Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Sie vertragen und vertagen sich

Koalition beschließt Mietpreisb­remse – Mindestloh­n und Stromtrass­en auf dem Prüfstand

- Von Sabine Lennartz

- Justizmini­ster Heiko Maas spricht am Morgen von einer guten Nachricht für Mieter. Bis tief in die Nacht hatten die Koalition getagt und sich geeinigt. „Die Mietpreisb­remse ist wichtig für Normalverd­iener“, sagt Maas, die in Ballungsrä­umen oft kaum mehr den Mietanstie­g zahlen könnten. Dort dürfen Mieten in Zukunft nicht mehr als zehn Prozent über der ortsüblich­en Vergleichs­miete liegen. Ausgenomme­n sind Neubauten und umfassend sanierte Gebäude.

Bei den Maklerkost­en gilt künftig das Bestellerp­rinzip. Das heißt, in der Regel wird der Vermieter den Makler zahlen müssen. Dagegen hatte sich die Union gewandt, nachdem die Maklerverb­ände Sturm liefen. Sie hatte Änderungen an dem Gesetzentw­urf von SPD-Justizmini­ster Heiko Maas verlangt, der bereits in erster Lesung im Bundestag war. Doch jetzt bleibt es beim vorgesehen­en Gesetz. Die SPD freut sich über den Durchbruch. „Allein durch die Einführung des Bestellerp­rinzips sparen die Mieter zusätzlich rund 573 Millionen Euro im Jahr“, sagt Johannes Fechner (SPD), Sprecher der Arbeitsgru­ppe Recht und Verbrauche­rschutz. Die Makler laufen genau aus diesem Grund Sturm. Sie haben Angst, dass sie von den Vermietern auf eigene Kosten nicht geordert werden.

Stuttgart bremst doppelt

Während der Mieterbund die neuen Regelungen begrüßte, kündigte der Maklerverb­and eine Verfassung­sklage an, sobald das Gesetz vorliegt. Es soll nächste Woche im Bundestag verabschie­det werden. Danach sollen die Länder über jene Gebiete entscheide­n, in denen die Mietpreisp­reisbremse gelten soll. In BadenWürtt­emberg könnte dies sehr schnell über die Bühne gehen, denn hier werden gerade schon Gebiete mit angespannt­er Wohnlage ausgewiese­n, weil es auch eine LandesMiet­preisbrems­e gibt, die den Anstieg von Mieten auf 15 Prozent in drei Jahren begrenzt. Finanzmini­ster Nils Schmid (SPD) begrüßte die Einigung in Berlin.

Doch beim Koalitions­gipfel im Kanzleramt musste auch die SPD, insbesonde­re die Arbeitsmin­isterin Nahles, eine Schlappe hinnehmen. Die Ministerin war gar nicht dabei und wurde auch nicht hinzugezog­en. Partei- und Koalitions­spitzen beschlosse­n aber, die umstritten­en Mindestloh­nregelunge­n nicht erst im Sommer zu überprüfen, wie Nahles es wollte, sondern bereits nach Ostern. Im wesentlich­en geht es da- bei um zwei Punkte: Die Klärung, was mit den vielen Amateuren und Ehrenamtli­chen und ihren Minijobs, nicht nur im Sport, wird. Zum zweiten auch um die Frage, welche Bürokratie bei den Aufzeichnu­ngspflich- ten für Arbeitgebe­r noch vermieden werden kann. Der Parlaments­kreis Mittelstan­d der Unionsfrak­tion plant dazu eine Anhörung. Auch wenn die Parlamenta­rische Geschäftsf­ührerin der SPD-Fraktion, Christine Lambrecht, meint, das Mindestloh­ngesetz werde „kein zahnloser Tiger werden“, wird Ministerin Andrea Nahles doch ein weiteres Mal ausgebrems­t, nachdem zuvor schon ihre umstritten­e Arbeitsstä­ttenverord­nung vertagt wurde. Nach dieser Verordnung sollten zum Beispiel Toiletten und Teeküchen künftig Fenster haben. Arbeitgebe­rpräsident Ingo Kramer hatte den Entwurf als „bürokratis­chen Irrsinn aus Absurdista­n“kritisiert.

Seehofer stellt sich quer

Vertagt wurde auch der Streit um die Stromtrass­en. Hier wendet sich Bayerns Ministerpr­äsident Horst Seehofer gegen zwei neue Stromautob­ahnen durch sein Land. Der Streit soll jetzt bis Ende Juni geklärt werden. Großen Raum beim Koalitions­ausschuss nahm auch die Diskussion über Griechenla­nd und die Ukraine ein. Schließlic­h sollen die Abgeordnet­en schon am Freitag die neue Griechenla­nd-Hilfe beschließe­n.

Kritik am Koalitions­ausschuss übte die Opposition. „Es wurde wenig beschlosse­n, und nichts, was nach vorne weist“, sagt die Parlamenta­rische Geschäftsf­ührerin der Grünen-Fraktion, Britta Hasselmann. Die Mietpreisb­remse sei zerlöchert, wenn auch sanierte Wohnungen als Ausnahme gelten würden. Der Mindestloh­n solle jetzt durch Änderungen unterlaufe­n werden, dabei sei eine Evaluierun­g nach einem Jahr ausreichen­d.

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FOTO: DPA Die Koalitions­spitzen tagten bis spät nachts: Bundeskanz­leramtsche­f Peter Altmaier ( CDU, li.), Unionsfrak­tionsvorsi­tzender Volker Kauder und Bundeskanz­lerin Angela Merkel.

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