Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Experte: Trump verdreht bei Autobauern die Fakten
USA sind für deutsche Hersteller wichtiger Produktionsstandort
FRANKFURT – Dem US-Präsidenten Donald Trump fahren in seiner Heimat zu viele deutsche Autos herum – während amerikanische Konzerne in der Bundesrepublik zu wenig vertreten seien. Laut einer Analyse des Branchenkenners Ferdinand Dudenhöffer ist es genau umgekehrt – zumindest gemessen an den Anteilen der Verkäufe.
„Schauen Sie sich die Millionen von Autos an, die sie in den USA verkaufen. Fürchterlich. Wir werden das stoppen.“So hatte Trump sich nach Informationen des „Spiegel“gegenüber EU-Ratspräsident Donald Tusk und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker vergangene Woche geäußert. Die Branche äußert sich nicht konkret zu den Vorwürfen. Doch die Zahlen sprechen für sich.
So haben deutsche Autohersteller im vergangenen Jahr etwa 850 000 Fahrzeuge in den USA produziert. Das sei viermal so viel wie 2009, rechnet der Branchenverband VDA vor. Doch davon werden insgesamt nur knapp zwei Fünftel in den USA verkauft, mehr als 500 000 Fahrzeuge werden also exportiert.
Deutsche wichtige Arbeitgeber
Die USA seien für die deutschen Hersteller inzwischen der zweitgrößte ausländische Produktionsstandort nach China, heißt es beim VDA. Auch die Zulieferer haben in den letzten beiden Jahrzehnten die Zahl ihrer Standorte in den USA verdreifacht auf nun 265. Und deutsche Hersteller und Zulieferer zusammen beschäftigen in den USA mehr als 110 000 Menschen.
„Der größte Autoexporteur aus den USA ist nicht General Motors oder Ford, sondern BMW mit Konzernsitz in Deutschland“, sagt Galina Kolev, Handelsexpertin des Instituts der deutschen Wirtschaft. Die Äußerungen Trumps seien „lautes Geschrei ohne Substanz“, meint auch Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des Car Automotive Research Centers an der Universität Duisburg-Essen. Man könne BMW als „National Hero“der USA bezeichnen. Denn die Münchner stellten im vergangenen Jahr allein 45 000 Autos mehr in den USA her als sie dort verkauften.
Bei Daimler liegt der Anteil von Produktion und Verkauf meist in etwa gleich, im vergangenen Jahr wurden jedoch 19 000 Fahrzeuge mehr verkauft als dort hergestellt. Nur der VW-Konzern hat eine aus Sicht Trumps schlechtere Bilanz: So wurden im vergangenen Jahr 526 000 Volkswagen, Audi, Porsche, Bentley und Lamborghini in den USA verkauft und nur 75 000 dort hergestellt. Der Grund: Audi und VW produzieren auch in Mexiko, Porsche hat gar keine Produktion in Nordamerika. „Außerdem hatte das VW-Werk in Chattanooga eine sehr schlechte Auslastung, die sich 2017 durch neue Produkte deutlich verbessert“, sagt Dudenhöffer. Chattanooga sei für eine Produktionskapazität von 150 000 Fahrzeugen mit Erweiterung in Richtung 200 000 geplant gewesen. Hatten die Deutschen nach Angaben des VDA 2016 in den USA einen Marktanteil von 7,6 Prozent, so lag der Anteil der Autohersteller der USA in Deutschland etwa doppelt so hoch bei 13,5 Prozent. Das sind vor allem Fiat, Chrysler, Ford, General Motors und Tesla.
Alternative Fakten
„Wie so oft argumentiert der USPräsident nicht auf der Lage von Fakten, sondern schafft sich seine Urteile durch alternative Fakten, etwa wie viele Autos er gerade auf einer Straße in New York sieht oder welche Autos gerade im Trump-Tower parken,“kommentiert Autoexperte Dudenhöffer diese Zahlen.
Das ändert jedoch nichts an einer gewissen Unruhe, die seine Äußerungen an den Finanzmärkten hervorrufen. Die Sorge bleibt, dass der amerikanische Präsident seine Pläne eines steuerlichen Grenzausgleichs weiter verfolgen könnte. Eine solche Steuer, ein Aufschlag auf importierte Waren und Dienstleistungen, würde die Produkte auf dem Markt der USA stark verteuern. Das gilt jedoch nur für die Firmen, die mehr in die USA importieren als exportieren.
Bis auf VW wäre deshalb die deutsche Autoindustrie nicht so stark betroffen. Eine solch umfassende Steuerreform durch den Gesetzgebungsprozess zu bringen, sei jedoch langwierig und unwahrscheinlich, sagt Galina Kolev vom Institut der deutschen Wirtschaft. Zudem würde eine solche Reform wohl sofort eine Klage der Handelspartner in den USA nach sich ziehen.