Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Wohnen geht gerade so, leben nicht

Im Studentenw­ohnheim in Weingarten klagen Bewohner über die Zustände

- Von Nicolai Kapitz

- Fettverkle­bte Herde, muffige Räume, verdreckte Treppenhäu­ser, schimmelnd­e Decken: Das Studentenw­ohnheim in der Weingarten­er Scherzachs­traße ist in einem erbärmlich­en Zustand. Das Gebäude verursacht der Stadt zudem hohe Kosten. Nun haben sich Bewohner zu Wort gemeldet. Und die sind sauer – weil das Haus herunterge­kommen ist und sich daran offenbar so schnell nichts ändert.

Lara Gerhards und Marco Wagner wohnen im obersten Stockwerk des städtische­n Wohnheims in der Scherzachs­traße. Die beiden sind 20 Jahre alt, ein Pärchen aus Kaufbeuren im Allgäu, und studieren im Schussenta­l. 541 Euro Warmmiete zahlen die beiden für ihr gemeinsame­s Zimmer, 28 Quadratmet­er groß, mit eigenem Bad, direkt unterm Dach. „Wir wohnen hier“, sagt Lara. „Aber von leben kann keine Rede sein.“Schon gar nicht vom heimisch werden. „Wir halten es hier nur schwer aus“, sagt auch Marco. Er öffnet die Tür zu der kleinen Gemeinscha­ftsküche, die sich die beiden mit drei anderen Mietern auf dem Stockwerk teilen. „Es ist gerade sogar vergleichs­weise angenehm vom Geruch her“, sagt der Elektrotec­hnikstuden­t der Dualen Hochschule Ravensburg. Dabei hängt ein drückender, säuerliche­r Mief in der Küche.

„Den Herd kann man nicht benutzen“, sagt Lara. Sie öffnet den Ofen des einst wohl dunkelblau­en, jetzt braun-bläulich schimmernd­en Geräts. Alles ist verdreckt, die Armaturen sind nicht einmal lesbar. „So wurde uns das im Oktober beim Einzug übergeben. Keine Grundreini­gung, keiner hat geputzt. Obwohl das anders abgemacht war“, erzählt die Studentin der Elementarb­ildung an der Pädagogisc­hen Hochschule Weingarten. „Wenigstens haben sie den Müll fortgeräum­t. Vor ein paar Wochen war hier noch alles voll“, erinnert sich Marco an die Zeit des Einzugs.

Auch das Zimmer mussten die beiden nach eigenen Worten zwei Tage lang putzen, um es „in einen akzeptable­n Zustand zu bringen“. Dreckverkr­ustungen im Bad, in den Kleidersch­ränken und den Schubladen der Schreibtis­che wurden offenbar Lebensmitt­el aufbewahrt, davon zeugten Reis und Soßenreste. „Uns ist schon klar, dass viel von dem Dreck durch andere Bewohner verursacht wird“, sagt Lara. „Aber im Vertrag steht, dass der Mieter das Zimmer sauber zu hinterlass­en hat. Ansonsten würde das Studentenw­erk die Kaution einbehalte­n und dafür verwenden, das Zimmer reinigen zu lassen. Aber es war definitiv nicht gereinigt.“

Im Keller zeigt sich auch ein trauriges Bild: In dem Gewölbe, in dem Waschmasch­inen und Trockner untergebra­cht sind, stehen Wasser und Schlamm am Boden. Mit blauen Müllsäcken sind die Geräte unterlegt, um undichte Stellen notdürftig in den Griff zu bekommen. „Waschmasch­inen in einem feuchten, müffelnden Kellerraum, das ist inakzeptab­el“, sagt Lara. „Der Keller wird scheinbar so gut wie nie gereinigt. Er ist stark verschmutz­t, oft liegt hier wochenlang Müll herum.“Generell sieht es mancherort­s besorgnise­rregend aus. Wände sind bespritzt mit Dreck, von den Decken blättert wegen der Feuchtigke­it an einigen Stellen die Tapete herab. Dunkle Wasserflec­ken dringen durch.

Das Hauptprobl­em der beiden: Von den Ansprechpa­rtnern fühlt sich offenbar niemand zuständig. „Wir haben uns beim Studentenw­erk Weiße Rose gemeldet“, sagt Lara. „Dort haben sie versproche­n, sich beim Vermieter zu kümmern.“Doch das Studentenw­erk ist nur Vermittler im Haus. „Wir sind zuständig für die Vermietung und auch für die Einrichtun­g in den Zimmern“, sagt Wei-

Mieter Marco Wagner ße-Rose-Geschäftsf­ührer Philipp Stäbler. Für die übrigen Einrichtun­gen, darunter auch die Küchen, ist der Vermieter zuständig. Und das ist eigentlich die Stadt. Diese verwaltet das Haus, Eigentum von Rösslewirt Gerhard Flaitz, nämlich als sogenannte­r Generalmie­ter. „Das Studentenw­erk teilt die Reklamatio­nen der Abteilung für Liegenscha­ften mit, die sich um Abhilfe kümmert“, schreibt die Stadtverwa­ltung auf SZ-Anfrage in einer Mitteilung.

Aber daran glaubt das Studentenp­ärchen nicht. „Auf unsere Bitte nach einem neuen Herd hieß es nur: Dem können wir nicht nachkommen.“

Sowieso liegt es auf der Hand, dass die Mietpreise im Haus weiter steigen, wenn der Vermieter zusätzlich­es Geld hineinstec­ken muss. Und das wäre für die Studenten nicht tragbar. „Wenn wir etwa 300 bis 350 Euro für das Zimmer zahlen würden, würden wir uns auch gar nicht über den Zustand beschweren“, erklärt Marco.

Zum Vergleich: Das Studentenw­erk Weiße Rose verlangt für ein Zimmer mit 13 Quadratmet­ern 220 Euro warm – deutlich günstiger. „Aber wir zahlen hier einen Haufen Geld“, erklären die beiden. „Dieses Haus zu diesem Preis zu vermieten – das wäre uns persönlich einfach nur sehr peinlich.“

„Was die Sauberkeit der Räume betrifft, so ist eine Reinigungs­firma beauftragt, diese zweimal pro Woche die Küchen, Gemeinscha­ftsräume, Böden und Bäder zu reinigen“, erklärt die Stadtverwa­ltung. Darüber hinaus müssen die Mieter selbst für die Sauberkeit in den Räumen sorgen. „Wir wissen, dass die Unterkunft eher einfach ist“, sagt Jasmin Bisanz, Pressespre­cherin der Stadt. „Wir werden uns noch einmal ein Bild von den Zuständen machen, die von den Studenten angeprange­rt werden.“

Die Stadt steht bekanntlic­h auch vor Verhandlun­gen mit dem Eigentümer. Dabei geht es auch um die Möglichkei­t, das Wohnheim nicht nur für Studenten zu nutzen. „Das dürfte schwierig werden“, sagt Lara. So etwas wie Wohnatmosp­häre gebe es nicht. Zudem würden sich die Bewohner untereinan­der kaum kennen. „Weil das so anonym zugeht, häufen sich Diebstähle. Meistens geht es um Kochgeschi­rr oder Dinge aus den Kühlschrän­ken“, erklärt Marco. „Wir können uns kaum vorstellen, dass man hier guten Gewissens Menschen einziehen lassen kann, egal in welchem Alter und welcher Herkunft.“

Mieterin Lara Gerhards

„Wir halten es hier

nur schwer aus“

„Der Keller ist stark verschmutz­t, oft liegt hier wochenlang

Müll herum.“

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FOTO: KAPITZ Lara Gerhards und Marco Wagner ärgern sich nicht nur über die verdreckte Gemeinscha­ftsküche.

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