Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Bruder des Manchester-Attentäters wollte deutschen UN-Libyen-Gesandten töten
Großbritannien hebt höchste Terrorwarnstufe auf – Debatte um innere Sicherheit
Der Äthiopier Tedros Adhanom Ghebreyesus ist der neue Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation.
- Der jüngere Bruder des Attentäters von Manchester hatte einer britischen Zeitung zufolge einen Terroranschlag auf den deutschen UN-Libyen-Gesandten Martin Kobler geplant. Der für Anfang dieses Jahres vorgesehene Angriff auf Koblers Konvoi wurde verhindert, wie der „Telegraph“berichtete.
Der 20-jährige Hashim Abedi gehöre einer Dschihadisten-Gruppe an. Libysche Sicherheitskräfte hätten die Gruppe monatelang beobachtet, schrieb die Zeitung und berief sich auf Diplomatenkreise.
Erstmals veröffentlichte die Polizei Fotos des 22-jährigen Attentäters von Manchester kurz vor seinem Anschlag auf Besucher eines Pop-Konzerts. Die Polizei bat die Bevölkerung um Hinweise zu einer Wohnung, in der sich Salman Abedi vor der Tat aufgehalten haben soll. Vermutlich setzte er dort die Bombe zusammen. Die Ermittler gehen von einem Netzwerk hinter der Attacke aus. Am Sonntag nahm die Polizei zwei weitere Männer fest. Damit befinden sich insgesamt 14 Verdächtige nach dem Attentat in Großbritannien in Gewahrsam. Darunter ist auch der ältere Bruder des Attentäters, der 24-jährige Ismail.
Großbritannien hatte zuvor seine höchste Terrorwarnstufe wieder aufgehoben. Experten senkten die Gefahreneinschätzung von „kritisch“auf „ernst“. Dennoch gerät in Großbritannien die innere Sicherheit immer mehr zum Wahlkampfthema. Premierministerin Theresa May In Großbritannien wurde die Terrorwarnstufe von „kritisch“auf „ernst“gesenkt. wies am Sonntag auf das konservative Wahlprogramm hin: Bereits vor der Bluttat enthielt es die Idee einer Extremismuskommission, die mögliche neue Gesetze erarbeiten soll. „Wir wissen, dass wir mehr tun müssen", teilte Innenministerin Amber Rudd mit und reagierte damit auf erste Kritik durch Angehörige der 22 Toten und mehreren Dutzend Verletzten von Manchester. „Wenn unsere Regierung nicht die Augen öffnet, werden wir nur Teil einer langen Reihe von Familien sein, die vom Terrorismus zerstört werden“, glaubt der Vater der 18-jährigen Georgina Callander. Sie war in der Nacht zum Dienstag als erste Tote identifiziert worden.
Nach Rudds Angaben stehen 3000 mögliche Gewalttäter auf der Watchlist des Inlandsgeheimdienstes MI5, weitere 20 000 werden zu deren Umfeld gezählt. In den vergangenen vier Jahren seien 18 geplante Anschläge vereitelt worden. Noch immer interessiert sich die rund 1000 Beamte umfassende Sonderkommission besonders für die Kontakte und Aufenthaltsorte des Attentäters. Binnen zwei Stunden nach dem Attentat kannte die Kripo anhand einer Kreditkarte die Identität des Täters.
Loyalitätskonflikt
Abedi galt in der Schule als „ein bisschen langsam“, so ein Klassenkamerad, erhielt den Spitznamen „Dumbo“(Dämlack), war „ungebildet und passiv“, sagte ein Lehrer. „Ein unangenehmer Junge, auf niveaulose Weise unverschämt, nie mit den Hausaufgaben fertig“– die Charakterisierung seines Lehrers Mark Roberts fasst die Meinung vieler Menschen zusammen, die Abedi im Laufe seines Lebens über den Weg liefen.
Wie Zehntausende junger Muslime in Europa erlebte Abedi einen Loyalitätskonflikt zwischen dem Herkunftsland seiner Eltern und dem Land seiner Geburt. Großbritannien hatte Abedis Eltern als Flüchtlingen vor dem Regime Muammar al-Gaddafis Asyl gewährt, die Familie zog nach Manchester, einem wichtigen Zentrum der libyschen Gemeinschaft auf der Insel. 2008 – Salman war 13 – kehrte sein Vater Ramadan nach Libyen zurück, um der religiös motivierten Opposition gegen Gaddafi beizustehen. 2011 durfte der 16-jährige Salman in den Sommerferien den Vater besuchen. Bereits vor fünf Jahren warnten zwei Jugendarbeiter die Polizei, Abedi bewundere Suizid-Attentäter.