Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
80 000 Menschen erhalten zusätzlich Pflegeleistungen
Krankenkassen ziehen positive Bilanz 100 Tage nach dem Start der Reform
(KNA) - 100 Tage nach dem Start der größten Reform seit Bestehen der Pflegeversicherung haben die Krankenkassen eine erste positive Bilanz gezogen. „Die Versorgung ist besser geworden“, sagte der Bundesgeschäftsführer der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK), Peter Pick, in Berlin. Die Kassen hätten die Antragsflut gut bewältigt. Von den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen werde das neue System akzeptiert, weil es transparent und nachvollziehbar sei.
Seit 1. Januar erhalten insbesondere 1,6 Millionen Demenzkranke mehr Leistungen. Um den Hilfebedarf besser abzubilden, werden alle 2,9 Millionen Leistungsempfänger nicht mehr in drei Pflegestufen eingruppiert, sondern in fünf Pflegegrade. Durch die seit Jahresbeginn wirkende Pflegereform haben rund 80 000 Menschen Pflegeleistungen bekommen, die sonst leer ausgegangen wären. Insgesamt dürften dies im Gesamtjahr 2017 rund 200 000 Menschen sein.
Der Medizinische Dienst begutachtet die Pflegebedürftigen und entscheidet, welchen Pflegegrad sie erhalten. Laut Pick haben die Gutachter im ersten Quartal 222 178 Patienten nach dem neuen System eingeschätzt. Bei 80 Prozent sei einer der fünf Pflegegrade empfohlen worden. Rund 129 000 Pflegebedürftige erhielten erstmals Pflegeleistungen.
Pick räumte ein, dass die Versicherten zunächst mit einer Bearbeitungsdauer von sechs bis acht Wochen rechnen müssten; bislang waren es vier Wochen. Grund sei die deutlich gestiegene Zahl der Anträge um knapp ein Drittel. In dringenden Fällen gibt es kürzere gesetzliche Fristen für die Bearbeitung. So gilt für Pflegebedürftige, die vom Krankenhaus oder aus der Reha in die Pflege wechseln, eine Ein-Wochen-Frist. Gleiches trifft auf Palliativpatienten zu. Für Angehörige, die eine Pflegezeit beantragen, gilt eine Zwei-Wochen-Frist.
Bewertet wird bei jedem Antragsteller der Grad der Selbstständigkeit in sechs elementaren Lebensbereichen: Die Spanne reicht von Mobilität und Selbstversorgung über Verhaltensweisen und psychische Problemlagen, kognitive und kommunikative Fähigkeiten bis hin zum Umgang mit Krankheit.
Die Reform kostet pro Jahr rund fünf Milliarden Euro. Zum 1. Januar waren deshalb die Beitragssätze erneut um 0,2 Prozentpunkte auf 2,55 beziehungsweise 2,8 Prozent für Kinderlose angehoben worden.