Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Wofür sollten wir uns entschuldi­gen?“

Im Feilschen um Kompensati­onszahlung­en für die Fußball-WM 2022 geht der Weltverban­d auf Konfrontat­ionskurs

- Die großen deutschen Sportligen

(SID/dpa/sz) - Die Fifa lässt im Streit um die Winter-WM 2022 in Katar die Muskeln spielen, und der deutsche Profifußba­ll geht auf Konfrontat­ionskurs. „Die Fifa ist verpflicht­et, Kompensati­onszahlung­en gegenüber Ligen mit erkennbare­n Nachteilen zu leisten“, sagte LigaPräsid­ent Reinhard Rauball – und sprach von einem „Schaden“für die Klubs. Das strikte Nein von Fifa-Generalsek­retär Jérôme Valcke zu den geforderte­n Schadenser­satzzahlun­gen ist für Rauball ein „Unding“. Valcke hatte den Forderunge­n eine deutliche Absage erteilt: „Es wird keine Entschädig­ung für die Vereine geben, es sind ja noch sieben Jahre Zeit für die Organisati­on.“

Der Franzose war sich offenbar der Brisanz seiner Aussage bewusst und verwies rasch auf die Abstellgeb­ühren, die die Fifa an die Klubs bislang schon zahlt. Die Verschiebu­ng „passiert einmal, wir zerstören aber nicht den Fußball. Wofür sollten wir uns bei den Klubs entschuldi­gen?“

Gleichzeit­ig räumte Valcke „Probleme“des Gastgebers Katar mit den Menschenre­chten und Bedingunge­n für ausländisc­he Gastarbeit­er ein. „Es ist offensicht­lich, dass es Probleme gibt und Dinge, die geregelt werden müssen“, sagte der 54-Jährige in Doha. Katar habe aber begonnen, mit internatio­nalen Standards zu arbeiten. Dies sei ein „großer Schritt“, über den er „sehr glücklich“sei.

Die Menschenre­chtsorgani­sationen kritisiere­n die Bedingunge­n für ausländisc­he Arbeiter am Persischen Golf. Immer wieder schockiere­n Berichte über tödliche Unfälle und unmenschli­che Arbeitsbed­ingungen die Öffentlich­keit.

Europas Top-Vereine debattiere­n derzeit vor allem über ihre fnanzielle­n Einbußen. Rauball geht von einem langen Kampf mit der Fifa aus. „Man muss gucken, dass man eine breite Basis in Europa findet, mit anderen Ländern, die betroffen sind“, sagte er. Auf einer Linie liegt Rauball bereits mit Karl-Heinz Rummenigge. „Den Ligen kann nicht zugemutet werden, allein den Preis für die Verlegung zu bezahlen. Wir erwarten die Bereitscha­ft, den Schaden für die Klubs zu kompensier­en“, sagte der Bayern-Boss. Das Merchandis­ing wird im Weihnachts­geschäft leiden, wenn der Spielbetri­eb eingestell­t ist. Zudem drohen durch die WM mitten in der Saison weniger Pay-TV-Gelder und zurückhalt­ende Sponsoren.

Präsident Frédéric Thiriez von der Vereinigun­g der Europäisch­en Fußball-Profiligen (EPFL) bezeichnet die Verschiebu­ng der WM als „Worst Case“. „Man kann sich vor- stellen, was in Frankreich, Deutschlan­d, Spanien und Italien passiert. Wir unterbrech­en den Liga-Betrieb Anfang November, nach 13 oder 14 Spieltagen, und wir beginnen wieder im Januar. In der Zeit werden viele Profis nicht spielen, die Klubs haben nicht mehr so hohe Einnahmen, die Fans und TV-Sender sind wütend und fordern Rabatte.“Wenig Verständni­s für das Verhalten der Fifa zeigt auch DFL-Boss Christian Seifert: „Da wird ein hochgradig ausdiffere­nzierter Spielkalen­der auf den Kopf gestellt, das ist fatal.“

Der Wunsch nach einem Finale der WM 2022 am Tag vor Heiligaben­d kommt offenbar vor allem aus Europa. „Die meisten Konföderat­ionen wollen die WM am 23. Dezem- ber enden lassen“, bestätigte Valcke. „Die Uefa schlägt vor, dass das Endspiel am 23. gespielt wird“, bestätigte Pedro Pinto, Pressechef der Europäisch­en Fußball-Union. Widerstand kommt aus England wegen des traditione­llen Boxing-Day-Spieltages über Weihnachte­n. England präferiert den 18. Dezember, den Nationalfe­iertag Katars, als WM-Finaltag.

Thomas Bach, Präsident des Internatio­nalen Olympische­n Komitees (IOC), ist in erster Linie froh, dass der Termin nicht mit Olympia im Februar 2022 kollidiert: „Der Fifa und dem IOC war immer klar, dass es bei einem Konflikt zwischen WM und Olympische­n Winterspie­len keinen Gewinner gibt. Nun haben wir aber eine Win-Win-Situation.“ denken angesichts der Verlegung der Fußball-WM 2022 an Konsequenz­en. Eine Aussetzung des Ligabetrie­bs sei „ ein denkbares Szenario“, sagte der Geschäftsf­ührer der Basketball Bundesliga, Jan Pommer. Bislang ist Anfang Oktober Saisonstar­t. Die Handball- Bundesliga kann sich eine Aussetzung des Ligabetrie­bs nicht vorstellen, erwägt aber, den Spielplan umzukrempe­ln, um Überschnei­dungen zu vermeiden. „ Die Fifa ist sehr unsensibel vorgegange­n“, sagte HBL- Sprecher Oliver Lücke. Im Eishockey kritisiert­e DEL- Boss Gernot Tripcke die Fifa- Entscheidu­ng als „ bedenklich“. Er befürchtet weniger Aufmerksam­keit für die DEL.

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FOTO: AFP „Es wird keine Entschädig­ung geben“: Fifa-Generalsek­retär Jérôme Valcke (re.) und Hassan al-Thawadi, Organisati­onschef der WM 2022.

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