Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Stiftung ermöglicht Netzwerk gegen Kinderarmut
Finanzspritze bricht Widerstand gegen Teilnahme am Förderaufruf des Landes
- Ein Präventionsnetzwerk gegen Kinderarmut kann nun doch bald seine Arbeit im Landkreis Biberach aufnehmen. Die nötige Mehrheit im Kreistag ermöglichte das Engagement der „Stiftung BC – gemeinsam für eine bessere Zukunft“der Kreissparkasse Biberach.
Nach dem einstimmigen Votum im Kreistag kann sich der Landkreis nun wie 22 andere Landkreise zuvor am Förderaufruf des Sozialministeriums beteiligen. Teil der Antragstellung ist auch eine Skizzierung der bestehenden Angebotslandschaft im Landkreis in Form einer Präventionskette. Als Nächstes soll zügig eine Koordinierungsstelle (50 Prozent) besetzt und eine Steuerungsgruppe aus Mitgliedern des Landratsamts und freier Träger eingerichtet werden. Am Ende des zweijährigen, ersten Förderbausteins sollen dann die bisher im Landkreis fehlenden Strukturen im Kampf gegen Kinderarmut geschaffen und Lücken in der Präventionskette identifiziert sein.
Den entscheidenden Impuls für die Realsierung des Netzwerks setzte Martin Bücher (Foto: Kreissparkasse Biberach). Der Vorstandsvorsitzende der Kreissparkasse sei durch Berichte auf die Probleme bei der Gründung des Netzwerks aufmerksam geworden und daraufhin aktiv mit einem Unterstützungsangebot an Landrat Mario Glaser herangetreten, teilt die Kreissparkasse auf Nachfrage mit. „Meist werden Projekte in einzelnen Gemeinden oder Ortschaften von den dort ansässigen Vereinen angefragt und durch die Stiftung gefördert. Das Projekt zum Netzwerk für Kinderarmut wird landkreisweit umgesetzt und findet dadurch in allen Gemeinden Wirksamkeit. Solche sozialen Projekte gibt es eher selten.
Aufgrund der sehr breiten Wirksamkeit engagieren wir uns hierbei gerne“, sagt Bücher.
Aus den Zinserträgen der 1996 gegründeten Stiftung werden soziale und kulturelle Aktionen von Vereinen, Einrichtungen und gemeinnützigen Institutionen im Landkreis Biberach unterstützt. Dabei werde auf eine faire Verteilung der Spenden geachtet. „Für eine starke Gemeinschaft braucht es auch eine zukunftsfeste Perspektive der Kleinsten in unserer Gesellschaft. Dafür sind Chancenreichtum und Gleichberechtigung von Nöten, beides steht aber in Abhängigkeit zu finanziellen Mitteln. Armut darf kein Stolperstein für die Entwicklung unserer Kinder sein“, verdeutlicht Bücher, dass das Engagement dem Stiftungszweck entspricht.
Im Jugendhilfeausschuss Ende März hatte der Antrag zwar eine Mehrheit gefunden, die Vertreter der beiden größten Fraktionen, CDU und Freie Wähler-Vereinigung, hatten jedoch dagegen gestimmt. Landrat Glaser zeigte nun in der Kreistagssitzung Verständnis für die Sorge, dass sich der Landkreis mit dem Aufbau eines Netzwerks „ein weiteres Thema ans Bein bindet und Bürokratie aufbaut“. Andererseits handle es sich hier um ein wichtiges Thema und er habe seine Zweifel, ob es sinnvoll sei, „diesen Kampf hier auszutragen“.
Dietmar Holstein (FWV) äußerte wie schon im Ausschuss seine Bedenken. Kinderarmut müsse bekämpft werden, stellte er fest. Doch das könne auch innerhalb der bereits bestehenden Strukturen
gelingen. Außerdem verwies der Dürmentinger Bürgermeister auf die vielen Vereinsangebote im ländlichen Raum. „Elementar ist aber die Überzeugung der Familien, dass sie sich einbringen wollen“, sagte Holstein. „Wir werden dem Kompromiss zustimmen, erwarten aber Ergebnisse.“Roland Wersch (CDU) verwies ebenfalls darauf, dass der Landkreis bereits gut aufgestellt sei und bezweifelte, dass der große Aufwand zielführend sei.
„Schön, dass in Dürmentingen Milch und Honig fließen“, sagte Simon Özkeles (SPD) und betonte, dass Armut schambehaftet und nicht immer sichtbar sei. „Mir würden viele andere Stellen einfallen, bei denen man den Rotstift ansetzen könnte, aber nicht bei diesem Thema.“
Monika Koros-Steigmiller (Frauen) wollte anschließend von Sozialdezernentin Petra Alger wissen, ob sie das Thema für wichtig halte. Es gebe ja bereits Einrichtungen wie die CaritasStiftung „Kinder in Not“oder den Hilfsfonds „1:1 Mensch für Mensch“.
Petra Alger hatte bereits im Ausschuss für die Teilnahme am Förderaufruf geworben und tat dies nun erneut. Die Träger Freier Wohlfahrtspflege wie die Caritas würden darauf warten, dass es eine Gesamtstrategie gibt. „Wir sehen die Chance, Grundstrukturen aufzubauen und alle Akteure an einen Tisch zu bekommen“, sagte sie. Zudem bemerkte die Dezernentin, dass es zwar in den Städten stabile Angebote gebe, die Situation auf dem f lachen Land aber schwierig sei. Außerdem gab sie zu bedenken, dass es viel Überwindung koste, selbst um Hilfe zu bitten. „Es geht auch ums Sensibilisieren, denn welche Familie klopft schon gerne selbst ans Vereinsheim“, sagte sie. „Wie kommt das Kind zur Leistung“, sei die zentrale Frage und hier erwarte sie einen Mehrwert durch das Netzwerk.
Letztlich stimmten alle Kreisräte dem Beschlussvorschlag zu. Landrat Glaser sagte: „Nun wollen wir die ersten zwei Jahre hinter uns bringen und dann entscheiden, wie es weitergeht.“
Die Stiftung der Kreissparkasse unterstützt das Projekt nun nach Angaben des Landratsamts mit bis zu 50.000 Euro pro Jahr. Der Betrag übersteigt die jährlichen Kosten für den Landkreis, die sich nach Abzug der Landesförderung auf rund 41.500 Euro beläuft, verteilt auf die Jahre 2024 bis 2026. Der Zeitraum der Unterstützung sei noch nicht final bestimmt worden, sagt Martin Bücher und ergänzt: „Nach der Zustimmung durch den Kreistag soll ein geeignetes Konzept abgestimmt werden.“Voraussichtlich solle zunächst eine Zusage für drei Jahre erfolgen, so der Vorstandsvorsitzende.