Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Die Nacht, als die Brücke verschwand
Umleitung für Kirchgänger wegen einer Baustelle in der Walpurgisnacht
- Jüngst kam an einem Isnyer Stammtisch die Rede aufs „Maiale“; jenen Brauch, nachdem Jugendliche in der Walpurgisnacht zum Gegenstände „verziehen“. Böse Zungen behaupten ja, der gehe auf den Erfinder der schwäbischen Kehrwoche zurück und dahinter stecke die gleiche Intention der Ordnung: Wo die einen Woche für Woche für Sauberkeit sorgen, möge der andere doch bitte angesichts des drohenden Verlusts von Hab und Gut oder dem anschließenden Suchen danach doch bitte wenigstens einmal im Jahr sein „Graffl“aufräumen respektive „diebstahlsicher“verstauen. Belegt ist das nicht.
Wie auch eine Geschichte, deren Details sich heute ebenso wenig noch überprüfen lassen wie ihr Wahrheitsgehalt überhaupt. Auch die Örtlichkeit, an der sie sich zugetragen haben soll, ist inzwischen ungewiss. Doch die Geschichte selbst ist viel zu schön, um sie an dieser Stelle nicht zu erzählen. Verlässliche Zeugen wären nur die damals Beteiligten. Doch ob die „zwitschern“?
Jedenfalls überspannten schon zu jener Zeit den Unteren Stadtgraben zwischen Espantor und Wassertor zwei hölzerne Fußgängerbrücken: jene am Durchgang durch die Stadtmauer unterhalb der Eberzstraße und das „Käsbrückle“an der Kornhausgasse, benannt nach der früheren Molkerei, in der Freddy Wiethaler zuletzt seine „Tonbar“betrieb. Eins dieser zwei „Brückle“soll vor vielen Jahren die nächtens umherziehenden Jugendlichen angezogen haben: In den Tagen vor dem Tanz in den Mai hätten sie so geheim wie genau die Schrauben und Muttern des Holzstegs vermessen, um in der Walpurgisnacht mit dem rechten Werkzeug anzurücken. Der Plan: Die Brücke wird zerlegt.
Und tatsächlich sei ihnen unbemerkt in der Dunkelheit gelungen, die Holme und Ständer des Geländers, die Trittbretter des Stegs und zuletzt die Balken des Traggerüsts zu separieren. Ihrem Abbruchgeist sollen die Fleißigen auch Ordnungsliebe hinzugegeben und nebenan ein Holzteil nach dem anderen wieder säuberlich aufgestapelt haben. Dumm nur, dass Begeisterung mitunter blind macht: Was die Handwerker nicht bemerkt hätten, war, dass hinter dem Torhaus am Espantor zwei Polizeibeamte das nächtliche Treiben beobachteten. Als nun das Abbruchwerk vollendet gewesen war, seien die Ordnungshüter gemessenen Schrittes herangetreten, hätten die Namen der Beteiligten erfragt und ihren Kurzauftritt mit den Worten beendet: „So – und jetzt baut ihr’s wieder zusammen“.
Die Beklagenswerten, bar jeglicher Konstruktionszeichnung, sollen bis weit in den Morgen mit der Rekonstruktion beschäftigt gewesen sein; und sich, da der 1. Mai auf einen Sonntag fiel, auch noch den Unmut der Gläubigen aus der Schwanensiedlung zugezogen haben, weil diese angesichts der Sonntagsbaustelle auf ihrem Kirchgang einen Umweg in Kauf nehmen mussten.