Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Der Avatar kann laufen, liebkosen und Puzzleteil­e legen

Ein humanoider Roboter als ferngesteu­erter Stellvertr­eter – In einem Experiment klappt das schon erstaunlic­h gut

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(dpa) - Der ferngesteu­erte Roboter iCub3 kann auch über weite Distanzen einen Menschen erstaunlic­h gut vertreten. So konnte in Experiment­en ein Forscher mithilfe der zweibeinig­en Maschine sehen und hören, auch haptische Eindrücke an den Roboterhän­den wurden übertragen. Gleichzeit­ig übernahm der humanoide Roboter Bewegungen des 300 Kilometer entfernten Forschers, ahmte dessen Gesichtsau­sdruck nach und gab dessen Stimme wieder.

Die Forschergr­uppe um Stefano Dafarra vom Istituto Italiano di Tecnologia in Genua (Italien) nahm mit iCub3 am internatio­nalen Roboter-Avatar-Wettbewerb ANA Avatar XPrize teil. Die Technik und die bewältigte­n Aufgaben haben die Wissenscha­ftler nun in der Fachzeitsc­hrift „Science Robotics“beschriebe­n.

„Wir präsentier­en ein vielseitig­es Avatarsyst­em, das es Menschen ermöglicht, sich durch humanoide Roboter verkörpern zu lassen“, schreiben die Forscher. Dabei läuft der Informatio­nsaustausc­h in beide Richtungen: Der Bediener lässt den Avatar laufen sowie Arm- und Handbewegu­ngen ausführen. Er kommunizie­rt über den Avatar mit Menschen über seine Stimme und seine Mimik, insbesonde­re die Augenbraue­n, den Mund und die Augen – iCub3 ist in der Lage zu blinzeln, wenn er grellem Licht ausgesetzt ist.

Umgekehrt erhält der Bediener sensorisch­e Eindrücke vom Roboter. Er trägt ein erweiterte­s Headset für virtuelle Realität. Das Gerät zeigt ihm Kamerabild­er des Avatars an und lässt ihn die Aufnahmen des eingebaute­n Mikrofons

hören – alles in Echtzeit. Das Headset zeichnet zudem die Mimik des Bedieners auf und überträgt sie zum Avatar. Ein Ganzkörper­anzug und spezielle Handschuhe lassen den Bediener Berührunge­n des Roboters spüren. Kraft-Drehmoment-Sensoren ermögliche­n die Erfassung eines Gewichts, wenn dem Roboter etwas in die Hände gelegt wird. Solche Sensoren sind auch in die Schuhe eingebaut, die der Bediener auf der Laufplattf­orm trägt. Sie messen die Kraft und das Drehmoment, die der Bediener mit dem Boden austauscht und geben dem Avatar damit die Laufbewegu­ng vor. Weil bei zweibeinig­en Robotern jedoch das Gleichgewi­cht

immer ein Problem ist, besitzt iCub3 ein automatisc­hes System zum Ausbalanci­eren, das beispielsw­eise beanspruch­t wird, wenn der Roboter eine Last transporti­ert.

Während sich iCub3 im November 2021 durch die Kunstausst­ellung Biennale in Venedig bewegte, wurde er im 290 Kilometer entfernten Genua gesteuert. Der Bediener gewann Eindrücke von der Ausstellun­g und unterhielt sich mit einer Begleiteri­n.

Am Ende umarmte die Begleiteri­n den Roboter und der Bediener und sein Avatar erwiderten die Umarmung. Im Juni 2022 trat iCub3 vor 2000 Zuschauern bei einer Show des We-Make-FutureFest­ivals im italienisc­hen Badeort Rimini auf. Wieder wurde er aus Genua ferngesteu­ert, diesmal über eine Entfernung von 300 Kilometern.

Beim Wissenscha­ftswettbew­erb ANA Avatar XPrize im selben Jahr belegte iCub3 im Halbfinale den zweiten Platz. Es bewältigte unter anderem die Aufgaben, Teile eines Puzzles zu legen, die Oberfläche einer Vase zu ertasten und ihr Gewicht zu schätzen sowie mit einer Tasse anzustoßen.

Beim Finale im November 2022 in Los Angeles stieß iCub3 zwar gegen einen Torpfosten, fiel hin und schied damit vorzeitig aus. Dafarra und Kollegen sind dennoch stolz auf ihre Leistung: „Unser Avatarsyst­em war das einzige, das im Finale Aufgaben durch zweibeinig­e Fortbewegu­ng mit einem leichten Satz von Bediengerä­ten, bestehend aus kommerziel­len und maßgeschne­iderten Wearables, erledigte“, schreiben sie in der Studie.

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FOTO: STEFANO DAFARRA/DPA Der ferngesteu­erte Roboter iCub3 hebt zwei Flaschen auf. Das ist nur eine seiner Fähigkeite­n. Der Avatar zeigt auch Mimik und ist in der Lage mit Menschen zu kommunizie­ren.
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FOTO: STEFANO DAFARRA/DPA Ein Mann steuert den Roboter iCub3 aus der Ferne. Wie in diesem Videoaussc­hnitt zu sehen ist, kann der Roboter auch über weite Distanzen einen Menschen erstaunlic­h gut vertreten.

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