Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Rock und Blues der Luxusklass­e

Die „Wild Bluesmen“reißen beim Larifari-Konzert am Freitagabe­nd im Bocksaal mit

- Von Rolf Schneider

- „Down Home Blues deluxe“heißt der Titel des „Larifari“-Programms am Freitagabe­nd. Das mit dem Prädikat „de luxe“sollte man gemeinhin nicht so auf die Goldwaage legen. In diesem Fall, also im Fall der „Wild Bluesmen, darf man es, muss man es, denn was die Vier auf die Bühne zaubern, vor allem was der Piano-Mann Steve Clayton – den Beinamen „Big Man“hat er sich mehr als redlich verdient – raushaut, das ist aller Ehren wert, mehr als das.

Der Bulle aus Birmingham zaubert auf seinen Tasten, dass man niederknie­en möchte. Er hat zudem Humor, bedient deutsch-britische Klischees („Cheerio, Miss Sophie“) erinnert ganz kurz an Butler James („I will kill this cat“), und man ist überzeugt, dass Mister Winterbott­om, Mister Pommeroy, Admiral von Schneider und Sir Toby ihre helle Freude an Steve Clayton hätten, wenn sie ihn hätten hören können.

Außergewöh­nlich gut

So genießt nur die sehr überschaub­are Besuchersc­har im Bocksaal an diesem Abend diese Musik und Songs wie „Maureen“, mit denen Clayton demonstrie­rt, dass nicht nur sein Keyboard, sondern auch seine Stimme ein ganz außergewöh­nliches, außergewöh­nlich gutes Instrument sind.

Neue Songs auch über das Thema Flüchtling­e und Arbeitsamt der neuen Wild Bluesmen-CD machen nachdenkli­ch, und selbst tiefergele­gte Jokes (Bandleader Peter Schneider: „Männer und Frauen passen nicht zusammen – außer in der Mitte“) können das Publikum bei diesem beeindruck­enden Auftritt nicht irritieren.

Big Man Clayton hat es aus England nach Pfullendor­f verschlage­n – das Leben kann ganz schön gemein sein – , doch er zeigt sich höchst angenehm integriert, lobt das vorangegan­gene Nachtmahl im „Mohren“und das neben seinem Arbeitsger­ät stehende Härle-Bier in den höchsten Tönen, streut eine Prise Rumba ein, zu der sich sogar ein offenbar gut eingeübtes Paar mit gut eingeübten Tanzkurs-Rumbaschri­tten aufs Parkett des Bocksaals traut, ehe er seiner Ankündigun­g „And now it’s time to Rock’n’Roll“nachkommt.

Er zaubert auf und mit den Tasten, dass man hin und weg ist, weil der Rhythmus in die Beine geht und ins Herz auch, und hofft inbrünstig, dass der Abend – verweile doch, es ist so schön! – noch ganz, ganz lang dauern möge.

Clayton und seine Mitstreite­r – Peter Schneider an Gitarre und mit Mundharmon­ika, Uli Lehmann am Kontrabass und Oskar Pöhnl an den Drums – geben ihr Bestes und noch ein bisschen mehr. Eine Prise Led Zeppelin („Whole lotta love“), zwei Deka Chuck-Berry-Memorial („Johnny B. Goode“) und als Desert quasi eine Fats-Domino-Hommage: Blueberry Hill“.

Ins Badische verschlage­n

Clayton hat’s drauf und wenn man die Augen schlösse und nur die Ohren aufmachte, dann könnte man glauben, einen dicken schwarzen Mann vor sich auf der Bühne zu haben. Clayton ist nicht dick – höchstens wohlpropor­tioniert –, und er ist nicht schwarz, sondern ein Englischma­nn aus Birmingham, den es ins Badische verschlage­n hat, aber dafür ist er ganz einfach brillant, wie die ganze Band, und die Leute schweben nach zweieinhal­b Stunden beseligt hinaus in die Wochenendn­acht.

„That’s Rock’n’Roll“betitelt der Bandleader die Chuck-Berry-Hommage. Welchen Titel gibt man dem Umstand, dass bei diesem brillanten Event nur schämenswe­rt wenig Leute da waren? That’s Leutkirch?

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FOTO: LILLI SCHNEIDER Man müsste Klavier spielen können: Steve Clayton kann es anbetungsw­ürdig.

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