Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Winfried Kretschmann besucht Museum
Ministerpräsident sieht neue Dauerausstellung als Vermächtnis für die Zukunft
„Die neue Dauerausstellung im Museum ist sehr wichtig, weil man in der Geschichte der Stadt wie in einem Brennglas die Geschichte der Juden in Deutschland erleben kann“,
- Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen) hat am Freitag das Museum zur Geschichte von Christen und Juden im Schloss Großlaupheim besucht. Anlass dafür war die neue Dauerausstellung. Anschließend ging es für den Ministerpräsidenten weiter nach Biberach, wo er bei einem politischen Abend unter anderem mit Innenminister Thomas Strobl (CDU) über die Ausschreitungen am Aschermittwoch der Grünen diskutierte (mehr dazu auf Seite 2).
Die Stimmung ist gespannt vor dem Museum in Laupheim am Freitagnachmittag. Um 17 Uhr hätte Winfried Kretschmann eigentlich in Laupheim ankommen sollen. Doch der Ministerpräsident verspätet sich um rund eine halbe Stunde. Der Grund: Stau. Was auch sonst auf der so gerne verstopften Autobahn zwischen Stuttgart und Ulm?
Als Kretschmann dann endlich eintrifft, ist von Hektik, Eile und nervtötendem Stau aber nichts zu spüren. Der Ministerpräsident wirkt etwas abgeschlagen, als er aus dem Auto steigt und in das dunkelgraue Jackett schlüpft. Doch er scheint bester Laune, lächelt, plaudert, schüttelt Hände, umarmt Parteigenossinnen.
Kretschmann ist gut vorbereitet auf den Besuch in Laupheim, das er selbst 2016 zur großen Kreisstadt gemacht hat, wie er betont. „Ich hoffe, dass Sie außer der Saatkrähe keine größeren Probleme haben“, spielt er schmunzelnd auf den in Laupheim vielerorts verhassten Vogel an, der erst im Stadtgebiet und seit der Vergrämung im Umland für Ärger sorgt. Hauptsächlich geht Kretschmann aber auf Carl Laemmle ein. So habe er vor ein paar Jahren die Ausstellung zu dem Gründer der Universal Studios im Haus der Geschichte gesehen. „Wer hätte gedacht, dass der Erfinder Hollywoods aus Laupheim kommt?“, stellt er eine Frage, die immer wieder aufkommt in Deutschland, wo Laemmle lange Zeit aus dem kollektiven Gedächtnis verschwunden war. Noch beeindruckender aber als Laemmles Karriere als Filmproduzent findet Kretschmann „die berührende Geschichte, wie er anderen Juden geholfen hat, aus Deutschland zu fliehen“.
sagt Ministerpräsident Winfried Kretschmann. DIESE SEITE
Passenderweise führt Museumsleiter Michael Niemetz den Ministerpräsidenten dann auch zunächst durch die Carl-Laemmle-Ausstellung im Schloss Großlaupheim. Dabei macht er Kretschmann vor allem auf die neueste Errungenschaft der Kultureinrichtung aufmerksam: Ein Originalplakat des Films „College Love“aus dem Jahr 1929. Das Besondere ist aus Sicht des Museumsleiters, dass auf dem seltenen Zeitdokument nicht nur der Name von Carl Laemmle steht, sondern auch der seines Sohnes Carl Laemmle Junior, der den Film produziert hat. „Das ist ganz selten“, sagt Niemetz über das Plakat, das er vor rund zwei Wochen
auf der Plattform Ebay ersteigert hat und das er nun erstmals präsentiert. Wie viel es gekostet hat, will Niemetz auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“nicht verraten. Nur so viel: „Es war ein vierstelliger Betrag.“
Die anschließende Führung durch die in diesem Jahr eröffnete Dauerausstellung „Jüdische Beziehungsgeschichten“übernimmt Cornelia Hecht-Zeiler, künftige Direktorin im Haus der Geschichte Baden-Württemberg und Kuratorin der Ausstellung. Sie macht dabei darauf aufmerksam, wie verflochten das Leben von Juden und Christen in Laupheim einst war, was sich etwa in alten Vereinsfotos zeige
und im Poesiealbum eines jüdischen Kindes, in das sich christliche Freunde eingetragen hatten. Auf ihrer Flucht konnten vertriebene Juden häufig nur wenige Erinnerungsstücke mitnehmen. Es sei ein „unglaublicher Vertrauensbeweis“, Exponate wie dieses wieder in Laupheim zu haben.
Trotz der vielen Gemeinsamkeiten ziehe sich aber ein latenter Antisemitismus wie ein Webfehler durch das Beziehungsgef lecht in Laupheim, ergänzt die scheidende Direktorin im Haus der Geschichte, Paula Lutum-Lenger. Auch das verschweige die Ausstellung nicht.
„Es gibt keinen besseren Ort, um die deutsch-jüdische Geschichte
zu erzählen, vor allem deren Verschwinden“, betont Arne Braun, Staatssekretär im Landesministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Darum sei es wichtig gewesen, dass der Ministerpräsident nach Laupheim kommt.
„Die neue Dauerausstellung im Museum zur Geschichte von Christen und Juden in Laupheim ist sehr wichtig, weil man in der Geschichte der Stadt wie in einem Brennglas die Geschichte der Juden in Deutschland erleben kann“, urteilt Kretschmann. Die Ausstellung betone zudem die große Rolle der Freiheit für alle. Für Kretschmann ist sie deshalb „ein Vermächtnis für die Zukunft“.