Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Wo der Rubel besonders rollt
Bad Grönenbach, Buxheim, Haldenwang und Irsee liegen in Allgäu-Statistik vorn – Ein Erklärungsversuch
- Egal ob Regen oder Sonnenschein: Die Kemptener Innenstadt ist fast immer proppenvoll. Das spricht für die Attraktivität der Geschäfte – aber auch für die hohe Kaufkraft der Bürger aus Kempten und dem Umland. Die Kaufkraft sagt aus, wie viel Geld jeder Haushalt für Konsumzwecke übrig hat. Und dieser Wert ist laut Nexiga, einem renommierten Unternehmen für Geomarketing mit Sitz in Bonn, in einigen Allgäuer Kommunen besonders hoch: In Haldenwang (Oberallgäu), Irsee (Ostallgäu) sowie im Unterallgäu in Buxheim und Bad Grönenbach.
Nexiga analysiert nach eigenen Angaben jährlich eine Vielzahl von Daten, um die Entwicklung der Kaufkraft darzustellen. Dies soll vor allem Unternehmen bei der Entscheidung helfen, wo sich eine Firmenansiedlung oder eine Filialeröffnung im Einzelhandel lohnen dürfte. Die Statistik zeigt natürlich auch die Kehrseite. So zählen Apfeltrach im Unterallgäu sowie Günzach und Eisenberg im Ostallgäu zu den Gemeinden mit der schwächsten Kaufkraft in der Region.
Insgesamt ist die Kaufkraft in Deutschland 2017 gestiegen. Dieses Jahr hat jeder Einwohner im Schnitt 245 Euro mehr im Geldbeutel als im Vorjahr. Im Schnitt haben die Menschen 22 563 Euro pro Jahr für Ausgaben zur Verfügung. An diesem deutschlandweiten Wert messen sich auch die Allgäuer Gemeinden.
Die Stadt Kempten liegt mit einem Index von 102 fast exakt im Mittel. „Die Kaufkraft ist Ausdruck einer gesunden Wirtschafts- und Sozialstruktur. Die niedrige Arbeitslosenquote und die vielfältige Unternehmenslandschaft sorgen für gute Haushaltseinkommen“, sagt Richard Schießl, Wirtschaftsreferent der Stadt Kempten. Davon profitiere der Einzelhandel und damit insbesondere die Innenstadt.
Doch die hohe Kaufkraft komme nicht automatisch beim örtlichen Handel an, heißt es etwa bei Jahn und Heinrich, einem Fachgeschäft für Lederwarenund Reisegepäck in der Kemptener Fußgängerzone. Denn der Konsum verlagere sich zunehmend ins Internet. Diese Entwicklung sei für viele Geschäfte spürbar, sagt der Inhaber.
Irsee im Ostallgäu (Index 120) ist bekannt als Gemeinde mit einem überdurchschnittlich hohen Anteil vermögender Bürger. Dieses Jahr erwartet Bürgermeister Andreas Lieb einen stattlichen Einkommensteueranteil von 990 000 Euro. „Das liegt an der bunt gemischten Bevölkerung von Intellektuellen, Gewerbe- und Dienstleistungsbetreibern. Daher sind die Bürger sehr einkommensstark“, sagt Lieb. Das mache sich auch am Ortsbild mit guten Straßen und einem gepflegten Äußeren bemerkbar.
Josef Wölfle, Bürgermeister von Haldenwang, kann sich das gute Abschneiden seiner Gemeinde (Index 116) nicht ganz erklären. Doch mit einem Blick auf die Einkommenssteuerbeteiligung lässt sich auch hier auf etliche Gut-Verdiener in der Gemeinde schließen. Dass in Haldenwang viele Bürger Wohneigentum besitzen und keine Miete zahlen müssen, könnte laut Wölfle erklären, warum die Haldenwanger mehr Geld ausgeben können als andere.
Die Spitzenkaufkraft ist allerdings in Bad Grönenbach (Index 130) Zuhause. Warum die Unterallgäuer Gemeinde mehr Besser-Verdienende zählt als andere? „Durch unser Kurwesen haben wir viel medizinisches Personal und Ärzte vor Ort“, sagt Rathauschef Bernhard Kerler. Doch zum Shoppen würden dann doch die meisten nach Kempten oder Memmingen fahren.
Demografischer Wandel
Am wenigsten Geld für den Konsum haben laut Statistik die Bewohner der Gemeinden Eisenberg (Index 82) und Günzach (Index 79) übrig. Manfred Kössel, Bürgermeister von Eisenberg, kann sich das nicht erklären. „Wir haben Hotelbetriebe und Gaststätten vor Ort, die gut laufen. Auch gibt es in Eisenberg viele Privatvermieter. Auch an Arbeitsplätzen in Metall- und Handwerksbetriebe mangelt es nicht.“
Günzachs Bürgermeisterin Wilma Hofer bringt die niedrige Kaufkraft mit dem demografischen Wandel in Verbindung. Die Zahl der Rentner steige – „und die haben nicht mehr so viel Geld zur Verfügung.“