Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Tabubruch unter Milchbauern
Wenn es um die Industrialisierung in der Landwirtschaft geht, kennen die Befürchtungen der nicht-bäuerlichen Gesellschaft meist keine Grenzen. Doch im Fall der vier Ostracher Bauern, die zusammen einen Kuhstall mit 1000 Rindviehchern planen, haben die benachbarten Landwirte protestiert. Sie fürchten allerdings nicht um das Tierwohl in überdimensionierten Ställen oder die Nitratbelastung der Böden durch Abertonnen von ausgebrachter Gülle.
Nein. Sie fürchten die Konkurrenz. Was die vier aus Ostrach vorhaben ist für die umliegenden Kleinbauern eine Art Tabubruch. In ihren Augen machen die Megastall-Bauern künftig die Preise kaputt: einerseits den Milchpreis, weil sie wesentlich billiger produzieren können als ihre Nachbarn; andererseits den Pachtpreis für landwirtschaftliche Fläche, denn sie brauchen viel Land, um Futter anzubauen.
Der Schritt zu einem Stall mit 1000 Milchkühen ist für süddeutsche Verhältnisse gewaltig. Im Durchschnitt werden im Norden und Osten Deutschlands bis zu fünfmal mehr Kühe pro Betrieb gehalten als in Bayern und Baden-Württemberg. Gegen die Billigmilch-Konkurrenz von dort hatte man sich im Süden bislang mit Qualitätsmerkmalen über Wasser halten können. Bezeichnungen wie „Bergbauernmilch“konnten einen etwas höheren Preis rechtfertigen. Doch wenn die Bergbauernmilch künftig auch von Massenbetrieben mit viel niedrigeren Produktionskosten billig zu bekommen ist, wird es für die kleinen landwirtschaftlichen Betriebe noch schwieriger, ihre teurere Milch zu verkaufen.
Erschwerend kommt hinzu: Ab 1. April fällt die Milchquote in der Europäischen Union. Viele befürchten dann einen Milchpreisverfall. Wenn jeder Betrieb bis zur obersten Leistungsgrenze Milch produzieren darf, wird es ein Überangebot geben. Dann überlebt nur noch, wer am effizientesten produziert. Wer den kleinbäuerlichen Charakter der süddeutschen Landschaft jedoch auch in Zukunft bewahren will, sollte dies künftig mit seiner Entscheidung am Kühlregal im Supermarkt zeigen.