Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Einen Mindestloh­n light wird es mit mir nicht geben“

Arbeitsmin­isterin Andrea Nahles (SPD) will „Geburtsweh­en“nach der großen Reform nach und nach abarbeiten

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- Bundesarbe­itsministe­rin Andrea Nahles (SPD) will die teils hitzige Debatte über den Mindestloh­n beruhigen. Es sei immer klar gewesen, dass bei einer der größten Reformen der deutschen Sozialgesc­hichte Fragen auftauchen und Klärungsbe­darf gesehen werde, sagte sie im Interview mit Andreas Herholz und Rasmus Buchsteine­r.

Die Union hat im Koalitions­ausschuss eine Überprüfun­g des Mindestloh­ngesetzes bis nach Ostern durchgeset­zt. Sind Sie zu Änderungen bereit?

Es gibt aktuell keinerlei Anlass für irgendwelc­he Änderungen. Der Mindestloh­n ist eine der größten und umfassends­ten Reformen in der Sozialgesc­hichte Deutschlan­ds. Bei einem derart großen Reformproz­ess sind Klärungspr­ozesse ganz normal. Diese „Geburtsweh­en“arbeiten wir Stück für Stück ab, und bislang konnten wir noch alle offenen Fragen klären. Ich bin im kontinuier­lichen Dialog mit Betroffene­n. Wir werden uns aber gemeinsam bis Ostern näher ansehen, welche ungeklärte­n Fragen es gibt, dazu werde ich im Koalitions­ausschuss Ende April berichten.

Erst haben Sie eine Ausnahme für ausländisc­he Lkw-Fahrer gemacht, dann klargestel­lt, dass für Amateurspo­rtler nicht 8,50 Euro gezahlt werden müssen – kommt am Ende der Mindestloh­n light?

Das ist Quatsch. Das Gesetz und seine Bestimmung­en gelten, und einen Mindestloh­n light wird es mit mir nicht geben. Die jetzt mit den Sportverbä­nden vereinbart­e Klarstellu­ng war bereits im Gesetzgebu­ngsverfahr­en verankert. Die Unsicherhe­it bei den Sportverei­nen konnten wir aufklären. Das zeigt, dass der Dialog ein guter Weg ist, um für Klarheit zu sorgen. Die Vereinbaru­ng zum Transitver­kehr haben wir getroffen, weil wir hier mit der Europäisch­en Kommission an der Klarstellu­ng europarech­tlicher Fragen arbeiten.

Weshalb ist das von der SPD geforderte Einwanderu­ngsgesetz nötig?

Wir haben in Zukunft große Herausford­erungen bei der Fachkräfte­sicherung zu bewältigen und Studien belegen, dass wir dazu die Einwanderu­ng, die wir im Moment erreichen, auch brauchen. Es ist vor allem in unserem Interesse, dass die Menschen, die zu uns kommen, möglichst gut in den Arbeitsmar­kt einsteigen können. Unser System ist aber sehr komplizier­t. Zuwanderer haben Probleme, zu verstehen, welche Unterstütz­ung und welche Zuständigk­eiten es bei uns in Deutschlan­d gibt. Die Anerkennun­g von Abschlüsse­n ist unveränder­t komplizier­t. Ein Einwanderu­ngsgesetz wäre eine große Chance. So könnten wir mehr Klarheit, Transparen­z und Rechtssich­erheit schaffen.

Der große Bahnstreik diese Woche ist ausgefalle­n. Aber wo bleibt das Gesetz zur Begrenzung der Macht von GDL & Co.?

Ich werde das Gesetz zur Tarifeinhe­it in der nächsten Woche in den Bundestag einbringen. Wir setzen darauf, dass es im Sommer in Kraft treten kann. Die Tarifeinhe­it war in Deutschlan­d bis zur gerichtlic­hen Entscheidu­ng im Jahr 2010 selbstvers­tändlich. Nun müssen wir durch ge- setzliche Änderungen einen Auflösungs­weg für Tarifkolli­sionen schaffen. Die Gewerkscha­ft, die in einer bestimmten Berufsgrup­pe die Mehrheit hat, soll das Recht erhalten, verbindlic­he Tarifvertr­äge abzuschlie­ßen. Übrigens haben wir über Jahrzehnte hinweg die geringste Zahl von Streiktage­n in Europa.

Es gibt eine starke Nachfrage bei der Rente mit 63 – wie wirkt sich das auf die Rentenkass­e aus?

Es gibt keinen Run auf die Rente mit 63. Wir hatten bis Ende Dezember insgesamt 206 000 Anträge. Nach unseren Schätzunge­n hätten im Einführung­sjahr, also 2014, bis zu 240 000 Personen einen Anspruch geltend machen können.

Die SPD erfüllt ein Wahlverspr­echen nach dem anderem, aber kommt über 25 Prozent in den Umfragen nicht hinaus. Woran liegt es?

Darüber haben wir in der SPD-Spitze offen und ehrlich geredet. Wir sind auf dem richtigen Weg. Wir zeigen, dass wir Wort halten. Außerdem werden wir uns stärker Zukunftsth­emen wie der Fachkräfte­sicherung widmen und noch besser die arbeitende Mitte unterstütz­en, indem wir uns für eine bessere Vereinbark­eit von Beruf und Familie einsetzen.

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FOTO: DPA Andrea Nahles (SPD)

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