Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Wahre Unkenrufe
Haldex-Übernahme durch Knorr-Bremse wackelt – Warnungen von ZF könnten sich als richtig erweisen
- Es war ein Bieterkampf, der die Autoindustrie im vergangenen Herbst elektrisiert hat. Der drittgrößte Zulieferer der Welt, ZF mit Sitz in Friedrichshafen am Bodensee, stritt sich mit dem Traditionsunternehmen Knorr-Bremse um den schwedischen Bremsenhersteller Haldex. Knorr-Bremse gewann – und kündigte an, die Übernahme so bald wie möglich zu vollziehen.
Nun wird klar: Der Plan stockt immer mehr. Knorr-Bremse hat mittlerweile zum dritten Mal bei der schwedischen Börsenaufsicht beantragt, die Annahmefrist für das Angebot zu verlängern. Nun soll es nicht bis zum 16. Juni, sondern bis zum 26. September laufen. Zuerst bat Knorr-Bremse im Dezember um mehr Zeit bis Februar, im Februar hieß es dann, die Frist solle bis Sommer laufen. Erst vor Kurzem hatte Knorr-Bremse-Chef Klaus Deller erklärt, sein Unternehmen wolle die Übernahme zeitnah abschließen.
Hintergrund der abermaligen Bitte um Aufschub ist das Ringen des Unternehmens aus München, von den Kartellbehörden die Freigabe für das Geschäft zu erhalten. Beide Firmen – Haldex wie Knorr-Bremse – stellen Bremsen für Nutzfahrzeuge her, ihre Produktpalette und damit ihre Kunden überschneiden sich in vielen Bereichen, weswegen die Kartellbehörden besonders genau hinschauen, ob durch die Übernahme der Wettbewerb in dem Markt nicht zu sehr beeinträchtigt wird.
Freigabe „nicht eindimensional“
Knorr-Bremse begründet den Antrag mit der „Einschätzung, dass die Chancen einer Kartellfreigabe zu vertretbaren Bedingungen deutlich verbessert werden, wenn Knorr-Bremse mehr Zeit gewährt wird, um den Behörden umfangreichere und detailliertere Informationen zur Verfügung zu stellen.“Die Frage, ob KnorrBremse die regulatorischen Bedingungen unterschätzt habe, wollte das Unternehmen nicht beantworten. Ein solcher Freigabeprozess sei „eben nicht eindimensional“, und man benötige „ein wenig mehr Flexibilität“, erklärte ein Sprecher auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Es sei nach wie vor das Ziel, durch die Übernahme einen führenden Systemlieferanten für die Nutzfahrzeugindustrie zu schaffen. Und „wir sind nach wie vor optimistisch, die Übernahme erfolgreich abzuschließen.“
Brisant ist diese Entwicklung, weil es in dem Bieterwettstreit zwischen ZF und Knorr-Bremse um die Schwierigkeiten bei der Kartellfreigabe gegangen war. Im September hatte ZF 120 Kronen pro Aktie und damit etwa 550 Millionen Euro geboten. Am selben Tag überbot Knorr-Bremse ZF mit 125 Kronen – im Unterschied zum Konkurrenten vom Bodensee stand bei Knorr-Bremse die kartellrechtliche Freigabe aber noch aus, während die Behörden einer Übernahme von Haldex durch ZF schon zugestimmt hatten. ZF bietet selber keine Lastwagenbremsen an, weswegen die Gefahr einer Wettbewerbseinschränkung bei einem Zuschlag für ZF nicht bestand. ZF entschloss sich, das eigene Angebot nicht zu erhöhen und warb damit, die kartellrechtliche Erlaubnis schon zu haben – im Gegensatz zum Rivalen. Knorr-Bremse erklärte dagegen, die Freigabe zeitnah zu erhalten. Die Aktionäre entschieden sich aber gegen ZF und für Knorr-Bremse.
Der Zulieferer ZF, der noch immer rund 20 Prozent von Haldex hält, äußerte sich auf Anfrage nicht zur neuesten Entwicklung. Nur so viel: „ZF hält weiterhin einen nicht unwichtigen Anteil an Haldex, wir sind an einer positiven Entwicklung des Unternehmens interessiert“, sagte ein Sprecher der „Schwäbischen Zeitung“.
Die positive Entwicklung scheint aber unsicherer denn je: Je länger sich die Übernahme hinzieht, je länger die Freigabe nicht kommt, desto größer wird die Unsicherheit bei Haldex.