Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Vögel leiden unter Insektenst­erben

Immer weniger Zugvögel kehren in oberschwäb­ische Gärten zurück, weil ihnen die Nahrung fehlt

- Von Karin Geupel

- Viele Zugvögel kommen jetzt wieder in die oberschwäb­ischen Gärten zurück - oder sind bereits da. Doch jedes Jahr werden es weniger: Denn mit dem Insektenst­erben bricht für die meisten Zugvögel die Nahrungsgr­undlage weg und auch den Obstbauern fehlen die Insekten.

„80 Prozent der Biomasse der Insekten sind in den vergangene­n zehn Jahren weggefalle­n“, sagt Georg Heine vom Naturschut­zbund (Nabu) Wangen. Ursachen dafür kennt sein Kollege Willi Mayer vom Nabu Ravensburg: „Aufgrund von Insektizid­en und intensiver Landnutzun­g gibt es für die Insekten keine Nahrung mehr, oder sie können gar nicht erst ihre Eier legen.“Dadurch, dass in der Landwirtsc­haft gerade auch blühende Pflanzen als Unkraut behandelt und deshalb besprüht und entfernt werden, fehle den Insekten die Nahrung. Als besonders anschaulic­hes Beispiel nennt Willi Mayer Schmetterl­inge, deren Fehlen im Garten schnell auffällt. „Manche Schmetterl­ingsarten haben nur zwei bis drei Nahrungspf­lanzen, oder sie legen ihre Eier nur an eine bestimmte Pflanze. Wenn diese nicht gefunden wird, kann der Schmetterl­ing sich nicht fortpflanz­en“, erklärt Mayer. Ähnlich ergeht es Wildbienen, die meist ganz spezielle Nahrungspf­lanzen bevorzugen. Der Rückgang der bestäubend­en Insekten macht auch Obstbauern zu schaffen, da nur aus bestäubten Blüten Früchte entstehen. „Weil es immer weniger Wildbienen gibt, stellen die Obstbauern inzwischen oft Bienenvölk­er auf die Obstwiesen“, sagt Mayer.

Noch härter treffe das Insektenst­erben aber die heimischen Vögel, warnt die Umweltakad­emie BadenWürtt­emberg in einer aktuellen Pressemitt­eilung. Viele der bisher hier heimischen Singvögel seien deshalb inzwischen vom Aussterben bedroht. Die Vogelzählu­ng des Nabu im Kreis Ravensburg im Winter hat ergeben, dass nur noch halb so oft Meisen in den Gärten anzutreffe­n sind, wie noch vor fünf Jahren. Meisen sind zwar Körnerfres­ser, doch wie die meisten anderen Vogelarten ziehen auch sie ihre Brut mit Insekten auf. „Den Meisen kann man helfen, indem man auch im Sommer, während der Brutzeit Vögel im Garten füttert“, sagt Georg Heine vom Nabu Wangen. So könnten die Meisen die wenigen Insekten für ihre Brut fangen und selbst Körner aus den Vogelhäusc­hen fressen.

Zugvögeln, die ausschließ­lich von Insekten leben, hilft das Vogelhäusc­hen mit Körnern im Garten allerdings wenig. „Allein in Deutschlan­d hat die Population der 70 einheimisc­hen Zugvogelar­ten seit Beginn des 20. Jahrhunder­ts um 70 Prozent abgenommen, 45 Zugvogelar­ten sind sogar vom Aussterben bedroht“, so die Umweltakad­emie Baden-Württember­g. Einer davon ist beispielsw­eise die Feldlerche, sagt Georg Heine. „Früher war sie noch oft anzutreffe­n. Heute ist sie in Obeschwabe­n bis auf wenige Gebiete schon ausgestorb­en“, so Heine. Außerdem stark betroffen: Gartenrots­chwanz, Fitis und Waldlaubsä­nger, ebenfalls alles Zugvögel, die in den vergangene­n zwanzig Jahren nahezu aus Oberschwab­en verschwund­en sind. „Das liegt an der Nahrungske­tte: Blüten, Insekten, Vögel. Wenn ein Glied fehlt, dann leiden die anderen Glieder auch“, erklärt Georg Heine.

Doch daran kann jeder einzelne Gartenbesi­tzer zumindest im eigenen Garten etwas ändern - und somit auch den Vögeln helfen. „Wenn man nicht ganz so drastisch mäht, mal ein paar Blüten für die Insekten stehen lässt, gibt es mehr Nahrung für Insekten und somit auch für die Vögel“, sagt Heine. Und auch die Obstbaumbe­sitzer würden sich freuen, wenn es wieder mehr Wildbienen gibt, die ihre Obstbäume bestäubten.

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FOTO: NABU/GROSS Die Feldlerche findet nicht mehr genügend Nahrung und ist deshalb bedroht.

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