wurde mit der Feuerwehr Laupheim ein Notfunkkonzept erstellt. Bei einem Ausfall der Kommunikationseinrichtungen
Mobilfunk, Telefon und Internet können Information aus der Bevölkerung über das Netz der Amateurfunker an die Rettungskräfte weitergegeben werden. „Wir können nicht nur mit der Kurzwellen-, sondern auch über moderne Satellitentechnologie funken“, sagt Christ.
Um dies zu präsentieren, haben die Funker eine Standleitung zwischen Laupheim und dem Hauptsitz des DARC im Baunatal eingerichtet. „Wir haben sehr engagierte Menschen hier und arbeiten gern mit den Funkern zusammen. Im letzten Jahr haben wir für uns einen Notfunk eingerichtet, was in Krisenzeiten mehr als notwendig erscheint“, schildert OB Bergmann am Funkgerät. Sein Gegenüber, Baunatals erster Stadtrat Daniel Jung, zollt dafür Respekt. „Da seid ihr uns wirklich schon ein Stück voraus“, entgegnet er. Die Stadt Baunatal wolle das Thema Notfunk nun ebenfalls angehen. Nach dem Informationsaustausch halten die beiden Amtsträger über die leicht rauschende Verbindung noch einen Plausch – die sportliche Leistung der lokalen Sportvereine liefert Gesprächsstoff.
Im Anschluss dürfen auch noch Laupheims Feuerwehrkommandant Andreas Bochtler und Andreas Wohszab vom Amt für Brand und Katastrophenschutz
im Landratsamt Biberach ans Funkgerät und können sich fachlich mit dem Stadtrat austauschen. Für beide steht fest: Von der Kooperation mit den Amateurfunkern kann der Katastrophenschutz im Ernstfall profitieren. „Das Netz der Amateurfunker ist die Ausfallsicherheit, wenn die Kommunikationsmittel der Bürger versagen sollten“, sagt Bochtler. Sollte es zu einem Blackout kommen, könnten sich die Bürgerinnen und Bürger direkt an die Amateurfunker wenden, die mit Plakaten auf sich aufmerksam machen. Sie nehmen die Nachricht auf und setzen per Funk einen Notruf ab.
„Wir hoffen natürlich, dass wir das nicht brauchen. Aber im Ernstfall ist es gut, auf diese Strukturen zurückgreifen zu können“, sagt Ingo Bergmann. Für ihn war es bereits der zweite Besuch bei den Amateurfunkern. „Es ist eine ganz eigene Welt“, zeigt sich der OB beeindruckt. Besonders spannend sei für ihn zu sehen gewesen, wie sich die Funktechnologie über die Jahre weiterentwickelt hat.