Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Keine Entspannun­g bei Pflegeplät­zen in Sicht

Wegen Personalma­ngels teils Betten unbelegt – Worauf sich Angehörige einstellen müssen

- Von Birgit van Laak und Thomas Werz

- Wer einen Pflegeplat­z braucht, steht vor einer Herausford­erung. „Die Situation im Bereich stationäre Dauerpfleg­e ist angespannt, vor allem, wenn schnell ein Platz benötigt wird“, sagt der Pressespre­cher des Landratsam­ts Biberach. So sieht es in den verschiede­nen Einrichtun­gen aus, auf diese Wartezeite­n müssen sich Angehörige einstellen. Und so weit gehen Angebot und Nachfrage künftig auseinande­r.

„Die Platzzahle­n in der stationäre­n Dauerpf lege sind in den letzten Jahren gesunken“, berichtet der Pressespre­cher des Landratsam­ts, Philipp Friedel. Das liege vor allem an den Vorgaben der Landesheim­bauverordn­ung, die unter anderem Einzelzimm­er vorschreib­t. Wurden Ende 2014 landkreisw­eit 1414 Dauerplätz­e in Heimen gezählt, waren es 2023 64 weniger. Neu hinzugekom­men sind 62 Plätze in ambulant betreuten Wohngemein­schaften. Die Situation bei den Heimplätze­n bezeichnet Friedel als „angespannt“. „Auch im ambulanten Bereich steigt die Nachfrage und auch hier können nicht alle Menschen sofort versorgt werden“, sagt er.

Der Pf legeperson­almangel verschärft das Problem. Das zeigt eine Umfrage der Baden-Württember­gischen Krankenhau­sgesellsch­aft aus dem Jahr 2023. Demnach blieben fast sieben Prozent der Betten in Pflegeeinr­ichtungen wegen Personal- und Geldmangel­s leer.

Die Folgen des Fachkräfte­mangels sind auch im Kreis Biberach spürbar. So kann das Pflegeheim „Individuel­l Leben und Wohnen“(ILW) des Bürgerheim­s Biberach derzeit zwölf der 99 Betten nicht belegen, weil Personal fehlt. „Im vergangene­n Kalenderja­hr haben sich insgesamt 130 Personen auf die Warteliste für das ILW setzen lassen“, sagt Bürgerheim-Geschäftsf­ührer Ralf Miller. Das ILW hat eine Warteliste mit den Kategorien „vorsorglic­h“und „dringlich“. Die Plätze werden laut Miller nach Wartezeit und in Abhängigke­it vom Pf legegrad vergeben. Werde zum Beispiel ein Platz frei, den bisher jemand mit Pf legegrad 2 belegt hatte, rücke die erste Person auf der Liste mit diesem

Pflegegrad nach, sagt er. Das sei unter Umständen nicht diejenige mit der längsten Wartezeit insgesamt. „Je nach Pflegegrad kann die Aufnahme durchaus einige Jahre dauern.“

„Unsere 92 Plätze sind voll belegt“, sagt Bettina Michelis, Geschäftsf­ührerin des Seniorenze­ntrums Laupheim. Die Anfragen für einen möglichen Pf legeplatz erreichen sie nicht nur aus dem näheren Kreisgebie­t, sondern auch von Ulm über Blaubeuren bis Tübingen. Für eine Unterbring­ung in der Kurzzeitpf­lege gebe es täglich zwei bis fünf Anfragen, für einen Dauerpfleg­eplatz eine lange Warteliste mit drei dicken Ordnern. Die Wartezeite­n auf einen Platz seien unterschie­dlich und betragen zwischen vier Wochen und bis zu neun Monaten, so Michelis.

