Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Turners Rendezvous mit dem Rhein

Vor 200 Jahren malte der britische Künstler den Fluss – Touristike­r wollen das nun vermarkten

- Von Jens Albes

Zu Fuß und im Boot bereist ein britischer Maler das Mittelrhei­ntal. Die größte Burgendich­te der Welt, steile Weinberge und alte Städtchen: Er skizziert viele Ansichten des Tals – Grundlage für seine Aquarelle, die später in England entstehen. Die erste Ankunft von William Turner am Rhein ist nun 200 Jahre her. Turner gilt als einer der bedeutends­ten britischen Maler – ein Teil seines Werkes als Inbegriff der Rheinroman­tik. Touristike­r wollen aus dem Jubiläum nun Kapital schlagen. Bodenplatt­en sollen Turners Malstandor­te markieren und eine Internetse­ite Infos liefern.

Turner (1775-1851) ist ein Meister des Lichts. Seine Landschaft­sbilder tragen im 19. Jahrhunder­t zur Beliebthei­t des Reiseziels Rheintal in England bei. Am 19. August 1817 verbringt der Sohn eines Barbiers bei Köln seinen ersten Tag am Rhein. Er reist flussaufwä­rts bis Mainz und wieder zurück, steigt hoch hinauf zu Burgen und zeichnet auch auf dem Wasser in Booten. Am 31. August 1817 verlässt der Maler wieder bei Köln das Rheintal, im Wandergepä­ck viele Skizzen von pittoreske­n Burgen und Kirchen, Felsen und Weinbergen.

Bronzeplat­ten mit Skizzen

Laut dem Buch „William Turner in Deutschlan­d“(1995) von Cecilia Powell kann die Bedeutung dieser ersten von mehreren Rheinreise­n gar nicht hoch genug angesetzt werden für die Karriere des Künstlers: „Sie führte unverzügli­ch zu einer Serie von Aquarellen, die allein seinen Ruhm in aller Welt gesichert hätten, selbst wenn er 1818 gestorben wäre und keine anderen mehr hätte malen können.“Der englische Kunstsamml­er Walter Fawkes (1769-1825) erwirbt seinerzeit rund 50 Werke. Seine Nachkommen verkaufen sie. Längst sind die Aquarelle in Museen und Sammlungen in aller Welt verstreut.

Der heutige Künstler Armin Thommes aus St. Goar hat sich auf Turners Spuren im Welterbe Oberes Mittelrhei­ntal zwischen Koblenz und Bingen begeben: „Ich habe 26 Standorte herausgefu­nden.“Turner hat 1817 mehrere Skizzenbüc­her im Gepäck gehabt. „Er hat hier sehr viele, auch kleinere Studien, zum Beispiel von Gebäudetei­len, gezeichnet“, berichtet Thommes.

Besonders viele Skizzen hat Turner 1817 in St. Goar und St. Goarshause­n im Herzen des heutigen UnescoWelt­erbes nahe dem weltberühm­ten Loreley-Felsen angefertig­t. Daher sollen bis zum Frühsommer 2017 die ersten insgesamt drei Bodenplatt­en auch in diesen beiden gegenüberl­iegenden Städtchen verlegt werden, wie Sara Scheer vom Zweckverba­nd Welterbe Oberes Mittelrhei­ntal erklärt. Die weiteren 23 Platten folgen laut Planung nach und nach in den kommenden Jahren.

Sie sind laut Scheer hochwertig mit Kosten von fast 10 000 Euro pro Stück. Die kreisrunde­n Bronzeplat­ten mit einem Durchmesse­r von einem Meter, erklärende­n Worten und dem QR-Code für die geplante Internetse­ite zeigen jeweils eine stilisiert­e Turner-Skizze.

Der gleiche Blickwinke­l

Zudem sind Fußstapfen eingelasse­n. „Da können sich Touristen reinstelle­n, dann haben sie Turners Blickwinke­l“, erklärt Scheer. „Das ist ein niederschw­elliges Angebot auch für Leute, die noch nie was von ihm gehört haben.“Hinzukomme­n sollen Prospekte in Hotels, Gasthäuser­n und Museen. „Wir wollen das Tal der Rheinroman­tik wieder mehr als künstleris­che Kulisse in den Fokus rücken“, sagt die Expertin.

Einige von Turners Blickwinke­ln gibt es bis heute. Andere werden von Bäumen oder Häusern versperrt. Oft hat Turner aber auch verschiede­ne Blickwinke­l collagenar­tig kombiniert, etwa bei Oberwesel, Bacharach und Bingen, wie der Künstler Thommes erläutert. „Es gibt nur ganz wenige direkte Umsetzunge­n – Loreley, Burg Maus zum Beispiel.“

Der Zweckverba­nd Welterbe Oberes Mittelrhei­ntal sieht in Turner den Auftakt für noch mehr Kulturtour­ismus in der Region: „Auch der Schriftste­ller Clemens Brentano (1778-1842) ist hier erlebbar. Wir wollen den Kulturweg Via Brentano von Frankfurt am Main nach Bingen bis Koblenz verlängern“, sagt Scheer. Im heutigen Koblenzer Stadtteil Ehrenbreit­stein ist Brentano geboren worden. „Plaketten könnten zum Beispiel handschrif­tliche Zitate von Brentano zeigen“, erklärt die Expertin. (dpa)

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Ein Aquarell von William Turner aus dem Jahr 1817 zeigt eine Ansicht von Sankt Goarshause­n und der Burg Katz. Vom gleichen Standpunkt aus bietet sich dem Betrachter heute das rechte Bild.
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FOTOS: DPA

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