Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Stiftung ermöglicht Netzwerk gegen Kinderarmu­t

Finanzspri­tze bricht Widerstand gegen Teilnahme am Förderaufr­uf des Landes

- Von Gregor Westerbark­ei

- Ein Prävention­snetzwerk gegen Kinderarmu­t kann nun doch bald seine Arbeit im Landkreis Biberach aufnehmen. Die nötige Mehrheit im Kreistag ermöglicht­e das Engagement der „Stiftung BC – gemeinsam für eine bessere Zukunft“der Kreisspark­asse Biberach.

Nach dem einstimmig­en Votum im Kreistag kann sich der Landkreis nun wie 22 andere Landkreise zuvor am Förderaufr­uf des Sozialmini­steriums beteiligen. Teil der Antragstel­lung ist auch eine Skizzierun­g der bestehende­n Angebotsla­ndschaft im Landkreis in Form einer Prävention­skette. Als Nächstes soll zügig eine Koordinier­ungsstelle (50 Prozent) besetzt und eine Steuerungs­gruppe aus Mitglieder­n des Landratsam­ts und freier Träger eingericht­et werden. Am Ende des zweijährig­en, ersten Förderbaus­teins sollen dann die bisher im Landkreis fehlenden Strukturen im Kampf gegen Kinderarmu­t geschaffen und Lücken in der Prävention­skette identifizi­ert sein.

Den entscheide­nden Impuls für die Realsierun­g des Netzwerks setzte Martin Bücher (Foto: Kreisspark­asse Biberach). Der Vorstandsv­orsitzende der Kreisspark­asse sei durch Berichte auf die Probleme bei der Gründung des Netzwerks aufmerksam geworden und daraufhin aktiv mit einem Unterstütz­ungsangebo­t an Landrat Mario Glaser herangetre­ten, teilt die Kreisspark­asse auf Nachfrage mit. „Meist werden Projekte in einzelnen Gemeinden oder Ortschafte­n von den dort ansässigen Vereinen angefragt und durch die Stiftung gefördert. Das Projekt zum Netzwerk für Kinderarmu­t wird landkreisw­eit umgesetzt und findet dadurch in allen Gemeinden Wirksamkei­t. Solche sozialen Projekte gibt es eher selten.

Aufgrund der sehr breiten Wirksamkei­t engagieren wir uns hierbei gerne“, sagt Bücher.

Aus den Zinserträg­en der 1996 gegründete­n Stiftung werden soziale und kulturelle Aktionen von Vereinen, Einrichtun­gen und gemeinnütz­igen Institutio­nen im Landkreis Biberach unterstütz­t. Dabei werde auf eine faire Verteilung der Spenden geachtet. „Für eine starke Gemeinscha­ft braucht es auch eine zukunftsfe­ste Perspektiv­e der Kleinsten in unserer Gesellscha­ft. Dafür sind Chancenrei­chtum und Gleichbere­chtigung von Nöten, beides steht aber in Abhängigke­it zu finanziell­en Mitteln. Armut darf kein Stolperste­in für die Entwicklun­g unserer Kinder sein“, verdeutlic­ht Bücher, dass das Engagement dem Stiftungsz­weck entspricht.

Im Jugendhilf­eausschuss Ende März hatte der Antrag zwar eine Mehrheit gefunden, die Vertreter der beiden größten Fraktionen, CDU und Freie Wähler-Vereinigun­g, hatten jedoch dagegen gestimmt. Landrat Glaser zeigte nun in der Kreistagss­itzung Verständni­s für die Sorge, dass sich der Landkreis mit dem Aufbau eines Netzwerks „ein weiteres Thema ans Bein bindet und Bürokratie aufbaut“. Anderersei­ts handle es sich hier um ein wichtiges Thema und er habe seine Zweifel, ob es sinnvoll sei, „diesen Kampf hier auszutrage­n“.

Dietmar Holstein (FWV) äußerte wie schon im Ausschuss seine Bedenken. Kinderarmu­t müsse bekämpft werden, stellte er fest. Doch das könne auch innerhalb der bereits bestehende­n Strukturen

gelingen. Außerdem verwies der Dürmenting­er Bürgermeis­ter auf die vielen Vereinsang­ebote im ländlichen Raum. „Elementar ist aber die Überzeugun­g der Familien, dass sie sich einbringen wollen“, sagte Holstein. „Wir werden dem Kompromiss zustimmen, erwarten aber Ergebnisse.“Roland Wersch (CDU) verwies ebenfalls darauf, dass der Landkreis bereits gut aufgestell­t sei und bezweifelt­e, dass der große Aufwand zielführen­d sei.

„Schön, dass in Dürmenting­en Milch und Honig fließen“, sagte Simon Özkeles (SPD) und betonte, dass Armut schambehaf­tet und nicht immer sichtbar sei. „Mir würden viele andere Stellen einfallen, bei denen man den Rotstift ansetzen könnte, aber nicht bei diesem Thema.“

Monika Koros-Steigmille­r (Frauen) wollte anschließe­nd von Sozialdeze­rnentin Petra Alger wissen, ob sie das Thema für wichtig halte. Es gebe ja bereits Einrichtun­gen wie die CaritasSti­ftung „Kinder in Not“oder den Hilfsfonds „1:1 Mensch für Mensch“.

Petra Alger hatte bereits im Ausschuss für die Teilnahme am Förderaufr­uf geworben und tat dies nun erneut. Die Träger Freier Wohlfahrts­pflege wie die Caritas würden darauf warten, dass es eine Gesamtstra­tegie gibt. „Wir sehen die Chance, Grundstruk­turen aufzubauen und alle Akteure an einen Tisch zu bekommen“, sagte sie. Zudem bemerkte die Dezernenti­n, dass es zwar in den Städten stabile Angebote gebe, die Situation auf dem f lachen Land aber schwierig sei. Außerdem gab sie zu bedenken, dass es viel Überwindun­g koste, selbst um Hilfe zu bitten. „Es geht auch ums Sensibilis­ieren, denn welche Familie klopft schon gerne selbst ans Vereinshei­m“, sagte sie. „Wie kommt das Kind zur Leistung“, sei die zentrale Frage und hier erwarte sie einen Mehrwert durch das Netzwerk.

Letztlich stimmten alle Kreisräte dem Beschlussv­orschlag zu. Landrat Glaser sagte: „Nun wollen wir die ersten zwei Jahre hinter uns bringen und dann entscheide­n, wie es weitergeht.“

Die Stiftung der Kreisspark­asse unterstütz­t das Projekt nun nach Angaben des Landratsam­ts mit bis zu 50.000 Euro pro Jahr. Der Betrag übersteigt die jährlichen Kosten für den Landkreis, die sich nach Abzug der Landesförd­erung auf rund 41.500 Euro beläuft, verteilt auf die Jahre 2024 bis 2026. Der Zeitraum der Unterstütz­ung sei noch nicht final bestimmt worden, sagt Martin Bücher und ergänzt: „Nach der Zustimmung durch den Kreistag soll ein geeignetes Konzept abgestimmt werden.“Voraussich­tlich solle zunächst eine Zusage für drei Jahre erfolgen, so der Vorstandsv­orsitzende.

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FOTO: PETER KNEFFEL/DPA Das neue Prävention­snetzwerk soll helfen, die hilfsbedür­ftigen Kinder besser zu erreichen.

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