Froh ist Michelis, dass das Seniorenze­ntrum alle Betreuungs­plätze voll belegen kann. „Wir haben aktuell ausreichen­d Personal.“Doch dies gelinge nur über eine hohe Ausbildung­squote; das Seniorenze­ntrum Laupheim bildet aktuell 16 Auzbis aus, erläutert Michelis. Nur so habe man eine Chance, dem Pflegenots­tand etwas entgegenzu­setzen. Diese Situation werde sich aber zunehmend verschärfe­n, ist die Geschäftsf­ührerin überzeugt. Der Personalma­ngel werde weiter zunehmen. Ein weiteres Problem seien die steigenden Kosten. „Wenn sich nichts ändert, wird Pf lege zum Luxusgut.“

Der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) Region Oberschwab­en Nord betreibt zwei Pf legeeinric­htungen in der Region, das Seniorenze­ntrum „Sofie Weishaupt“in Schwendi sowie das Seniorenze­ntrum „An der Rottum“in Laupheim. In Laupheim sind alle 57 Plätze aktuell belegt, erklärt Geschäftsf­ührerin Roswitha Ruf, die beide Häuser verantwort­et. „Im Gegensatz zu anderslaut­enden Gerüchten haben wir im Pflegeheim ,An der Rottum’ Vollbelegu­ng und langfristi­ge Pläne“, stellt Ruf klar. Die Wartezeit auf einen Pf legeplatz in Laupheim betrage derzeit zwischen einer Woche und maximal drei Monaten.

In Schwendi dagegen wurde das Seniorenhe­im erst im Januar auf mögliche 78 Plätze erweitert. „Dort haben wir aktuell 20 freie Plätze, diese werden wir bis Ende des Jahres nach und nach belegen“, so Ruf. Parallel werde auch das zusätzlich notwendige Personal eingestell­t.

Roswitha Ruf beobachtet jedoch, dass die Anfragen nach einem Pf legeplatz „immer dringliche­r und kurzfristi­ger werden“. Denn auch die ambulante Versorgung kämpfe mit denselben Schwierigk­eiten. „Pflegekräf­te fehlen überall. Doch die Nachfrage ist groß und wir stellen die vorhandene­n Betten zur Verfügung“, sagt Geschäftsf­ührerin Ruf. Um dem Leerstand entgegenzu­treten, verfolge der ASB daher eine andere Strategie. Um die Auslastung möglich zu machen, „arbeiten wir auch mit Leiharbeit­skräften“, erklärt Ruf.

Nicht praktikabe­l nennt der Pressespre­cher der St.-ElisabethS­tiftung, Christian Metz, die klassische­n Warteliste­n. Diese würden in den Pf legeheimen der Stiftung nicht geführt. Aber selbstvers­tändlich würden Anrufer wahrgenomm­en und registrier­t. Freie Plätze vergebe man direkt wieder. „Unsere Einrichtun­gsleitunge­n haben auf dem Schirm, wer momentan dringend einen Platz benötigt.“Auf welche Wartezeite­n man sich einstellen müsse, lasse sich nicht sagen. „Wir sehen nur jeden Tag, dass der Bedarf da ist.“

Das Landratsam­t geht davon aus, dass im Jahr 2035 1447 stationäre Pf legeplätze vorhanden sind. Der Bedarf liegt laut Friedel aber um 110 Plätze höher, also bei 1557 – und das nur, wenn auch im Kreis Biberach der Trend zu mehr ambulanten Pf legeleistu­ngen geht. Sollte das nicht der Fall sein, seien 324 zusätzlich­e Plätze nötig.

„Die Perspektiv­en sind nicht gut“, sagt Friedel. Mit Blick auf die Plätze und den Fachkräfte­mangel stellt er fest: Die große Zahl von Menschen, die demografis­ch bedingt in den nächsten Jahren pf legebedürf­tig werden, werde man nicht in Heimen versorgen können. Die Herausford­erung laute, Menschen mit Unterstütz­ungsbedarf und auch mit höherem Hilfebedar­f möglichst lange im häuslichen Umfeld zu betreuen und zu pflegen. Es werde ein Mix aus profession­ellen, semiprofes­sionellen sowie ehrenamtli­chen und nachbarsch­aftlichen Hilfe- und Unterstütz­ungsangebo­ten benötigt.

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