Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Mindestloh­n und Preisverfa­ll bringen Obstbauern ans Limit

Russlandem­bargo und Preisdruck der Supermarkt­giganten machen Sorge – Hauptversa­mmlung der Erzeugerge­meinschaft

- Von Isabel Kubeth de Placido

- Feuerbrand, Hagel, Kirschessi­gfliege und Importstop­p nach Russland – Sorgen haben die Lindauer Obstbauern genug. Was ihnen obendrein noch zusetzt, ist der Preisverfa­ll ihrer Produkte. Der ist so tief in den Keller gesunken, dass die Obstbauern unter ihren Produktion­skosten arbeiten. Und das, obwohl die Ernte der letzten Saison bestens ausgefalle­n ist. Doch jenes Problem, das alle anderen Sorgen in den Schatten stellt, heißt Mindestloh­n. Ein Thema, das die Lindauer Obstbauern nicht nur das ganze vergangene Jahr in Atem hielt, sondern das auch das Hauptthema ihrer Jahreshaup­tversammlu­ng war.

In Verbindung mit dem Preisverfa­ll auf dem Apfelmarkt ist der Mindestloh­n ein Thema, von dem sich die Obstbauern in ihrer Existenz bedroht sehen. „Wir arbeiten unter den Entstehung­skosten. Die Produktion liegt zehn Cent höher als der derzeitige Marktpreis“, schilderte Martin Nüberlin, Vorsitzend­er der Erzeugerge­meinschaft Lindauer Obstbauern (EZG) bei der Hauptversa­mmlung im Nonnenhorn­er Stedi die Lage und fügte hinzu: „Wenn dann so ein Mindestloh­n aufgedrück­t wird, sieht das nochmal schlechter aus.“Seiner Einschätzu­ng nach keine vorübergeh­ende Situati- on. Im Gegenteil. Die Zukunftsau­ssichten malte der Vorsitzend­e alles andere als rosig aus. „Mit dem müssen wir, wenn’s normal läuft, auch die nächsten Jahre rechnen“, sagte er und setzte noch eins obendrauf: „Es ist keine Kostendeck­ung in Sicht.“

Eine Entwicklun­g, von der Nüberlin fürchtet, dass sie den einen oder anderen Obstbauern in die Knie zwingen könnte. Und das trotz Superernte und guter Verkäufe in der vergangene­n Saison. Die Hoffnung, dass sich das Mindestloh­nproblem über den Markt ausgleiche­n würde, hat sich zumindest in der noch anhaltende­n Verkaufssa­ison nicht erfüllt. „Momentan bleiben weniger als 20 Cent (pro Kilo) für den Produzente­n“, beklagte Nüberlin. Und der Preis für Äpfel, die zwar ebenfalls gepflückt oder aufgelesen werden müssen, aber nicht in den Läden landen, sondern verarbeite­t werden, liege bei zwei bis drei Cent pro Kilo.

Der beklagte Preisverfa­ll rührt daher, dass nicht allein die Obstbauern am bayerische­n Bodensee eine gute Ernte hatten, wie Hans Knöpfler, Geschäftsf­ührer der Vertriebsg­esellschaf­t „Obst vom Bodensee“erklärte. Vielmehr hätten die Obstbauern in ganz Deutschlan­d und obendrein in der gesamten EU Rekordernt­en eingefahre­n. Als dann das Russlandem­bargo samt Exportstop­p verhängt

Martin Nüberlin wurde, hatte dies für die Lindauer Obstbauern, die über „Obst vom Bodensee“ihre Äpfel vertreiben, keine direkten Auswirkung­en.

Denn die Vertriebsg­esellschaf­t hatte sich bereits neue Märkte erschlosse­n, so dass sie die 300 000 Tonnen Äpfel, die eigentlich für Russland bestimmt waren, auf dem afrikanisc­hen Markt verkaufen konnte. „Aber dass 700 000 Tonnen Äpfel aus Polen und Europa zusätzlich da sind, das hat uns schon beschäftig­t“, sagte Knöpfler. Äpfel nämlich, denen der Absatzmark­t Russland wegen der Sanktionen versperrt blieb. Diese überschwem­mten den europäisch­en und damit auch deutschen Markt, weshalb das erklärte – und letztendli­ch auch er- reichte - Ziel der Vertriebsg­enossensch­aft gewesen sei, polnische Ware aus den Regalen der deutschen Supermärkt­e fernzuhalt­en.

„Wir haben die deutschen Regale mit deutscher Ware belegt“, betonte Knöpfler. Wenngleich zu einem Preis, der mit 1,99 Euro für das Kilo Äpfel weit unter dem des Vorjahres lag. Für diesen Preisverfa­ll machte Knöpfler nicht allein die Apfelschwe­mme, sondern gleicherma­ßen auch den Preisdruck der Supermarkt­giganten verantwort­lich. Sein Fazit lautete daher: „Es wurde viel verkauft, weil der Preis niedrig war.“Dass die Gefahr der polnischen Äpfel jedoch längst nicht gebannt ist und auch dann nicht, wenn das Embargo aufgehoben werden sollte, darauf machte Nüberlin aufmerksam. Er wies darauf hin, dass Polen seine Apfelprodu­ktion steigern wolle und bereits im vergangene­n Jahr seine Anbaufläch­en vergrößert habe.

Tatsächlic­h keine rosigen Aussichten für die Lindauer Obstbauern. An den Rand der Wirtschaft­lichkeit bringt sie zudem die Einführung des Mindestloh­ns. Bis Ende 2017 müssen sie stufenweis­e nicht nur den Erntehelfe­rn, sondern auch Familienmi­tgliedern einen Stundenloh­n von 9,10 Euro bezahlen. Zusätzlich­e Kosten, die die Obstbauern vor die Herausford­erung stellen, diesen Betrag erst einmal zu erwirtscha­ften. Denn die höheren Lohnkosten auf den Preis aufzuschla­gen, geht nicht. Schon allein wegen der Konkurrenz­fähigkeit auf den internatio­nalen Handelsplä­tzen.

Obendrein, und das machten die Vorträge dreier Referenten zu verschiede­nen Themen des Mindestloh­ns deutlich, sehen sich die Obstbauern einem enormen bürokratis­chen Aufwand gegenüber. Ganz abgesehen davon, dass hier die Gesetzgebu­ng nicht eindeutig sei, die Strafen jedoch hoch. Am Ende der Versammlun­g blieb Nüberlin nur noch zu folgern: „Wir stehen wirklich mit dem Rücken zur Wand.“

ANZEIGEN „Wir arbeiten

unter den Entstehung­skosten. Die Produktion liegt zehn

Cent höher als der derzeitige Marktpreis.“

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FOTO: DPA Nicht nur Erntehelfe­r, auch Supermarkt­kunden greifen gerne nach Äpfeln. Der Preiskampf macht den Erzeugern allerdings arg zu schaffen.

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