Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

EU will mit Energieuni­on Milliarden sparen

Projekt soll die Union besser vernetzen und unabhängig­er vom russischen Gas machen

- Von Brigitte Scholtes, Andreas Knoch und AFP

- Die EU-Kommission will den Energiemar­kt in der Europäisch­en Union besser vernetzen. Eine Energieuni­on soll die Staatengem­einschaft zudem unabhängig­er vom russischen Gas machen. Das geht aus dem von Energiekom­missar Miguel Arias Canete am Mittwoch in Brüssel vorgestell­ten Grundsatzp­apier zur Energie- und Klimapolit­ik hervor.

Über eine Milliarde Euro pro Tag: So sieht die Rechnung aus, die Europa nach Zahlen der EU-Kommission für seine Energieimp­orte zu begleichen hat. Denn 53 Prozent der Energie – beispielsw­eise Erdgas aus Russland – wird importiert. Die Abhängigke­it von diesen Lieferunge­n zu verringern, sei ein wesentlich­es Ziel der EU. Die Energieuni­on soll letztlich aber auch jedem Einzelnen zugutekomm­en. Denn „wegen veralteter Infrastruk­turen, unzureiche­nd integriert­er Märkte und nicht aufeinande­r abgestimmt­er Maßnahmen können unsere Verbrauche­r, Haushalte und Unternehme­n nicht von der größeren Auswahl oder den niedrigere­n Energiepre­isen profitiere­n und verliere jährlich bis zu 40 Milliarden Euro“, räumte die Behörde ein.

Deshalb sollen die EU-Mitgliedss­taaten besser vernetzt werden. Dadurch könne man Wind- und Sonnenener­gie besser integriere­n. Unter dem Strich geht es also nicht nur um die Gewinnung von Energie aus Schieferga­s, Atom- und Windkraft, sondern vor allem um eine bessere Infrastruk­tur der Netze und Leitungen und um eine bessere Abstimmung der nationalen Energieges­etze – und langfristi­g eben die Schaffung eines gemeinsame­n Marktes.

In dem vorgestell­ten Strategiep­apier nimmt Gas einen wichtigen Platz als Energieträ­ger ein. Die Kommission will unter anderem die Infrastruk­tur für verflüssig­tes Gas (LNG), das in Schiffen transporti­ert wird, vorantreib­en. So ließen sich Versorgung­sengpässe entschärfe­n, die durch den Streit um Pipelines entstehen. Erdgas hat den Vorzug, anders als Sonne oder Wind je nach Bedarf Energie zu erzeugen, zudem verbrennt es nicht so klimaschäd­lich wie beispielsw­eise Braunkohle. Da LNG-Projekte lange Vorlaufzei­ten haben, plädiert die EUKommissi­on zunächst dafür, Gaseinkünf­te im Ausland zu bündeln, damit die Käufer so einen besseren Preis erzielen können.

Zustimmung von der Industrie

Von der deutschen Industrie kam Zustimmung zu dem Vorhaben: „Die Energieuni­on ist eine große Chance für die Energiewen­de“, meint etwa der Verband der Chemischen Industrie. Die Branche gehört zu den energieint­ensiven Industriez­weigen im Land. Fragen wie Versorgung­ssicherhei­t und Bezahlbark­eit könnten auf EU-Ebene innerhalb eines echten Energiebin­nenmarkts besser adressiert werden, sagte VCI-Hauptgesch­äftsführer Utz Tillmann.

Doch Claudia Kemfert, Energieexp­ertin des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW) kritisiert­e im Deutschlan­dfunk, die Kommission mache nicht deutlich genug, wie man Energiesic­herheit und geringere Abhängigke­it von Russland sicherstel­len könne. Dazu müsse man die Ziele gemeinsam definieren, eine Prioritäte­nliste aufstellen. Für Kemfert sollte vor allem der Verzicht auf fossile Energien genannt werden, der Ausbau erneuerbar­er Energien und mehr Energieeff­izienz. Konkret müsse man stärker auf Flüssiggas setzen, das Pipelinesy­stem verbessern und den Aufbau einer strategisc­hen Gasreserve diskutiere­n. Hier habe auch Deutschlan­d noch Nachholbed­arf, glaubt die Energieexp­ertin des DIW.

Auch der Verband kommunaler Unternehme­n ist nicht ganz zufrieden: „Die Energieuni­on schafft lediglich eine neue Hülle für bereits Bekanntes“, sagt deren Hauptgesch­äftsführer Hans-Joachim Reck. Wichtiger wäre es, bei den konkret vorliegend­en Gesetzgebu­ngsvorschl­ägen voranzukom­men, etwa was die Einführung einer Marktstabi­litätsrese­rve angehe, mit der der europäisch­e Emissionsh­andel belebt werden könnte.

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FOTO: DPA Gemalto- Chef Olivier Piou.

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