Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Mindestlohn und Preisverfall bringen Obstbauern ans Limit
Russlandembargo und Preisdruck der Supermarktgiganten machen Sorge – Hauptversammlung der Erzeugergemeinschaft
- Feuerbrand, Hagel, Kirschessigfliege und Importstopp nach Russland – Sorgen haben die Lindauer Obstbauern genug. Was ihnen obendrein noch zusetzt, ist der Preisverfall ihrer Produkte. Der ist so tief in den Keller gesunken, dass die Obstbauern unter ihren Produktionskosten arbeiten. Und das, obwohl die Ernte der letzten Saison bestens ausgefallen ist. Doch jenes Problem, das alle anderen Sorgen in den Schatten stellt, heißt Mindestlohn. Ein Thema, das die Lindauer Obstbauern nicht nur das ganze vergangene Jahr in Atem hielt, sondern das auch das Hauptthema ihrer Jahreshauptversammlung war.
In Verbindung mit dem Preisverfall auf dem Apfelmarkt ist der Mindestlohn ein Thema, von dem sich die Obstbauern in ihrer Existenz bedroht sehen. „Wir arbeiten unter den Entstehungskosten. Die Produktion liegt zehn Cent höher als der derzeitige Marktpreis“, schilderte Martin Nüberlin, Vorsitzender der Erzeugergemeinschaft Lindauer Obstbauern (EZG) bei der Hauptversammlung im Nonnenhorner Stedi die Lage und fügte hinzu: „Wenn dann so ein Mindestlohn aufgedrückt wird, sieht das nochmal schlechter aus.“Seiner Einschätzung nach keine vorübergehende Situati- on. Im Gegenteil. Die Zukunftsaussichten malte der Vorsitzende alles andere als rosig aus. „Mit dem müssen wir, wenn’s normal läuft, auch die nächsten Jahre rechnen“, sagte er und setzte noch eins obendrauf: „Es ist keine Kostendeckung in Sicht.“
Eine Entwicklung, von der Nüberlin fürchtet, dass sie den einen oder anderen Obstbauern in die Knie zwingen könnte. Und das trotz Superernte und guter Verkäufe in der vergangenen Saison. Die Hoffnung, dass sich das Mindestlohnproblem über den Markt ausgleichen würde, hat sich zumindest in der noch anhaltenden Verkaufssaison nicht erfüllt. „Momentan bleiben weniger als 20 Cent (pro Kilo) für den Produzenten“, beklagte Nüberlin. Und der Preis für Äpfel, die zwar ebenfalls gepflückt oder aufgelesen werden müssen, aber nicht in den Läden landen, sondern verarbeitet werden, liege bei zwei bis drei Cent pro Kilo.
Der beklagte Preisverfall rührt daher, dass nicht allein die Obstbauern am bayerischen Bodensee eine gute Ernte hatten, wie Hans Knöpfler, Geschäftsführer der Vertriebsgesellschaft „Obst vom Bodensee“erklärte. Vielmehr hätten die Obstbauern in ganz Deutschland und obendrein in der gesamten EU Rekordernten eingefahren. Als dann das Russlandembargo samt Exportstopp verhängt
Martin Nüberlin wurde, hatte dies für die Lindauer Obstbauern, die über „Obst vom Bodensee“ihre Äpfel vertreiben, keine direkten Auswirkungen.
Denn die Vertriebsgesellschaft hatte sich bereits neue Märkte erschlossen, so dass sie die 300 000 Tonnen Äpfel, die eigentlich für Russland bestimmt waren, auf dem afrikanischen Markt verkaufen konnte. „Aber dass 700 000 Tonnen Äpfel aus Polen und Europa zusätzlich da sind, das hat uns schon beschäftigt“, sagte Knöpfler. Äpfel nämlich, denen der Absatzmarkt Russland wegen der Sanktionen versperrt blieb. Diese überschwemmten den europäischen und damit auch deutschen Markt, weshalb das erklärte – und letztendlich auch er- reichte - Ziel der Vertriebsgenossenschaft gewesen sei, polnische Ware aus den Regalen der deutschen Supermärkte fernzuhalten.
„Wir haben die deutschen Regale mit deutscher Ware belegt“, betonte Knöpfler. Wenngleich zu einem Preis, der mit 1,99 Euro für das Kilo Äpfel weit unter dem des Vorjahres lag. Für diesen Preisverfall machte Knöpfler nicht allein die Apfelschwemme, sondern gleichermaßen auch den Preisdruck der Supermarktgiganten verantwortlich. Sein Fazit lautete daher: „Es wurde viel verkauft, weil der Preis niedrig war.“Dass die Gefahr der polnischen Äpfel jedoch längst nicht gebannt ist und auch dann nicht, wenn das Embargo aufgehoben werden sollte, darauf machte Nüberlin aufmerksam. Er wies darauf hin, dass Polen seine Apfelproduktion steigern wolle und bereits im vergangenen Jahr seine Anbauflächen vergrößert habe.
Tatsächlich keine rosigen Aussichten für die Lindauer Obstbauern. An den Rand der Wirtschaftlichkeit bringt sie zudem die Einführung des Mindestlohns. Bis Ende 2017 müssen sie stufenweise nicht nur den Erntehelfern, sondern auch Familienmitgliedern einen Stundenlohn von 9,10 Euro bezahlen. Zusätzliche Kosten, die die Obstbauern vor die Herausforderung stellen, diesen Betrag erst einmal zu erwirtschaften. Denn die höheren Lohnkosten auf den Preis aufzuschlagen, geht nicht. Schon allein wegen der Konkurrenzfähigkeit auf den internationalen Handelsplätzen.
Obendrein, und das machten die Vorträge dreier Referenten zu verschiedenen Themen des Mindestlohns deutlich, sehen sich die Obstbauern einem enormen bürokratischen Aufwand gegenüber. Ganz abgesehen davon, dass hier die Gesetzgebung nicht eindeutig sei, die Strafen jedoch hoch. Am Ende der Versammlung blieb Nüberlin nur noch zu folgern: „Wir stehen wirklich mit dem Rücken zur Wand.“
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unter den Entstehungskosten. Die Produktion liegt zehn
Cent höher als der derzeitige Marktpreis.“