Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Wenn jeder für alles zuständig ist
Ein Blick hinter die Kulissen des Zirkus Roland Busch
- Humor ist, wenn man trotz nasser Füße lacht. Jan Bühring, Chef vom Dienst des drittgrößten deutschen Zirkusunternehmens Roland Busch, begrüßt am Freitagnachmittag vor der Premiere die Gewinner der SZ-Verlosung, die nicht nur ein Ticket, sondern auch die Berechtigung für einen Blick hinter die Zirkuskulissen gewonnen haben, und zählt seine Schäflein durch: „Wir haben heute mehrere Gewinner. Den Hauptgewinn haben natürlich wir mit dem Wetter gezogen.“Die Zirkusarbeiter schuften wie die Esel, damit trotz Schlamm und Schnee alles pünktlich losgehen kann. Klappt natürlich alles. Schließlich, so Bühring, ist jeder für alles zuständig, und das an einem Arbeitstag, der um neun Uhr losgeht und um 23 aufhört.
Da tun sich Carla (50 Jahre, fünf Tonnen) und Mashibi (35 Jahre, dreieinhalb Tonnen), zwei Elefantendamen aus Afrika und Indien leichter. Sie mümmeln an Ästen, Zweigen und Möhren und warten auf ihren Auftritt, der neben der Pferdedressur einer der Höhepunkte jeder Vorstellung ist – so lange es die beiden dickhäutigen Damen noch gibt. Was nicht an militanten Tierschützern liegt. Bühring: „Das Veterinäramt ist für mich maßgebend. Alles andere ist Getöse. Das Wohlergehen der Tiere steht bei uns an erster Stelle.“Maßgeblich ist vielmehr die Endlichkeit auch des Elefanten-Daseins: „Wenn die beiden nicht mehr da sind, gibt es in unserem Zirkus keine Elefanten mehr.“
Leise Wehmut senkt sich über die Kinder in der Besucherschar wie die Schneeflocken Stunden zuvor über Leutkirch, doch diese wehe Besinnlichkeit dauert nicht lange, weil das drei Tage alte Lama-Fohlen, das um seine Mama streicht, doch gar zu süß ist, und weil der Esel daneben unbedingt gestreichelt werden muss, und weil die gewaltigen Hörner der Watussi-Rinder doch sehr imponierend sind.
„Du musst jede Woche einen neuen Platz finden.“Jan Bühring, Chef vom Dienst beim Zirkus Roland Busch
Inzwischen haben die Zirkusarbeiter ihren blauen Anton mit Livreen vertauscht, die Artistinnen, die Popcorn verkaufen und anderen Krimskrams, haben sich in Schale geworfen und eine Art von Kriegsbemalung aufgelegt, und die vierköpfige Kapelle aus Polen – hier wird die Musik noch von Hand gemacht – scharrt auch in den Startlöchern.
80 Tiere, 100 Mitarbeiter, heute hier, morgen dort, vorgestern Crailsheim, kommende Woche Kempten und Kaufbeuren. Bühring: „Du musst halt jede Woche ‘nen neuen Platz finden. Wenn man gut plant, geht alles.“Offensichtlich hat die alte Zirkustradition trotz Internet und Netflix immer noch ihre Daseinsberechtigung. Der Name des drittgrößten deutschen Manegeunternehmens zieht, und an Artisten-Bewerbungen ist auch kein Mange. Der alte Zauber – Manegengeruch, Tier-Ausdünstungen, Zirkusmusik – wirkt noch immer. Vom Charme Carlas und Mashibis ganz zu schweigen. Solange es sie noch gibt.