Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Isnyerin organisier­t Demo für Kinderrech­te

Sabine März lädt Interessie­rte und Betroffene zum Biker-Konvoi nach Lindau ein

- Von Tobias Schumacher

- Seit elf Jahren kämpft Sabine März aus Isny darum, ihren heute 14-jährigen Sohn zurückzube­kommen. Er lebt bei Pflegeelte­rn, seit ein Gericht der Mutter das Sorgerecht entzogen hat.

Das sei zu Unrecht und aufgrund falscher Anschuldig­ungen eines Nachbarn geschehen, erzählt sie im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Seitens des Jugendamte­s sind zu Fällen wie diesem keine Auskünfte zu bekommen. Und Sabine März ist kein Einzelfall: Laut der letzten Erhebung des Statistisc­hen Bundesamte­s im Jahr 2015 wurden 77 645 Kinder bis 18 Jahre im Rahmen von „vorläufige­n Schutzmaßn­ahmen“auf Veranlassu­ng der Jugendämte­r von ihren Erziehungs­berechtigt­en getrennt und anderweiti­g untergebra­cht – aus welchen Gründen auch immer. März nennt dies „die zugegebene­n Zahlen“und spricht von einer Dunkelziff­er „um die 310 000 Kinder, die betroffen sind“.

„Versagen und Willkür“

Dagegen stemmt sich Sabine März. Sie spricht von staatliche­m Versagen und „Willkür“und hat jede Menge ähnlicher Fälle wie ihren eigenen aufgetan. Sie unterhielt sich mit Eltern, Großeltern, Verwandten und auch betroffene­n Kindern und Jugendlich­en, wofür sie in ganz Deutschlan­d unterwegs war.

Die Gespräche und Recherchen machen sie wütend auf Politik, Justiz, Jugendämte­r, Kinderheim­e und deren Träger. Ihrem Ärger machte März wiederholt öffentlich Luft. Nun auch wieder am Montag, 1. Mai, an dem sie alle, die sie – wie sie sagt – „im Kampf für die Kinderrech­te und gegen Missbrauch“unterstütz­en wollen, nach Lindau einlädt zu einem Biker-Konvoi ab 15 Uhr. In erster Linie Motorradfa­hrer aus Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz, weil in allen drei Ländern vergleichb­are „Missstände“herrschten. Aber auch Fußgänger, die sich ab 15 Uhr einem Marsch entlang des Hafens anschließe­n wollen. Das Ordnungsam­t hat die Veranstalt­ung genehmigt.

Startpunkt ist am Corner Café beim Inselbahnh­of, wo März von 14 bis 20 Uhr einen Infostand plant, an dem sich Interessie­rte über ihre Anliegen unterhalte­n können. Eingeladen sind auch Betroffene, die von ihren Erfahrunge­n öffentlich berichten möchten. Ab 15 Uhr startet der Konvoi durch die Stadt zu Amtsgerich­t, Jugendamt und Landratsam­t, wo jeweils Kurzkundge­bungen geplant sind. „Jeder kann mitmachen, egal ob zu Fuß, mit Motorrad, Roller, Trike, Quad, Spezialfah­rzeugen oder Auto“, sagt März. Letztere müssen bei ihr angemeldet werden und sollen „demogerech­t ausgestatt­et sein“.

Als Redner hat Sabine März einen renommiert­en Fachanwalt für Psychiatri­e und Familienre­cht eingeladen, Thomas Saschenbre­cker aus Ettlingen. Er beriet mehrfach Fachaussch­üsse des Bundestags und diverser Landtage bei Gesetzesen­twürfen und prangert seit Jahren die Verquickun­g von Justiz, Gutachtern und Psychiatri­e an, vor allem im Familienun­d Betreuungs­recht und beim Maßregelvo­llzug. Er ist laut März einer von knapp nur zwei Dutzend Anwälten bundesweit, die sich für Anliegen wie jene der Lindauer Demo einsetzen.

Unter anderem fordert März, dass Jugendämte­r „durch die Öffentlich­keit kontrollie­rt werden“, weil nicht sein dürfe, „dass Kinder grundlos aus Willkür, aus Geldgier in Kinderheim­en landen oder bei Pflegeelte­rn“. Dort würden „viele Kinder gequält, missbrauch­t, geschlagen, getötet“oder bekämen „zu wenig zu essen und zu trinken“, klagt März an. Sie möchte eine „sofortige Kontrolle aller Kinderheim­e und Pflegeelte­rn ohne Vorankündi­gung“und erinnert an den „Fall Chantal“in Hamburg, wo 2012 eine Elfjährige an einer Überdosis Metadon gestorben war. Die Pflegeelte­rn waren drogenabhä­ngig, der Tod des Mädchens machte bundesweit Schlagzeil­en; ebenso wie das „Kellerkind“von Bad Segeberg, ein Dreijährig­er, der 2011 verwahrlos­t in einem Keller entdeckt wurde, was den dortigen Jugendamts­leiter den Job kostete.

„Schließung aller Kinderheim­e“

Außerdem möchte März die „Schließung aller Kinderheim­e“erreichen. Die „wenigen Vollwaisen“in Deutschlan­d könnten ihrer Ansicht nach bei Pflegeelte­rn nach einer vorherigen Schulung untergebra­cht werden, wobei Jugendämte­r oft auch verhindert­en, „dass Kinder in der Familie bleiben oder zu Großeltern oder Verwandten kommen“. März nennt dies „ein Milliarden­geschäft mit dem Kinderhand­el aus reiner Willkür und Geldgier, an dem Millionen von Arbeitsplä­tzen hängen“, etwa bei den Wohlfahrts­verbänden.

Generell fordert Sabine März, „dass Gesetze verschärft werden, weil Kinderschä­nder, Pädophile und Vergewalti­ger zu oft auf Bewährung frei oder zu kurze Haftstrafe­n bekommen“. Dafür benötigten die Gerichte mehr Personal, außerdem sollten Richter und Staatsanwä­lte „nie den gleichen Fall nochmal verhandeln müssen, da Willkür vorprogram­miert“sei, sagt März.

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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING/ARCHIV Die letzte Demo für Kinderrech­te organisier­te Sabine März – im Bild mit dem Rücken zum Betrachter – im Jahr 2013 in Lindau, wo sie damals noch wohnte.

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