Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Putin als Friedensfürst
Kremlchef schlägt versöhnliche Töne an - Zweifel am Waffenabzug
- Der Auftritt war minutiös in Szene gesetzt. Links der Moderator, rechts der Oberkommandierende der russischen Streitkräfte. Beide sind vom Halbdunkel umgeben, das nur durch die Ausleuchtung ihrer Antlitze aufgehellt wird. Der Blick an ihnen vorbei fällt auf einen abgedunkelten Rittersaal, an dessen Wand Stühle mit hohen Holzlehnen stehen, auf denen früher Bojaren am Hofe Platz nahmen. Es war der Abend des „Tages der Vaterlandverteidiger“, an dem Kremlchef Wladimir Putin sich anschickte, der Welt eine friedliche Botschaft zu senden.
„Apokalypse unwahrscheinlich“
„Wenn das Minsker Abkommen für eine Lösung des Konflikts in der Ostukraine erfüllt wird, bin ich überzeugt, dass die Situation sich normalisiert“, sagte Putin. Da Russland und Europa nicht an einem Krieg interessiert seien, sei ein „apokalyptisches Szenario unwahrscheinlich“, meinte der Kremlchef, der in die Rolle des Friedensfürsten geschlüpft war. Gleichwohl hatte er für den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko ein Machtwort parat. Der solle nicht den Versuchen nachgeben, die Krim zurückerobern zu wollen.
Nach außen hin versöhnlich, scheint Putin keine Anstrengungen zu unternehmen, die „Separatisten“dazu zu bewegen, die schweren Waffen von der Front abzuziehen. Am Mittwoch teilte der Vizechef der Volkswehr, Eduard Bassurin, mit, dass mit der Verlegung der Artillerie fortgefahren werde. Die Beobachter der OSZE in der Ukraine konnten dies aber nicht bestätigen. Ihnen fehlten Informationen, über welche Route das Kriegsgerät abgezogen wurde. Ukrainische Quellen behaupten denn auch, die „Separatisten“würden zwar Artillerie in südliche Richtung verlegen, gleichzeitig aber neue Kräfte und Technik in dasselbe Gebiet einschleusen. „Karussel“heißt das im Fachjargon.
Hafenstadt in Gefahr
Das ukrainische Militär vermutet, dass die Separatisten Gerät und Kräfte umgruppieren, um die Stadt Mariupol am Asowschen Meer erneut anzugreifen. Es ist der letzte ukrainische Stützpunkt in dem von Separatisten beanspruchten Gebiet. Sollte Mariupol fallen, wäre die Volkswehr auch bei dem Versuch, eine Landverbindung zur Krim zu schaffen, ein Stück vorwärts gekommen.
Auf dem Pariser Außenministertreffen der Minsker Gruppe am Dienstag warnte Frank-Walter Steinmeier (SPD) die Separatisten vor einem Angriff auf die Hafenstadt. Auch Russlands Außenminister Sergej Lawrow rief die Konfliktparteien auf, die Vereinbarung von Minsk umzusetzen. Zuvor hatte Lawrow auf der Sitzung des UN-Sicherheitsrates die USA gewarnt, sich weder der „Il- lusion globaler Herrschaft“hinzugeben noch auf einen „Regimewechsel“in Moskau zu setzen. US-Außenminister John Kerry bezichtigte Russland im Gegenzug der Lüge.
Russische Manöver bei Estland
Kein Tag vergeht ohne Provokationen. Am Dienstag nahmen US-Soldaten an einer Parade zum estnischen Nationalfeiertag in der Stadt Narva teil. Sie liegt an der russischen Grenze und wird vornehmlich von ethnischen Russen bewohnt. Tags drauf reagierten die russischen Luftstreitkräfte mit einem Manöver bei Pskow in der Nähe zu Estland.
Auch Gas setzt der Kreml als Waffe in der hybriden Kriegsführung wieder ein. Der russische Konzern Gazprom drohte damit, Lieferungen an die Ukraine in den nächsten zwei Tagen einzustellen, wenn Kiew seine Rechnungen nicht bezahlen sollte. „Erhebliche Risiken gehen für den Gastransit in Richtung Europa davon aus“, meinte Gazprom-Chef Alexei Miller. Russland hatte letzte Woche die Gasversorgung der besetzten Gebiete wiederaufgenommen und verlangt von Kiew nun, für die Lieferungen aufzukommen.