Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Reform der Erbschaftsteuer stößt auf breite Kritik
Keine automatische Verschonung von Unternehmen mehr geplant
- Der Finanzminister als Unternehmerschreck? Empörung und Kritik aus der Wirtschaft, Ablehnung auch aus den Reihen der Union und der SPD und von einigen Bundesländern. Wolfgang Schäubles Pläne für eine Erbschaftsteuerreform fallen deutlich schärfer aus als es die Unternehmensverbände erwartet haben. Die Eckpunkte der Regierung stoßen auf Widerstand. Der Finanzminister will die Privilegien von Unternehmenserben einschränken.
Nach den Plänen des Bundesfinanzministers soll es künftig keine automatische Verschonung mehr von Unternehmen mehr geben. Liegt das Firmenvermögen pro Erben bei mehr als 20 Millionen Euro, soll es in Zukunft eine Bedürfnisprüfung geben und auch das Privatvermögen der Erben herangezogen werden können. Das wurde gestern aus Regierungskreisen bestätigt. Damit müssten künftig mehr Erben und Unternehmen nachweisen, dass die Erbschaft- und Schenkungsteuer eine zu hohe Belastung wären.
Ziel der Regelung soll sein, zu verhindern, dass durch eine weitere Steuerbelastung Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten und so Arbeitsplätze gefährdet würden. Wirtschaftsverbände hatten einen Grenzwert von 300 Millionen Euro pro Erben vorgeschlagen und bereits mit einer Grenze von 100 Millionen Euro gerechnet. Entsprechend groß sind jetzt Enttäuschung und Empörung. Kritik gibt es vor allem auch daran, dass der Finanzminister künftig ab der 20-Millionen- Euro-Grenze bei einer Erbschaft oder Schenkung auch das Privatvermögen der Betriebserben bis maximal zur Hälfte zur Leistung der Steuerschuld heranziehen will.
Familienunternehmer erzürnt
Der Verband der Familienunternehmer wirft dem Finanzminister vor, das „Fallbeil“bei den Betrieben anzusetzen. „Schäuble rückt von seinen Vorsätzen ab, holt die Axt raus und setzt sie an das Familienunternehmertum sowie an unsere einzigartige Finanzierungskultur in Deutschland an“, erklärte Verbandspräsident Lutz Goebel.
Die Neuregelung war notwendig geworden, weil das Bundesverfassungsgericht im September des vergangenen Jahres das bestehende Erb- schaftsteuerrecht in Teilen für verfassungswidrig erklärt hatte. Die Richter hatten unter anderem bemängelt, dass große Firmen bisher von der Erbschaftsteuer verschont bleiben können, ohne einen genauen Beleg erbringen zu müssen, dass sie den Erlass benötigen. Nach geltendem Recht muss ein Erbe das Unternehmen mindestens sieben Jahre weiterführen und die Lohnsumme konstant halten, um den Steuererlass zu erhalten.
Nicht nur den Unternehmensverbänden, auch manchem Bundesland gehen die Pläne Schäubles zu weit: „Bei der Neuregelung der Erbschaftsteuer geht es um Tausende Arbeitsplätze“, warnt Baden-Württembergs Finanzminister Nils Schmid (SPD). Es müsse alles dafür getan werden, dass die Jobs auch bei Unternehmensnachfolgen erhalten blieben. Gegenwind auch von Hessens Finanzminister Thomas Schäfer (CDU): Die Grenze für die Bedürfnisprüfung von 20 Millionen Euro halte er „für deutlich zu niedrig“.
Während man in Regierungskreisen darauf verweist, dass nach den Reformplänen unternehmerisches Vermögen zu 100 Prozent verschont werde, beklagen die Kritiker zu hohe Hürden für eine Verschonung der Erben eines großen Familienunternehmens. Finanzminister Schäuble stehen jetzt harte Verhandlungen mit den Bundestagsfraktionen von Union und SPD und seinen Länderkollegen bevor.
„Schäuble rückt von seinen Vorsätzen ab und holt die Axt raus.“
Lutz Goebel