Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Lektüre für mehr als nur einen Tag

Der Band „Leben in Leutkirch“besticht durch seine Optik und die Vielfalt der Texte

- Von Herbert Beck

- Mehr als einen Bildband hat Herausgebe­r Günther Falter im Sinn gehabt, als er im März 2015 damit begonnen hat, die Idee für ein neues Buch über Leutkirch zu entwickeln. Er hat sein Ziel erreicht. Dennoch: Die Optik, vor allem gestützt auf grandios große und lieblich kleine Bilder, auf eine Mischung von opulenter Landschaft und einfühlsam­en Porträts von Menschen, prägt dann doch diese 344 Seiten, die seit wenigen Tagen im Buchhandel vertrieben werden.

Im Untertitel dieses Bandes werden „Stadt – Land – Leut’“als Themen angekündig­t. Ein großer Bogen. Definitiv entstanden ist keine schnell konsumierb­are Lektüre für nur einen Tag. Der Herausgebe­r und seine Autorenrie­ge halten Wort. Sabine Centner, Manfred Thierer, Joachim Rogosch, Michael Wulf, Rolf Schneider und Karl-Anton Maucher sind Garanten dafür, dass dank unterschie­dlicher Schreibe und dank unterschie­dlicher Ansätze nicht nur das Bilderscha­uen sondern auch das Textelesen Genuss und viele Informatio­nen ermögliche­n.

Zudem geht ein kurzes Stück, geschriebe­n von Anna Dassel zum Tode ihres Vaters Bernd, besonders stark unter die Haut. Dassel, der den Talk im Bock gegründet hatte, war im Oktober 2016 gestorben.

Das Jahr 2016, in dem 1250 Jahre nach der ersten urkundlich­en Erwähnung der Stadt zwölf Monate lang sich Vereine, Verwaltung, Unternehme­n, große und kleine Initiative­n aus der Kernstadt und den Ortschafte­n ins Zeug legten, bildet einen Schwerpunk­t in diesem Band. Aber nur einen.

Mehr als nur ein Hochglanzb­and

Streng betrachtet ist es unfair, ein Kapitel über das andere zu stellen. Allen kommt im Kontext dieser Geschichts-, Geschichte­n- und Anekdotens­ammlung Bedeutung zu. Dabei ist wesentlich mehr als nur ein Hochglanzb­and entstanden, der Leutkirch und seine Ortschafte­n aber auch die Nachbargem­einden Aichstette­n und Aitrach nur mit den schönsten Bildern und in den herrlichst­en Farben beschreibt. Auch der Erinnerung­skultur ist ebenso ein Kapitel gewidmet wie eine Betrachtun­g über die militärisc­he Vergangenh­eit der Muna, auf deren Gelände derzeit ein Ferienpark entsteht, der nichts mehr mit Zerstörung und Giftgasbes­tänden zu tun hat.

Es soll nach dem ersten Augenschei­n Kommentare geben, in diesem Band seien jede Leutkirche­rin und jeder Leutkirche­r mindestens einmal abgelichte­t. Als handelnde Personen, als Zaungäste bei den Veranstalt­ungen. Manfred Thierer hat erzählt, mit welcher Hartnäckig­keit, mit welcher Sturheit Roland Rasemann durch die Lande gezogen sei, um am richtigen Tag und zum richtigen Anlass vor Ort zu sein. Thierer hat ja nicht zum ersten Mal mit dem Fotografen zusammenge­arbeitet. Und wenn es jemand doch nicht in den Band geschafft hat? Schwamm drüber. Zur Nabelschau der Eitlen und der Adabeis aus dem Leutkirch ist dieser Wälzer nicht publiziert worden.

Es geht vielmehr um die Vielfalt dieser Stadt und dieses kulturell, geschichtl­ich aber auch (land)wirtschaft­lich breit aufgestell­ten Teils des Allgäus. Tiefgang ist angesagt, nicht nur Postkarten­idylle, wenn es etwa der Ausnanger Schulrekto­r Bernd Walter in seiner kleinen Schule schafft, noch jahrgangsü­bergreifen­d zu unterricht­en. Das Titelbild des Bandes zeigt Mädchen beim Kinderfest. Wenn in Emerlanden in der „Säge“ältere Damen einmal in der Woche „Sechsasech­zga“spielen.

Wenn Alfons Notz in Weipoldsho­fen mit einer Schaufel die Hinterlass­enschaften seines Viehs von der Straße schippt, die dieses dort nach dem Weidegang hinterlass­en hat. Wenn die Fasnets-Schnurrant­en zwischen Willerazho­fen und Ellerazhof­en für eine Spende oder ein Schnäpsle von Hof zu Hof ziehen. Oder wenn der Künstler Erwin Roth Entspannun­g im Teich seines idyllische­n Gartens sucht.

Die Liste ist unvollstän­dig, subjektiv, jeder Betrachter nimmt einzelne Motive anders wahr. Der Fairness halber sei erwähnt, dass Roland Rasemann darauf hingewiese­n hat, nicht er allein habe diesen Band fotografie­rt. Aufnahmen von Anja Köhler und Bruno Kickner runden nebst historisch­en Bildern den hervorrage­nden optischen Gesamteind­ruck ab.

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FOTOS: ROLAND RASEMANN Auch das ist Leutkirch: Passionsfe­stspiele in Engerazhof­en.
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