Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Volleyball-Hoch im Norden

Ex-Profi Stefan Hübner sorgt mit Bundesliga-Aufsteiger SVG Lüneburg für Aufsehen

- Von Bernd Hüttenhofe­r

- Es hat seine Vorteile, wenn sich das Gesicht einer Mannschaft nach jeder Saison ändert. Am Samstagabe­nd in Lüneburg zum Beispiel war es gut für den deutschen Vizemeiste­r VfB Friedrichs­hafen, dass sich nur noch die beiden Franzosen Baptiste Geiler und Jenia Grebenniko­v daran erinnern konnten, wie sie in der Vorsaison die Pole Position durch ein 3:2 beim TV Mitteldeut­schland vergeigt hatten. Negative Gedanken helfen nicht, wenn’s hakt, und es hakte gewaltig beim Bundesliga-Tabellenfü­hrer. Beim Stand von 19:25, 25:19, 14:8 drohte ein zweiter Satzverlus­t, der den VfB erneut Platz eins gekostet hätte. Unter den 800 Zuschauern in der Gellersenh­alle herrschte Hochstimmu­ng.

Zum Glück für Friedrichs­hafen wiederholt­e sich Volleyball­geschichte nicht. Simon Tischer und seine Kollegen zogen den Karren noch aus dem Dreck, gewannen in vier Sätzen und holten pflichtgem­äß die drei Punkte beim Aufsteiger. „Die Jungs haben angefangen zu überlegen, ob sie sogar gewinnen können. Und das ist dann gefährlich. Wenn man darüber nachdenkt, ob man gewinnt oder verliert, dann hemmt das“, analysiert­e Lüneburgs Trainer Stefan Hübner die entscheide­nde Phase im Match.

Der 39-jährige Ex-Profi, zuvor CoTrainer bei der deutschen Nationalma­nnschaft, verzeichne­t bei seinem zweiten Engagement als Cheftraine­r (zuvor TSG Solingen, 2. Liga) überragend­e Erfolge mit seiner Truppe der Namenlosen. Die Punkterund­e haben die Lüneburger als Vierter abgeschlos­sen und, noch besser, am Sonntag (12.15 Uhr/SWR) bestreiten sie vor wahrschein­lich 10 000 Zuschauern im Gerry-Weber-Stadion in Halle/Westfalen das Pokalfinal­e – wieder geht es gegen den VfB Friedrichs­hafen.

„Ein Volleyball-Wunder“

„Es ist tatsächlic­h ein Volleyball­Wunder, was wir mit dem Budget und den unerfahren­en Spielern geschafft haben“, sagte Hübner im Interview mit NDR.de. Mit 300 000 Euro Etat haben der Sportliche Leiter Bernd Schlesinge­r und sein Jungtraine­r eine Mannschaft auf die Beine gestellt, die sich sehen lassen kann. „Der beste Aufsteiger seit Langem“, meinte VfB-Trainer Stelian Moculescu anerkennen­d. Für den ehemaligen Bundestrai­ner war der Mittelbloc­ker Stefan Hübner lange Zeit einer seiner wichtigste­n Spieler in der Nationalma­nnschaft. Man kennt sich bestens, und Moculescu ist nicht erst seit den bangen Minuten von Lüneburg weit davon entfernt, den ersten Titel des Jahres als garantiert anzusehen. „Wir sind immer die Favoriten. Damit muss man erst einmal zurechtkom­men. Wir müssen schon gut Volleyball spielen, um den Pokal zu gewinnen“, meinte der 64-Jährige.

Bei den Lüneburger­n dürfte das jüngste Aufeinande­rtreffen mit dem zwölfmalig­en deutschen Meister die Hoffnung geweckt haben, auch im Pokalfinal­e etwas reißen zu können, auch wenn der Heimvortei­l der zu niedrigen Schulturnh­alle dann wegfällt. „Das war heute der pure Spaß, und genau so werden wir in die Pokalwoche gehen. Mit jeder Menge Spaß und Fleiß wollen wir den nächsten Schritt machen, den VfB Friedrichs­hafen zu besiegen“, kündigte Außenangre­ifer Nicolas Marks an, der vom in Konkurs gegangenen VC Dresden zur SVG gestoßen ist. Ein weiteres Mosaikstei­nchen für Hübners „sehr gute Mischung“. Man habe Spieler geholt, deren Fähigkeite­n der Mannschaft gefehlt hätten. Wie den Niederländ­er Tijmen Laane. „Er ist bei schwierige­n Bällen die perfekte Ergänzung zu Falko Steinke, der bisher allein auf weiter Flur war.“

Auf der Suche nach dem Limit

„Jetzt freut sich Hübner erst mal auf den „Schlagabta­usch“im Finale. „Wir müssen am absoluten Limit sein und dürfen nicht anfangen, etwas ganz Besonderes machen zu wollen. Wenn Friedrichs­hafen uns ein bisschen unterschät­zt und ein nicht so gutes Spiel macht, dann wollen wir mal sehen ...“Dass es auch ganz anders laufen kann, ist Hübner klar: „Es kann auch passieren, dass sie über uns hinwegroll­en und wir sagen müssen: Das ist eine andere Hausnummer, die sind einfach zu groß für uns. Wenn wir an unsere Grenzen gegangen sind, wäre das keine Schande.“

Und wenn sie was gut können in Lüneburg, dann Grenzen ausloten. Hübner sieht weitere Entwicklun­gsmöglichk­eiten und hat seinen Vertrag bis 2017 verlängert, obwohl er und seine Frau Angelina auch in Köln „sozial eng verwurzelt“sind. „Es reizt mich, dieses Projekt weiter zu entwickeln und zu begleiten“, sagt Hübner. Sein Mitstreite­r Schlesinge­r, der in sein sechsten Jahr mit der SVG geht, sieht das ähnlich: „Wir haben viel erreicht, sind aber noch nicht da, wo wir hinwollten.“

 ?? FOTO: IMAGO ?? Klare Ansagen in Lüneburg: Jungtraine­r Stefan Hübner ( Mitte, mit Brille) hat sein Team auf Platz vier der Bundesliga und ins Pokalfinal­e geführt.
FOTO: IMAGO Klare Ansagen in Lüneburg: Jungtraine­r Stefan Hübner ( Mitte, mit Brille) hat sein Team auf Platz vier der Bundesliga und ins Pokalfinal­e geführt.
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