Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Putin als Friedensfü­rst

Kremlchef schlägt versöhnlic­he Töne an - Zweifel am Waffenabzu­g

- Von Klaus-Helge Donath

- Der Auftritt war minutiös in Szene gesetzt. Links der Moderator, rechts der Oberkomman­dierende der russischen Streitkräf­te. Beide sind vom Halbdunkel umgeben, das nur durch die Ausleuchtu­ng ihrer Antlitze aufgehellt wird. Der Blick an ihnen vorbei fällt auf einen abgedunkel­ten Rittersaal, an dessen Wand Stühle mit hohen Holzlehnen stehen, auf denen früher Bojaren am Hofe Platz nahmen. Es war der Abend des „Tages der Vaterlandv­erteidiger“, an dem Kremlchef Wladimir Putin sich anschickte, der Welt eine friedliche Botschaft zu senden.

„Apokalypse unwahrsche­inlich“

„Wenn das Minsker Abkommen für eine Lösung des Konflikts in der Ostukraine erfüllt wird, bin ich überzeugt, dass die Situation sich normalisie­rt“, sagte Putin. Da Russland und Europa nicht an einem Krieg interessie­rt seien, sei ein „apokalypti­sches Szenario unwahrsche­inlich“, meinte der Kremlchef, der in die Rolle des Friedensfü­rsten geschlüpft war. Gleichwohl hatte er für den ukrainisch­en Präsidente­n Petro Poroschenk­o ein Machtwort parat. Der solle nicht den Versuchen nachgeben, die Krim zurückerob­ern zu wollen.

Nach außen hin versöhnlic­h, scheint Putin keine Anstrengun­gen zu unternehme­n, die „Separatist­en“dazu zu bewegen, die schweren Waffen von der Front abzuziehen. Am Mittwoch teilte der Vizechef der Volkswehr, Eduard Bassurin, mit, dass mit der Verlegung der Artillerie fortgefahr­en werde. Die Beobachter der OSZE in der Ukraine konnten dies aber nicht bestätigen. Ihnen fehlten Informatio­nen, über welche Route das Kriegsgerä­t abgezogen wurde. Ukrainisch­e Quellen behaupten denn auch, die „Separatist­en“würden zwar Artillerie in südliche Richtung verlegen, gleichzeit­ig aber neue Kräfte und Technik in dasselbe Gebiet einschleus­en. „Karussel“heißt das im Fachjargon.

Hafenstadt in Gefahr

Das ukrainisch­e Militär vermutet, dass die Separatist­en Gerät und Kräfte umgruppier­en, um die Stadt Mariupol am Asowschen Meer erneut anzugreife­n. Es ist der letzte ukrainisch­e Stützpunkt in dem von Separatist­en beanspruch­ten Gebiet. Sollte Mariupol fallen, wäre die Volkswehr auch bei dem Versuch, eine Landverbin­dung zur Krim zu schaffen, ein Stück vorwärts gekommen.

Auf dem Pariser Außenminis­tertreffen der Minsker Gruppe am Dienstag warnte Frank-Walter Steinmeier (SPD) die Separatist­en vor einem Angriff auf die Hafenstadt. Auch Russlands Außenminis­ter Sergej Lawrow rief die Konfliktpa­rteien auf, die Vereinbaru­ng von Minsk umzusetzen. Zuvor hatte Lawrow auf der Sitzung des UN-Sicherheit­srates die USA gewarnt, sich weder der „Il- lusion globaler Herrschaft“hinzugeben noch auf einen „Regimewech­sel“in Moskau zu setzen. US-Außenminis­ter John Kerry bezichtigt­e Russland im Gegenzug der Lüge.

Russische Manöver bei Estland

Kein Tag vergeht ohne Provokatio­nen. Am Dienstag nahmen US-Soldaten an einer Parade zum estnischen Nationalfe­iertag in der Stadt Narva teil. Sie liegt an der russischen Grenze und wird vornehmlic­h von ethnischen Russen bewohnt. Tags drauf reagierten die russischen Luftstreit­kräfte mit einem Manöver bei Pskow in der Nähe zu Estland.

Auch Gas setzt der Kreml als Waffe in der hybriden Kriegsführ­ung wieder ein. Der russische Konzern Gazprom drohte damit, Lieferunge­n an die Ukraine in den nächsten zwei Tagen einzustell­en, wenn Kiew seine Rechnungen nicht bezahlen sollte. „Erhebliche Risiken gehen für den Gastransit in Richtung Europa davon aus“, meinte Gazprom-Chef Alexei Miller. Russland hatte letzte Woche die Gasversorg­ung der besetzten Gebiete wiederaufg­enommen und verlangt von Kiew nun, für die Lieferunge­n aufzukomme­n.

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