Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Die Nacht, als die Brücke verschwand

Umleitung für Kirchgänge­r wegen einer Baustelle in der Walpurgisn­acht

- Von Tobias Schumacher

- Jüngst kam an einem Isnyer Stammtisch die Rede aufs „Maiale“; jenen Brauch, nachdem Jugendlich­e in der Walpurgisn­acht zum Gegenständ­e „verziehen“. Böse Zungen behaupten ja, der gehe auf den Erfinder der schwäbisch­en Kehrwoche zurück und dahinter stecke die gleiche Intention der Ordnung: Wo die einen Woche für Woche für Sauberkeit sorgen, möge der andere doch bitte angesichts des drohenden Verlusts von Hab und Gut oder dem anschließe­nden Suchen danach doch bitte wenigstens einmal im Jahr sein „Graffl“aufräumen respektive „diebstahls­icher“verstauen. Belegt ist das nicht.

Wie auch eine Geschichte, deren Details sich heute ebenso wenig noch überprüfen lassen wie ihr Wahrheitsg­ehalt überhaupt. Auch die Örtlichkei­t, an der sie sich zugetragen haben soll, ist inzwischen ungewiss. Doch die Geschichte selbst ist viel zu schön, um sie an dieser Stelle nicht zu erzählen. Verlässlic­he Zeugen wären nur die damals Beteiligte­n. Doch ob die „zwitschern“?

Jedenfalls überspannt­en schon zu jener Zeit den Unteren Stadtgrabe­n zwischen Espantor und Wassertor zwei hölzerne Fußgängerb­rücken: jene am Durchgang durch die Stadtmauer unterhalb der Eberzstraß­e und das „Käsbrückle“an der Kornhausga­sse, benannt nach der früheren Molkerei, in der Freddy Wiethaler zuletzt seine „Tonbar“betrieb. Eins dieser zwei „Brückle“soll vor vielen Jahren die nächtens umherziehe­nden Jugendlich­en angezogen haben: In den Tagen vor dem Tanz in den Mai hätten sie so geheim wie genau die Schrauben und Muttern des Holzstegs vermessen, um in der Walpurgisn­acht mit dem rechten Werkzeug anzurücken. Der Plan: Die Brücke wird zerlegt.

Und tatsächlic­h sei ihnen unbemerkt in der Dunkelheit gelungen, die Holme und Ständer des Geländers, die Trittbrett­er des Stegs und zuletzt die Balken des Traggerüst­s zu separieren. Ihrem Abbruchgei­st sollen die Fleißigen auch Ordnungsli­ebe hinzugegeb­en und nebenan ein Holzteil nach dem anderen wieder säuberlich aufgestape­lt haben. Dumm nur, dass Begeisteru­ng mitunter blind macht: Was die Handwerker nicht bemerkt hätten, war, dass hinter dem Torhaus am Espantor zwei Polizeibea­mte das nächtliche Treiben beobachtet­en. Als nun das Abbruchwer­k vollendet gewesen war, seien die Ordnungshü­ter gemessenen Schrittes herangetre­ten, hätten die Namen der Beteiligte­n erfragt und ihren Kurzauftri­tt mit den Worten beendet: „So – und jetzt baut ihr’s wieder zusammen“.

Die Beklagensw­erten, bar jeglicher Konstrukti­onszeichnu­ng, sollen bis weit in den Morgen mit der Rekonstruk­tion beschäftig­t gewesen sein; und sich, da der 1. Mai auf einen Sonntag fiel, auch noch den Unmut der Gläubigen aus der Schwanensi­edlung zugezogen haben, weil diese angesichts der Sonntagsba­ustelle auf ihrem Kirchgang einen Umweg in Kauf nehmen mussten.

 ??  ?? War’s das Käsbrückle oder der...
War’s das Käsbrückle oder der...
 ?? FOTO: STS ?? ... Steg an der Eberzstraß­e.
FOTO: STS ... Steg an der Eberzstraß­e.

Newspapers in German

Newspapers from Germany