Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Gewalt gegen Sicherheitskräfte nimmt zu
Deutsche Bahn und Polizeigewerkschaft beklagen zunehmende Aggressivität
(dpa) - Bei der Deutschen Bahn nehmen die Attacken auf Mitarbeiter weiter zu. Die Zahl der tätlichen Übergriffe stieg im vergangenen Jahr stark an. Auch Polizisten und Rettungskräfte werden nach eigener Darstellung zunehmend von Gewalttätern attackiert.
Polizisten als Gewaltopfer – wie ist die Entwicklung?
Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen hat 2010 mehr als 20 000 Polizisten befragt. Eines der Ergebnisse: Von 2005 bis 2009 habe es einen deutlichen Anstieg der Gewaltübergriffe gegeben. Fälle, bei denen Polizisten so schwer verletzt wurden, dass sie mindestens sieben Tage dienstunfähig waren, nahmen demnach um 60 Prozent zu.
Wer ist sonst betroffen?
Rettungskräfte, Hartz-IV-Sachbearbeiter und andere Behördenmitarbeiter werden Ziel von Aggressionen. Besonderes Aufsehen erregten mehrere tödliche Attacken, etwa 2014 im Finanzamt Rendsburg oder 2012 im Jobcenter von Neuss. Die Deutsche Bahn registrierte einen Anstieg tätlicher Übergriffe auf ihre Mitarbeiter: 2014 wurden 1500 Fälle gezählt, während es im Jahr 2012 noch rund 1000 waren. Zum Glück seien ernste Verletzungen von Eisenbahnern die Ausnahme, sagte BahnSicherheitschef Gerd Neubeck am Mittwoch.
Was könnten Gründe für den Gewaltanstieg sein?
„Es wird gerempelt, gespuckt und ge- treten – einfach weil man glaubt, dem Staat keine Autorität mehr zubilligen zu dürfen“, sagt der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt. Er beobachtet einen Verlust staatlicher Autorität und „ein hohes Maß an Staatsverachtung“. Der Gewerkschaftschef Wendt macht dafür auch den Rückzug des Staates verantwortlich. Es gebe heute deutlich weniger Stellen im öffentlichen Dienst als in früheren Jahren. Der Staat sei daher weniger sichtbar und werde weniger akzeptiert.
Wer sind die Täter?
Weit mehr als 80 Prozent der Angriffe auf die Polizei passieren nach den Worten von DPolG-Chef Wendt im täglichen Streifendienst. Dabei handele es sich also nicht um Einsätze bei Demonstrationen oder Fußballspielen, sondern um Unfallaufnahmen, Verkehrskontrollen oder Einsätze wegen Lärmbelästigung. „Leider muss man sagen, dass das auch nicht auf ein bestimmtes Klientel beschränkt ist.“Eine Studie der RuhrUniversität Bochum kam 2012 zu dem Ergebnis, dass „die sogenannten sozialen Brennpunkte“nicht die einzigen Tatorte seien. Mehr als jeder vierte Übergriff gegen Rettungskräfte ereigne sich in „bürgerlichen Wohngegenden“, hieß es nach der Erhebung für Nordrhein-Westfalen. Die meisten Täter seien zwischen 20 und 39 Jahre alt, männlich und oft al- koholisiert. Die Bahn registriert die meisten Attacken auf Mitarbeiter am Rande von Fußballspielen und im Partyverkehr an den Wochenenden. Tatorte seien vor allem Bahnhöfe und Nahverkehrszüge.
Welche Strafen drohen Tätern?
In besonders schweren Fällen drohen bis zu fünf Jahre Haft. Bestraft wird auch, „wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfeleistende der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes oder eines Rettungsdienstes durch Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt behindert oder sie dabei tätlich angreift“, heißt es seit einer Änderung von 2011 im Strafgesetzbuch.