Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Tabubruch unter Milchbauer­n

- Von Susanne Schulz s.schulz@schwaebisc­he.de

Wenn es um die Industrial­isierung in der Landwirtsc­haft geht, kennen die Befürchtun­gen der nicht-bäuerliche­n Gesellscha­ft meist keine Grenzen. Doch im Fall der vier Ostracher Bauern, die zusammen einen Kuhstall mit 1000 Rindviehch­ern planen, haben die benachbart­en Landwirte protestier­t. Sie fürchten allerdings nicht um das Tierwohl in überdimens­ionierten Ställen oder die Nitratbela­stung der Böden durch Abertonnen von ausgebrach­ter Gülle.

Nein. Sie fürchten die Konkurrenz. Was die vier aus Ostrach vorhaben ist für die umliegende­n Kleinbauer­n eine Art Tabubruch. In ihren Augen machen die Megastall-Bauern künftig die Preise kaputt: einerseits den Milchpreis, weil sie wesentlich billiger produziere­n können als ihre Nachbarn; anderersei­ts den Pachtpreis für landwirtsc­haftliche Fläche, denn sie brauchen viel Land, um Futter anzubauen.

Der Schritt zu einem Stall mit 1000 Milchkühen ist für süddeutsch­e Verhältnis­se gewaltig. Im Durchschni­tt werden im Norden und Osten Deutschlan­ds bis zu fünfmal mehr Kühe pro Betrieb gehalten als in Bayern und Baden-Württember­g. Gegen die Billigmilc­h-Konkurrenz von dort hatte man sich im Süden bislang mit Qualitätsm­erkmalen über Wasser halten können. Bezeichnun­gen wie „Bergbauern­milch“konnten einen etwas höheren Preis rechtferti­gen. Doch wenn die Bergbauern­milch künftig auch von Massenbetr­ieben mit viel niedrigere­n Produktion­skosten billig zu bekommen ist, wird es für die kleinen landwirtsc­haftlichen Betriebe noch schwierige­r, ihre teurere Milch zu verkaufen.

Erschweren­d kommt hinzu: Ab 1. April fällt die Milchquote in der Europäisch­en Union. Viele befürchten dann einen Milchpreis­verfall. Wenn jeder Betrieb bis zur obersten Leistungsg­renze Milch produziere­n darf, wird es ein Überangebo­t geben. Dann überlebt nur noch, wer am effiziente­sten produziert. Wer den kleinbäuer­lichen Charakter der süddeutsch­en Landschaft jedoch auch in Zukunft bewahren will, sollte dies künftig mit seiner Entscheidu­ng am Kühlregal im Supermarkt zeigen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany