Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Wohnen geht gerade so, leben nicht
Im Studentenwohnheim in Weingarten klagen Bewohner über die Zustände
- Fettverklebte Herde, muffige Räume, verdreckte Treppenhäuser, schimmelnde Decken: Das Studentenwohnheim in der Weingartener Scherzachstraße ist in einem erbärmlichen Zustand. Das Gebäude verursacht der Stadt zudem hohe Kosten. Nun haben sich Bewohner zu Wort gemeldet. Und die sind sauer – weil das Haus heruntergekommen ist und sich daran offenbar so schnell nichts ändert.
Lara Gerhards und Marco Wagner wohnen im obersten Stockwerk des städtischen Wohnheims in der Scherzachstraße. Die beiden sind 20 Jahre alt, ein Pärchen aus Kaufbeuren im Allgäu, und studieren im Schussental. 541 Euro Warmmiete zahlen die beiden für ihr gemeinsames Zimmer, 28 Quadratmeter groß, mit eigenem Bad, direkt unterm Dach. „Wir wohnen hier“, sagt Lara. „Aber von leben kann keine Rede sein.“Schon gar nicht vom heimisch werden. „Wir halten es hier nur schwer aus“, sagt auch Marco. Er öffnet die Tür zu der kleinen Gemeinschaftsküche, die sich die beiden mit drei anderen Mietern auf dem Stockwerk teilen. „Es ist gerade sogar vergleichsweise angenehm vom Geruch her“, sagt der Elektrotechnikstudent der Dualen Hochschule Ravensburg. Dabei hängt ein drückender, säuerlicher Mief in der Küche.
„Den Herd kann man nicht benutzen“, sagt Lara. Sie öffnet den Ofen des einst wohl dunkelblauen, jetzt braun-bläulich schimmernden Geräts. Alles ist verdreckt, die Armaturen sind nicht einmal lesbar. „So wurde uns das im Oktober beim Einzug übergeben. Keine Grundreinigung, keiner hat geputzt. Obwohl das anders abgemacht war“, erzählt die Studentin der Elementarbildung an der Pädagogischen Hochschule Weingarten. „Wenigstens haben sie den Müll fortgeräumt. Vor ein paar Wochen war hier noch alles voll“, erinnert sich Marco an die Zeit des Einzugs.
Auch das Zimmer mussten die beiden nach eigenen Worten zwei Tage lang putzen, um es „in einen akzeptablen Zustand zu bringen“. Dreckverkrustungen im Bad, in den Kleiderschränken und den Schubladen der Schreibtische wurden offenbar Lebensmittel aufbewahrt, davon zeugten Reis und Soßenreste. „Uns ist schon klar, dass viel von dem Dreck durch andere Bewohner verursacht wird“, sagt Lara. „Aber im Vertrag steht, dass der Mieter das Zimmer sauber zu hinterlassen hat. Ansonsten würde das Studentenwerk die Kaution einbehalten und dafür verwenden, das Zimmer reinigen zu lassen. Aber es war definitiv nicht gereinigt.“
Im Keller zeigt sich auch ein trauriges Bild: In dem Gewölbe, in dem Waschmaschinen und Trockner untergebracht sind, stehen Wasser und Schlamm am Boden. Mit blauen Müllsäcken sind die Geräte unterlegt, um undichte Stellen notdürftig in den Griff zu bekommen. „Waschmaschinen in einem feuchten, müffelnden Kellerraum, das ist inakzeptabel“, sagt Lara. „Der Keller wird scheinbar so gut wie nie gereinigt. Er ist stark verschmutzt, oft liegt hier wochenlang Müll herum.“Generell sieht es mancherorts besorgniserregend aus. Wände sind bespritzt mit Dreck, von den Decken blättert wegen der Feuchtigkeit an einigen Stellen die Tapete herab. Dunkle Wasserflecken dringen durch.
Das Hauptproblem der beiden: Von den Ansprechpartnern fühlt sich offenbar niemand zuständig. „Wir haben uns beim Studentenwerk Weiße Rose gemeldet“, sagt Lara. „Dort haben sie versprochen, sich beim Vermieter zu kümmern.“Doch das Studentenwerk ist nur Vermittler im Haus. „Wir sind zuständig für die Vermietung und auch für die Einrichtung in den Zimmern“, sagt Wei-
Mieter Marco Wagner ße-Rose-Geschäftsführer Philipp Stäbler. Für die übrigen Einrichtungen, darunter auch die Küchen, ist der Vermieter zuständig. Und das ist eigentlich die Stadt. Diese verwaltet das Haus, Eigentum von Rösslewirt Gerhard Flaitz, nämlich als sogenannter Generalmieter. „Das Studentenwerk teilt die Reklamationen der Abteilung für Liegenschaften mit, die sich um Abhilfe kümmert“, schreibt die Stadtverwaltung auf SZ-Anfrage in einer Mitteilung.
Aber daran glaubt das Studentenpärchen nicht. „Auf unsere Bitte nach einem neuen Herd hieß es nur: Dem können wir nicht nachkommen.“
Sowieso liegt es auf der Hand, dass die Mietpreise im Haus weiter steigen, wenn der Vermieter zusätzliches Geld hineinstecken muss. Und das wäre für die Studenten nicht tragbar. „Wenn wir etwa 300 bis 350 Euro für das Zimmer zahlen würden, würden wir uns auch gar nicht über den Zustand beschweren“, erklärt Marco.
Zum Vergleich: Das Studentenwerk Weiße Rose verlangt für ein Zimmer mit 13 Quadratmetern 220 Euro warm – deutlich günstiger. „Aber wir zahlen hier einen Haufen Geld“, erklären die beiden. „Dieses Haus zu diesem Preis zu vermieten – das wäre uns persönlich einfach nur sehr peinlich.“
„Was die Sauberkeit der Räume betrifft, so ist eine Reinigungsfirma beauftragt, diese zweimal pro Woche die Küchen, Gemeinschaftsräume, Böden und Bäder zu reinigen“, erklärt die Stadtverwaltung. Darüber hinaus müssen die Mieter selbst für die Sauberkeit in den Räumen sorgen. „Wir wissen, dass die Unterkunft eher einfach ist“, sagt Jasmin Bisanz, Pressesprecherin der Stadt. „Wir werden uns noch einmal ein Bild von den Zuständen machen, die von den Studenten angeprangert werden.“
Die Stadt steht bekanntlich auch vor Verhandlungen mit dem Eigentümer. Dabei geht es auch um die Möglichkeit, das Wohnheim nicht nur für Studenten zu nutzen. „Das dürfte schwierig werden“, sagt Lara. So etwas wie Wohnatmosphäre gebe es nicht. Zudem würden sich die Bewohner untereinander kaum kennen. „Weil das so anonym zugeht, häufen sich Diebstähle. Meistens geht es um Kochgeschirr oder Dinge aus den Kühlschränken“, erklärt Marco. „Wir können uns kaum vorstellen, dass man hier guten Gewissens Menschen einziehen lassen kann, egal in welchem Alter und welcher Herkunft.“
Mieterin Lara Gerhards
„Wir halten es hier
nur schwer aus“
„Der Keller ist stark verschmutzt, oft liegt hier wochenlang
Müll herum.“